Spezialkunststoff ohne großen Verlust wiederaufbereiten
Recyceltes Plastik ist in der Regel schlechtes Plastik – bisher. In Thüringen läuft nach einem Bericht der Financial Times Deutschland eine Anlage, die Spezialkunststoff fast ohne Verlust wiederaufbereiten kann. In einer Feierstunde bei der Firma Innocycling wurde im thüringischen Rudolstadt die weltweit erste Anlage in Betrieb genommen, auf der das sogenannte Belland-Material im industriellen Maßstab recycelt wird. „Wir haben nicht in Anlagentechnik investiert, sondern in unser Kunststoffmolekül“, sagt Roland Belz, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von BellandVision, gegenüber der FTD. Rund 20 Jahre habe der schwäbische Unternehmer auf diesen Augenblick gewartet. 150 Mio. Euro wurden in seine Firma investiert, zusammen mit Gesellschaftern wie dem britischen Popmilliardär Phil Collins und dem Butterkekskönig Hubertus Bahlsen. „Die Einzigartigkeit unseres Materials ist darin begründet, dass es während des Gebrauchs die hervorragenden Anwendungseigenschaften eines Kunststoffes mit den bewährten Recyclingeigenschaften von Papier nach Gebrauch kombiniert. Durch diese technologische Besonderheit kann das Belland-Material – anders als herkömmliche Kunststoffe – auf der gleichen Wertschöpfungsstufe immer wieder eingesetzt werden. Mit dem Start dieser Anlage haben wir einen Quantensprung beim Recycling von Kunststoff geschafft“, so Belz im Gespräch mit pressetext.
Nach langjähriger und kostenintensiver Entwicklungsarbeit stehe ein Kunststoff zur Verfügung, der einen tatsächlichen Materialkreislauf ermögliche. „Belz und seine Entwickler haben zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising ein ganz spezielles Molekül ersonnen und dabei die herkömmliche Kunststoffentwicklung auf den Kopf gestellt. Bislang waren Eigenschaften wie Haltbarkeit und Langlebigkeit Voraussetzung für einen erfolgreichen Kunststoff. Das Belland-Molekül, ein Copolymer aus Styrol- und Acrylatbausteinen, hat den Verfall gleich mit eingebaut. Wichtige Voraussetzung für die Zersetzung sind sogenannte Carboxylgruppen. Sie halten die verschiedenen Molekülketten im Plastik zusammen, lassen sich aber bei Bedarf durch die Zugabe von Natronlauge verseifen, wie Chemiker sagen. Dabei bildet der Kunststoff ein molekulares Salz, das sich in Wasser auflöst und dabei sämtliche Verunreinigungen gleich mit abstreift“, schreibt die FTD. Die Recyclinganlage in Rudolstadt wird von der Firma Innocycling betrieben, die mit der Belland-Gruppe gesellschaftsrechtlich verbunden ist. Deren Geschäftsführer Werner Fieder erläutert die Funktionsweise und Anlagenkonfiguration: Mittels einfacher, energiesparender und daher kostengünstiger Schritte – ähnlich der Verwertung von Altpapier – werde das Belland-Material sortenrein zurückgewonnen, auch aus den normalerweise anfallenden gemischten und verschmutzten Abfällen. Am Ende des Prozesses fallen exakt jene chemischen Bausteine – sprich Polymerketten – an, aus denen wieder das Belland-Material hergestellt werden könne
„Diese sogenannte Belland-Flocke ist nicht nur 100 Prozent sortenrein, sondern auch molekular gereinigt. Das ist die entscheidende Voraussetzung für die mehrfache Nutzung auf der gleichen Wertschöpfungsstufe. „Bislang wurden die meisten gebrauchten Kunststoffverpackungen allenfalls zu dickwandigen Substituten von Holz oder Beton 'down-gecycelt'. Jetzt können wir erstmals von einem echten Recycling sprechen“, sagt Fieder. Der Durchsatz der Anlage in Rudolstadt betrage je nach gefahrenen Schichten 250 bis 500 Jahrestonnen.
Ein Gutachten des Umweltinstituts Carbotech in Basel kommt zu dem Ergebnis, dass die Umweltauswirkungen des Belland-Materials bei Großveranstaltungen deutlich geringer seien als bei Catering-Geschirr aus herkömmlichem Einweg oder aus kompostierbaren Rohstoffen. Sie seien sogar besser als Kunststoff-Mehrweggeschirr, wenn dieses bedruckt sei. Mehrweg-Trinkbecher seien also keineswegs zwangsläufig ökologisch vorteilhafter. „Den Praxistest hat das Material bereits millionenfach bestanden: Heute trinken während der Bundesligasaison allwöchentlich die Fans in den Stadien von München, Hamburg sowie in Frankfurt und Nürnberg ihre Getränke aus Bechern, die aus unserem Material bestehen. Auch Teilnehmer an großen Laufwettbewerben in Köln, Bonn oder Stuttgart sowie zahllose Gäste vieler Festivals und Messen kennen unser Catering-Geschirr“, betont Belz.
„Die Vorteile dieser zukunftsträchtigen Kombination aus Ökologie und Ökonomie werden immer mehr auch in anderen Ländern erkannt. Uns liegen bereits mehrere konkrete Anfragen aus den verschiedensten Regionen der Welt vor. Deshalb sehen wir unseren Markt in der nahen Zukunft gerade auch in den neuen Schwellenländern“, stellt Hubertus Bahlsen fest, der als Hauptgesellschafter sein Investment heute bestätigt sieht.
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