Erdapfel 2.0 – die Kartoffel als optimierter Stärkelieferant

In die Fußstapfen des „Alten Fritz“ hat sich jetzt Dr. Thorsten Storck, Projektleiter bei der BASF-Tochter „Plant Science“ vom Limburgerhof begeben. Was er in den Händen hält, sieht scheinbar wie eine ganz gewöhnliche Kartoffel aus. Mit einem ganz gravierenden Unterschied: Sein „Erdapfel“ ist nicht für den Verzehr bestimmt, sondern ausschließlich als Rohstofflieferant für eine auf nachwachsenden Rohstoffen basierende Chemie.

Zu diesem Zweck wurde mit den Mitteln der Pflanzenbiotechnologie eine neue Kartoffel entwickelt, deren Stärke fast ausschließlich aus Amylopektin besteht. Diese innovative „Kartoffel 2.0“ mit dem Namen Amflora verbindet die Vorteile der Kartoffelstärke mit den hervorragenden Verdickungseigenschaften von reinem Amylopektin. Ähnlich wie Friedrich der Große möchte auch Storck „seiner“ Amflora zum Durchbruch verhelfen, wobei er allerdings nicht auf staatliche Verordnungen hoffen darf.

„In herkömmlichen Kartoffeln besteht Stärke aus den zwei Komponenten Amylopektin und Amylose“, erläutert der Forscher. Beides seien Polymere aus Glucosemolekülen, die sich deutlich in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften unterscheiden. So wirke Amylopektin verdickend, Amylose hingegen gelierend. In vielen technischen Anwendungen werde aber nur Amylopektin benötigt und Amylose sei unerwünscht, da sie in zahlreichen Anwendungen störe. Eine Trennung von Amylopektin und Amylose sei prinzipiell möglich, jedoch mit einem hohen Energieaufwand verbunden und unwirtschaftlich. Bisher werde die gelierende Wirkung der Amylose verringert, indem man sie vor der Anwendung chemisch modifiziere. Das wiederum gehe mit erhöhtem Verbrauch von Energie und Wasser einher.

Anwendungsmöglichkeiten reichen von der Papier- bis hin zur Kosmetikindustrie

Die Forscher der BASF Plant Science haben die Amflora entwickelt, indem sie das Gen für die Granule Bound Starch Synthase (GBSS), das Schlüsselenzym für die Synthese der unerwünschten Amylose, in der Kartoffelknolle gentechnisch ausgeschaltet haben. Zu diesem Zweck haben die BASF Plant Science Forscher die so genannte „Antisense Technologie“ verwendet, bei der eine Kopie des Gens als Spiegelbild in die Erbsubstanz der Kartoffel eingebaut wird. Reine Amylopektin-Kartoffelstärke ermöglicht eine sehr einheitliche Oberflächenstruktur und gleichzeitig eine hohe Viskosität, Stabilität, und Transparenz. Anwendungsmöglichkeiten dieser innovativen Stärke gibt es in der Papier-, Klebstoff-, Textil-, Bau- und Kosmetikindustrie.

Amflora-Stärke wird ausschließlich in technischen Anwendungen eingesetzt. Da Kartoffeln keine wildwachsenden verwandten Arten in Europa haben, und sich zudem über die Knollen und nicht über Pollen vermehren, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich die Amflora-Kartoffeln im Freiland auskreuzen. Da Amflora im Vertragsanbau angepflanzt werden soll, wird sie nicht auf dem freien Markt erhältlich sein. Von der Saatgut- bis zur Stärkeproduktion, haben sich alle Partner der Warenkette verpflichtet, sich an ein qualitätssicherndes Anbausystem, das so genannte „Identity Preservation System“, zu halten. Dabei wird die Herkunft und Reinheit von Ernte- und Verarbeitungsprodukten auf allen Prozessstufen kontrolliert.

Ausbau soll 2007 beginnen

Die BASF Plant Science hat dieses System bereits 2005 in der Tschechischen Republik getestet. 2006 wurde zudem ein Test-Anbau mit normalen Stärkekartoffeln in Brandenburg und Sachsen-Anhalt durchgeführt, um die Partner der Warenkette mit dem System vertraut zu machen. Dieser Testlauf diente der Vorbereitung des Amflora-Anbaus, der 2007 beginnen soll. Das Prinzip des Qualitätssichernden Anbaus funktioniert in zwei Richtungen: Auf der einen Seite wird die Reinheit der Amflora-Stärke gewahrt, auf der anderen Seite werden konventionelle Kartoffeln nicht mit Amflora-Kartoffeln vermischt.

Die Idee für die Amflora kam von Fachleuten aus der Kartoffelstärke-Industrie. Sie ist ein europäisches Produkt, das entwickelt wurde, um die Wettbewerbsfähigkeit der Kartoffelstärke-Industrie, die hauptsächlich in Europa beheimatet ist, gegenüber Wettbewerbern zu stärken, die Mais- oder Weizenstärke nutzen. Hochwertige Kartoffelstärkeprodukte wie Amflora sind bei den Verarbeitern und Landwirten sehr begehrt. Es gibt bereits eine große Nachfrage und der Zugang zum Markt über Partner in der Stärkeindustrie ist gesichert. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat im Februar 2006 bestätigt, dass „Amflora nicht mehr Risiken für Mensch, Tier und Umwelt mit sich bringt als konventionelle Kartoffeln”. BASF Plant Science ist überzeugt, dass Amflora von der Europäischen Union zugelassen und rechtzeitig zur Anbausaison 2007 in den Markt eingeführt werden kann.

Media Contact

Rolf Froböse Rolf Froböse

Weitere Informationen:

http://www.basf.com

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neuartige biomimetische Sprechventil-Technologie

Ein Forschungsteam der Universität und des Universitätsklinikums Freiburg hat eine neuartige biomimetische Sprechventil-Technologie entwickelt, die die Sicherheit für Patient*innen mit Luftröhrenschnitt erheblich erhöhen könnte. Die Herausforderung: Bei unsachgemäßem Gebrauch von…

Kollege Roboter soll besser sehen

CREAPOLIS-Award für ISAT und Brose… Es gibt Möglichkeiten, Robotern beizubringen, in industriellen Produktionszellen flexibel miteinander zu arbeiten. Das Projekt KaliBot erreicht dabei aber eine ganz neue Präzision. Prof. Dr. Thorsten…

Neue einfache Methode für die Verwandlung von Weichmagneten in Hartmagnete

Ein Forscherteam der Universität Augsburg hat eine bahnbrechende Methode entdeckt, um einen Weichmagneten in einen Hartmagneten zu verwandeln und somit magnetische Materialien zu verbessern: mithilfe einer moderaten einachsigen Spannung, also…