Pathologische Internetnutzung

In ihrer jetzt bei Pabst Science Publishers erschienenen Untersuchung „Pathologische Internetnutzung – eine Pilotstudie zum Störungsbild“ kommt die Augsburger Psychologin Dr. Silvia Kratzer zu dem Ergebnis, dass psychische Störungen bei pathologischen Internetnutzern weit häufiger zu diagnostizieren sind als bei nicht-pathologischen. Letztere zeigen zugleich eine deutlich weniger ausgeprägte Neigung zum Chatten.

Pathologische Internetnutzung wurde ursprünglich als eine durch das Medium selbst verursachte Abhängigkeit bei zunächst „gesunden“ Menschen gesehen. Im Laufe der Zeit hat die Forschung dann Persönlichkeitsmerkmale – z. B. Impulsivität – in den Blick genommen, die zu einer pathologischen Internetnutzung führen könnten, also bereits vorhandene psychische Beeinträchtigungen oder Störungen als ursächlich für eine pathologische Internetnutzung in Betracht gezogen.

EXZESSIV, ABER ZEITLICH BEGRENZT (UND INSOFERN NORMAL) ODER ABER SUCHTÄHNLICH?

Die bisherigen Forschungsergebnisse ermöglichen eine Einteilung des Phänomens der pathologischen Internetnutzung: Auf der einen Seite steht – besonders bei Jugendlichen – ein zwar exzessives Verhalten, das aber zeitlich begrenzt ist und insofern als normal gelten kann. Auf der anderen Seite steht ein pathologisches Verhalten mit suchtähnlichem Charakter, das in Zusammenhang mit subklinischen depressiven Verstimmungen und mit einem Gefühl der Einsamkeit oder mit psychischen Störungen steht oder stehen kann.

OHNE VORBILD IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM

Die vorliegende Pilotstudie untersucht, wie häufig die Diagnose einer psychischen Störung bei Personen mit pathologischer Internetnutzung auftritt. Im deutschsprachigen Raum ist dies der erste Versuch, diese Frage zu klären. Bislang liegen hierzu nur zwei amerikanische Untersuchungen aus den Jahren 1999 und 2000 vor.

Kratzer hat 61 Personen untersucht, die sich entweder in der „Münchner Ambulanz für Internet-Abhängige“ gemeldet hatten oder über Aushänge rekrutiert werden konnten. Die Gruppe der pathologischen Nutzer erfüllten mindestens fünf der sechs zugrundegelegten Kriterien. Bei den nicht-pathologischen Internetnutzern der Vergleichsgruppe trafen höchstens zwei dieser sechs Kriterien zu.

Anders als bei den meisten Untersuchungen auf diesem Gebiet, wurden Befragung und Testung nicht online durchgeführt, sondern persönlich und mit einem standardisierten computergestützten Diagnostik-Instrument (Munich Composite International Diagnostic Interview von Wittchen und Pfister).

PSYCHISCHE STÖRUNGEN BEI 90 PROZENT DER PATHOLOGISCHEN NUTZER

Als zentrales Ergebnis stellt die Studie einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Probandengruppen fest: Unter den pathologischen Internetnutzern wurde bei 27 von 30 Personen eine psychische Störung diagnostiziert, in der 31-köpfigen Vergleichsgruppe der nicht-pathologischen Nutzer war dies nur bei 7 Personen der Fall. Charakteristisch für die Gruppe der pathologischen Nutzer ist zudem eine Bevorzugung der Kommunikationsangebote (Chatten) im Internet.

SILVIA KRATZER, PATHOLOGISCHE INTERNETNUTZUNG – EINE PILOTSTUDIE ZUM STÖRUNGSBILD, PABST SCIENCE PUBLISHERS, 2006, 112 SEITEN, ISBN 3-89967-317-4

KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN:
Dr. Silvia Kratzer
c/o Lehrstuhl für Psychologie
Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Augsburg
86135 Augsburg
Telefon: 0821/598-5610 oder -5608
silvia.kratzer@phil.uni-augsburg.de

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Klaus P. Prem idw

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