Extreme Lebensumstände für Fische im Kanal
Diplomand aus dem Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) entwickelt Vorschläge zur Verbesserung der Situation / Fischökologisches Neuland
Anspruchslose Fischarten wie Flussbarsch und Plötze sind im Oder-Havel-Kanal relativ häufig. Dagegen müssen Hechte, Schleien und Karpfen, auf die sich Angler freuen, jedes Jahr neu eingesetzt werden. Der Grund: Sie finden im Oder-Havel-Kanal nur schlechte Bedingungen, sich fortzupflanzen oder einzuwandern. Doch ohne die Schifffahrt zu beeinträchtigen, könnten für die Fische bessere Laichplätze und Lebensbedingungen geschaffen werden. Am Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin wurde eine Studie erarbeitet, aus der sich Managementempfehlungen für die Fischerei und den weiteren Ausbau von Wasserstraßen ableiten lassen.
Mit seiner wissenschaftlichen Arbeit betritt Diplom-Agraringenieur Robert Arlinghaus fischökologisches Neuland. Er hat am Beispiel des Oder-Havel-Kanals untersucht, welche Fischarten in einem künstlichen Gewässersystem leben, wo sie gute Fortpflanzungsbedingungen finden und in welchen Bereichen des Kanals Jungfische eine Chance haben aufzuwachsen.
Der Oder-Havel-Kanal liegt schnurgerade in der Landschaft. Große Steinblöcke begrenzen die Ufer. Für Fische sind Kanäle extreme Lebensräume: „leergefegt“, wenig Wasserpflanzen, kaum Fischunterstände. Zusätzlich wirkt sich schifffahrtsbedingter Wellenschlag negativ auf die Fische aus. Über 7700 Kilometer Bundeswasserstraßen als künstliche Kanäle und regulierte Flüsse durchziehen die Bundesrepublik. „Natürliche“ Fließgewässer werden zunehmend weiter zu Wasserstraßen ausgebaut. Für Fische wird der Lebensraum enger.
Im Extremlebensraum Oder-Havel-Kanal schwimmen trotzdem immerhin 20 Fischarten. Etwa die Hälfte steht auf Roten Listen. Sie sind in ihrem Bestand gefährdet oder vom Aussterben bedroht, wie Döbel, Rapfen und Moderlieschen. Besonders weit verbreitet sind Fischarten mit geringen Ansprüchen an ihre Laichplätze, wie Flussbarsch und Plötze. Dagegen müssen Hechte, Schleien oder Karpfen, die fischereiwirtschaftlich und für Angler interessant sind, zusätzlich eingesetzt werden. In den künstlichen Wasserstraßen vermehren sie sich kaum von allein. Das Ziel sollte es aber sein, möglichst auf den Fischbesatz zu verzichten. In einem Schifffahrtskanal fehlen für die meisten Jungfische geeignete Lebensräume. Das Gewässer windet sich nicht in Schlaufen und bremst die Fließgeschwindigkeit des Wassers in Ufernähe nicht. Flachwasserbereiche fehlen, selten wachsen Schilf und Unterwasserpflanzen, die den Jungfischen Unterstände und Schatten bieten könnten. Döbel oder Gründling bevorzugen Kies und Sand, um ihren Laich abzulegen. Im ausgebauten und befestigten Kanal bleiben ihnen nur die großen Blocksteine. Nach dem Schlüpfen halten sich die Fischlarven bis zu ihrem Jungstadium in der Regel in Randbereichen eines Gewässers auf, wo die Strömung weniger stark ist und sie Nahrung und Schutz vor Räubern finden. In einem Kanal dagegen, der lang und gerade gebaut ist, sind solche schwachströmenden Zonen selten. Wenn die Wellen der Frachtschiffe an den großen Steinblöcken „anschwappen“, ziehen sie die Jungfische vom Ufer mit sich fort.
Handlungsempfehlungen
Robert Arlinghaus hat Handlungsempfehlungen erarbeitet, wie der Fischbestand erhöht und die Fischgemeinschaft vielfältiger werden kann. Seine Vorschläge schränken die Schifffahrt nicht ein. Der Wissenschaftler hat festgestellt, dass die Fische etwas bessere Lebensumstände in Ausbuchtungen von Kanälen finden, die dafür gebaut sind, dass die Schiffe wenden können. Hier ist die Strömung, nachdem ein Schiff durchgefahren ist, geringer. Außerdem wachsen mehr Wasserpflanzen zwischen den Blocksteinen und im Schlamm. Im Mai und Juni, wenn die meisten Fischlarven schlüpfen, hat Robert Arlinghaus in den Buchten viele Fische finden können. In den geraden Bereichen des Kanals dagegen fast keine. Eine Empfehlung lautet daher, zusätzlich kleine Buchten in Kanäle einzubauen. Die Kanäle könnten auch zu naheliegenden Baggerseen, Gräben oder Altarmen geöffnet werden. Die Fische könnten sich dort fortpflanzen und die Jungfische später in den Kanal zurückschwimmen. Nicht zuletzt würden die auf Kies laichenden Fischarten davon profitieren, wenn der Mensch in die Blocksteinschüttungen mosaikartig Kies und kleine Steine einbrächte.
Die Ergebnisse der Arbeit sind insbesondere vor dem Hintergrund der neuen Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union vom 22. Dezember 2000 zu bewerten. Die Richtlinie verlangt, dass auch für Kanäle und städtische Gewässer der bestmögliche ökologische Zustand zu definieren und zu erhalten ist.
Robert Arlinghaus hat für seine Diplomarbeit bereits mehrere Preise erhalten: Den
Förderpreis 2001 vom Verband deutscher Fischereiverwaltungsbeamten und Fischereiwissenschaftler e.V., den Förderpreis 2001 vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Raumordnung Brandenburg und zuletzt den Humboldt-Preis 2001 der Humboldt Universität zu Berlin.
Kontakt: Tel.: 030 64181-653; Fax. 030 64181-750; E-Mail: arlinghaus@igb-berlin.de
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