Ansatz für molekulare Therapien bei Krebs
Bei vielen Tumoren ist das onkogene Ras-Protein dauerhaft „angeschaltet“, so dass die Zellen unkontrolliert wachsen. Wie die Abschaltung des Ras-Proteins im Detail funktioniert, haben jetzt Biophysiker der Ruhr-Universität Bochum zusammen mit Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts in Dortmund mit einem ultra-sensitiven spektroskopischen Ansatz herausgefunden. Ein Verständnis des molekularen Mechanismus des Ras-Proteins liefert die Voraussetzung für die Entwicklung molekularer Therapien bei Krebserkrankungen. Die Darstellung der Studie ist dem international renommierten US-Wissenschaftsmagazin PNAS das Titelbild der aktuellen Ausgabe wert.
Abschaltmechanismus im Detail verstehen
Das Ras-Protein ist der Schalter für das Zellwachstum: Wird es durch bestimmte Mutationen verändert (onkogen), dann steht der Schalter für das Zellwachstum dauerhaft auf „an“ und die Zelle wächst unkontrolliert. Onkogenes Ras findet man in 25 Prozent aller menschlichen Tumore. „Um das unkontrollierte Wachstum zu stoppen, muss also der Abschaltprozess des Ras-Proteins genau verstanden werden“, so Prof. Gerwert. Abgeschaltet wird das Ras durch die Katalyse des Triphosphats GTP zu Diphosphat GDP. Den molekularen Abschaltmechanismus haben die RUB-Biophysiker um Dr. Carsten Kötting und Prof. Klaus Gerwert in Zusammenarbeit den Professoren Roger Goody und Alfred Wittinghofer vom Max Planck-Institut für molekulare Physiologie herausgefunden.
Enzymatischen Weg wie im Film beobachten
Die jetzt veröffentlichte spektroskopische Arbeit ergänzt die früheren Arbeiten der Dortmunder Wissenschaftler, die bereits die Raumstrukturen des Ras-Proteins und seinem Interaktionspartner, dem GAP, aufgeklärt haben. Mit der trFTIR-Technik (time-resolved Fourier Transform Infrared) der Bochumer Biophysik konnten die Forscher jetzt den enzymatischen Weg der durch das Protein GAP katalysierten GTPase-Reaktion des Ras-Proteins wie in einem Film beobachten. Dabei konnten sie ein bisher nicht charakterisiertes, proteingebundenes Phosphat mit nur Millisekunden Lebenszeit identifizieren, seine Position im Protein und seinen Protonierungszustand bestimmen. „Bislang war bekannt, dass im 'an'-Zustand das Triphosphat GTP an das Protein gebunden ist und im 'aus'-Zustand das Diphosphat GDP“, erklärt Prof. Gerwert. „Jetzt konnten wir mit der trFTIR beobachten, dass der Schalter in dieser neu entdeckten Zwischenstufe leicht wieder in den 'an'-Zustand 'zurückschnappen' kann.“ Die daran beteiligten Protonen sind entscheidend für den Reaktionsmechanismus. Die Forscher vermuten, dass eine solche Zwischenstufe auch in anderen GTPasen und ATPasen eine wichtige Rolle spielt.
Direkt am Protein wirksame Medikamente entwickeln
Die Entdeckungen über das Ras-Protein könnten für zukünftige Krebsmedikamente von Bedeutung sein: Während klassische Chemotherapeutika als Zellgift wirken und somit starke Nebenwirkungen haben, versucht man heute für die Krebstherapie Medikamente zu entwickeln, die direkt und ausschließlich an einem solchen onkogenen Protein wirken. Mit dem erworbenen Wissen kann man jetzt versuchen, mit maßgeschneiderten Substanzen das onkogene Ras in den „aus“-Zustand zu zwingen, indem man das „Zurückschnappen“ verhindert. Im „an“-Zustand interagiert das Ras mit der Raf-Kinase. Kürzlich hat Bayer für eine maßgeschneiderte molekulare Therapie ein Medikament entwickelt, das als so genannter Raf-Kinase-Hemmer bei Nierenkrebs erfolgreich eingesetzt wird.
Auch ein methodischer Durchbruch
Auch methodisch stellt die Arbeit einen Durchbruch dar, weil mit Hilfe von Isotopenmarkierungen die dipolare Wechselwirkung zwischen zwei molekularen Gruppen, hier dem Pi und dem GDP, in einem Protein nachgewiesen wurde. Somit konnte zum ersten Mal aus einem eindimensionalen Infrarotspektrum ein Abstand bestimmt werden, analog der Vorgehensweise in der Festkörper-NMR- und der ESR-Spektroskopie. Mit dem Ansatz können in Zukunft nicht nur Reaktionsmechanismen, sondern auch Abstandsänderungen mit hoher Zeitauflösung vermessen werden.
Beispiel für die gute Kooperation
Die Arbeiten sind im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs 642 entstanden und beispielhaft für die gute Kooperation zwischen dem MPI in Dortmund und der RUB. Die trFTIR Spektroskopie erlaubt in Kombination mit den Röntgenstrukturanalysen eine detaillierte Auflösung des molekularen Reaktionsmechanismus von Proteinen.
Titelaufnahme
Carsten Kötting, Marco Blessenohl, Yan Suveyzdis, Roger S. Goody, Alfred Wittinghofer and Klaus Gerwert: A phosphoryl transfer intermediate in the GTPase-reaction of Ras in complex with its GTPase-activating protein, In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 103 (38), 13911-13916 (2006), Titelseite: http://www.pnas.org/content/vol103/issue38/cover.shtml
Weitere Informationen
Prof. Dr. Klaus Gerwert, Lehrstuhl für Biophysik der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, ND 04 Nord, Tel: 0234/32-24461, Fax: 0234/32-14238, E-Mail: gerwert@bph.rub.de, Lehrstuhl für Biophysik: http://www.bph.rub.de
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