Ansteckung durch Prionproteine – Authentische Infektiosität experimentell erzeugter Partikel
Proteine als alleinige Krankheitserreger waren ein bis dahin unbekanntes Konzept in der Biologie. Zweifel an dieser These tauchten wieder auf, als sich künstlich hergestellte, fehlgefaltete Prionproteine im Experiment als wenig infektiös erwiesen. Ein Forscherteam um Professor Hans Kretzschmar vom Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) widerlegt dies jetzt aber in den „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“. Die Wissenschaftler schufen auf bestimmtem Trägermaterial missgefaltete Prionproteine, die sich im Versuch als ebenso infektiös erwiesen wie aus erkrankten Gehirnen gewonnene Prionen. Beide Varianten konnten harmlose Prionproteine zur Fehlfaltung anregen und bei gesunden Tieren Prionerkrankungen auslösen.
Proteine können nur dann ihre Funktionen erfüllen, wenn sie sich in ihre jeweils spezifische Form gefaltet haben. Wie wichtig die korrekte dreidimensionale Struktur, und wie gefährlich eine falsche Faltung sein kann, zeigen die Prionproteine. Sie kommen natürlicherweise in ganz bestimmter Form im menschlichen und tierischen Organismus vor. Unter bestimmten Umständen aber nehmen sie eine andere Struktur ein und werden dadurch infektiös, schaffen also aus harmlosen Prionen neue ansteckende Partikel. Durch diesen Vorgang können schwere Leiden entstehen, wie etwa die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen oder BSE bei Rindern. Diesen Leiden ist gemein, dass die Infektion über Prionen und damit ausschließlich über Proteine vermittelt wird – was bislang ausschließlich von Prionerkrankungen bekannt ist. Seit kurzem ist es auch möglich, die fehlgefalteten und damit gefährlichen Prionen im Experiment zu erzeugen, anstatt sie nur aus den Gehirnen verstorbener Patienten oder aus Tieren zu gewinnen. Die Ausbeute dabei war aber so gering, dass es kaum möglich war, eine Infektion – also die Umfaltung harmloser Prionen – auszulösen. Die Wissenschaftler der vorliegenden Studie nutzten nun ein relativ neues, von Professor Claudio Soto, University of Texas, entwickeltes Verfahren, die „protein misfolding cyclic amplification (PMCA)“ zur Erzeugung fehlgefalteter Prionen – mit durchschlagendem Erfolg. Bei diesem Verfahren genügen selbst kleine Mengen gefährlicher Prionen, um ungleich größere Mengen harmloser Prionen umzuwandeln.
Dies war zum einen ein methodischer Durchbruch, weil auf vergleichsweise einfache Weise missgefaltete Prionproteine geschaffen werden können. „Es ist uns aber auch gelungen, gefährliche Prionproteine experimentell zu erzeugen, die sich in nichts von denen aus erkranktem Gewebe unterscheiden“, so Kretzschmar. „Bisher gab es immer eine Diskrepanz zwischen der Menge an Protein und der Infektiosität. Wir haben jetzt gezeigt, dass man diese Diskrepanz aufheben kann, wenn es gelingt, die neu gebildeten Prionpartikel an den Trägerstoff Nitrozellulose gebunden im Gehirn zu behalten. Diese Diskrepanz hatte in der Tat Zweifel an der 'protein-only'-Hypothese hervorgerufen, wonach Prionproteine alleine ansteckend sind. Vermutlich sind die in der PMCA hergestellten infektiösen Partikel sehr klein und werden zum Teil aus dem Gehirn ausgeschwemmt. Unsere Interpretation ist, dass die in der PMCA hergestellten Prionen wirkliche, echte Prionen sind, aber etwas kleiner als die 'natürlichen' Prionproteine. Unsere Prionen zeigen jetzt aber die typischen Charakteristika und die ganz spezifische biologische Infektiosität. So können sie auch bei gesunden Tieren die entsprechenden Erkrankungen auslösen, Die neue Methode ist insgesamt ein wichtiges Werkzeug zur genauen Analyse der Struktur und molekularen Mechanismen der Proteine.“ (suwe)
Publikation:
„Cell-free formation of misfolded prion protein with authentic prion infectivity“, Petra Weber, Armin Giese, Niklas Piening, Gerda Mitteregger, Achim Thomzig, Michael Beekes, and Hans A. Kretzschmar, PNAS, XX. Oktober 2006
Ansprechpartner:
Prof. Hans A. Kretzschmar
Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung der LMU
Tel.: 089 / 2180-78000
Fax: 089 / 2180-78036
E-Mail: Hans.Kretzschmar@med.uni-muenchen.de
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