Carl-Ramsauer-Preis für Doktorarbeit am Paul-Drude-Institut
Dr. Roman Engel-Herbert (30) ist einer der diesjährigen Preisträger des Carl-Ramsauer- Preises der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin. Roman Engel-Herbert wird für seine Dissertation an der Humboldt-Universität ausgezeichnet, die Studien dazu führte der Physiker am Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik (PDI) durch. Der junge Wissenschaftler beschäftigte sich mit den mikromagnetischen Eigenschaften von Nanostrukturen.
Seine Forschungsergebnisse dienen unter anderem zu einem genaueren Verständnis kleinster magnetischer Strukturen und könnten zur Verbesserung von ultradichten magnetischen Speichern sowie zum Design von neuartigen Computer- Bauelementen beitragen.
Im Mittelpunkt der Arbeit des PDI-Wissenschaftlers stand Manganarsenid (MnAs). Dabei handelt es sich um eine ferromagnetische metallische Verbindung. Das Material wird mittels Molekularstrahlepitaxie Atomlage für Atomlage auf den Halbleiter Galliumarsenid (GaAs) aufgebracht. Diese Materialkombination ist von besonderem Interesse, da sie eine Verknüpfung magnetischer Eigenschaften mit den elektronischen Eigenschaften eines Halbleiters realisiert. Damit ist es denkbar, nicht nur die elektrische Ladung des Elektrons auszunutzen, um Informationen zu speichern, zu transportieren oder zu verarbeiten, sondern auch sein magnetisches Moment, den Spin. Dieses noch sehr junge Forschungsgebiet bezeichnet man als Spintronics. Die Ausnutzung beider Grundeigenschaften des Elektrons für die Informationstechnologie könnte zum Beispiel schnellere Rechner ermöglichen, die weniger Strom verbrauchen.
Von besonderem Interesse sind hauchdünne MnAs-Schichten auf dem Halbleitermaterial GaAs, da sie es erlauben, Elektronen mit einem bestimmten magnetischen Moment bevorzugt in den Halbleiter zu injizieren. Die Ausrichtung des magnetischen Moments ist dabei durch die Magnetisierung von MnAs festgelegt (etwa: Nord = 0/Süd = 1).
Das Problem: Bei der Kombination der beiden, kristallographisch sehr unterschiedlichen Materialsysteme MnAs und GaAs baut sich eine Verspannung im Film auf, die in einem Temperaturintervall um Raumtemperatur in einer Art Selbstorganisationsprozess zu einer regelmäßigen Anordnung von MnAs in zwei unterschiedlichen Phasen führt, wobei nur eine der beiden Phasen magnetisch bleibt. Die Art und Weise der Anordnung der magnetischen Phasen hängt dabei entscheidend sowohl von der Temperatur als auch von der Kristallorientierung ab. In diesem Phasenkoexistenzbereich treten Magnetisierungseffekte auf, welche die Wissenschaftler bisher nicht genau verstanden haben.
Roman Engel-Herbert schaffte es nun, mit ausgeklügelten Laborversuchen und einem für magnetische Strukturen konzipierten Simulationsprogramm von Dr. Daniel M. Schaadt (PDI), diese Effekte zu erklären. Engel-Herbert berechnete die dreidimensionalen Strukturen der magnetischen Phase von MnAs und deutete so die bisher experimentell beobachteten scheinbaren Widersprüche als Konsequenz der komplexen Raumstruktur der unterschiedlichen magnetischen Bereiche („Domänen“). Die Ergebnisse des Simulationsprogramms in Kombination mit den experimentellen Daten ermöglichten die Aufklärung der mikromagnetischen Struktur in einem äußeren Magnetfeld über den gesamten Phasenkoexistenzbereich hinweg.
Für den Betreuer der Arbeit, den kürzlich in den Ruhestand eingetretenen Direktor des Paul- Drude-Instituts, Prof. Klaus H. Ploog, stellen Engel-Herberts Arbeiten einen „Durchbruch zum Verständnis der magnetischen Eigenschaften von Manganarsenid“ dar. Die exakte numerische Nachbildung kleinster magnetischer Strukturen eröffne zudem die Möglichkeit zur dynamischen Simulation der magnetischen Kraftmikroskopie („magnetic force microscopy“ oder MFM), bei der das vollständige magnetische System, bestehend aus Spitze und Probe, behandelt wird. Dies sei von grundlegender Bedeutung für die Anwendung der magnetischen Rasterkraftmikroskopie, da die Messergebnisse quantitativ ausgewertet werden könnten. Überdies unterstützen die Simulationen eine optimierte Durchführung von Experimenten.
Prof. Ploog hatte zusammen mit Prof. Thorsten Hesjedal die Arbeit des Doktoranden betreut. Hesjedal und Engel-Herbert forschen mittlerweile gemeinsam an der University of Waterloo in Kanada. Die beiden ehemaligen PDI-Wissenschaftler haben noch mehr gemeinsam: Auch Hesjedal wurde mit dem Carl-Ramsauer-Preis ausgezeichnet, das war 1998. Die Physikalische Gesellschaft zu Berlin würdigt damit jedes Jahr herausragende Dissertationen, die an den drei Berliner Universitäten oder der Uni Potsdam vorgelegt wurden.
Hintergrund-Informationen
Mehr zum Preisträger: Roman Engel-Herbert (30) stammt aus Dessau und hat in Jena Physik bis zum Diplom studiert. Seine Doktorarbeit fertigte er in Berlin am Paul-Drude-Institut und der Humboldt-Universität an. Seit Mai 2006 forscht er als postdoctoral fellow an der University of Waterloo in Kanada. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Speicher- und Logikkonzepte auf der Basis magnetischer Materialien, mikromagnetische Simulationen, magnetische Kraftmikroskopie sowie magnetisch dotierte Halbleiter.
Mehr zum Carl-Ramsauer-Preis: Der Preis wird zu Ehren des berühmten Physikers und ersten Leiters des AEG-Forschungsinstituts, dem Experimentalphysiker Carl Ramsauer (1879 – 1955) von der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin jährlich vergeben. Ausgezeichnet werden jeweils vier hervorragende Doktorarbeiten in Physik und angrenzenden Gebieten der Naturwissenschaften. Der Preis ist mit je 1.500 Euro dotiert.
Die Preisverleihung des Jahres 2006 erfolgt im Rahmen eines Festkolloquiums am Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin am Mittwoch, 15. November um 17.15 Uhr. Bei dieser Veranstaltung stellen die vier Preisträger ihre Arbeiten kurz vor.
Mehr zu den Statuten, der Adresse des Veranstaltungsortes und den anderen Preisträgern:
http://www.pgzb.tu-berlin.de/ (dann weiterklicken unter „Preise“)
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http://www.fv-berlin.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Förderungen Preise
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