180 Kilometer im Erdinnern: Messungen zu Bewegungen der Lithosphärenplatten

Göttinger Geophysiker publizieren Forschungsergebnisse im Wissenschaftsmagazin Science

„Plattentektonik“ heißt die weltweit akzeptierte Theorie, nach der die Lithosphäre der Erde – das ist die Erdkruste und der oberste, starre Teil des Erdmantels – in etwa 15 einzelne Platten zerfällt, die sich relativ zueinander bewegen. Die bisher gängigen Erklärungsmodelle für solche Plattenbewegungen müssen möglicherweise neu formuliert werden. Darauf deuten Messungen hin, die Göttinger Geophysiker durchgeführt haben und mit denen sie 180 Kilometer tief ins Erdinnere „sehen“ können. Unter den Erdplatten Australiens und Skandinaviens wurde dabei die elektromagnetische Ausrichtung von Olivin-Kristallen erfasst, die als Indikator für Plattenbewegungen gilt. Die Ergebnisse ihrer Forschungen stellen Prof. Dr. Karsten Bahr vom Institut für Geophysik der Universität Göttingen und seine Mitarbeiterin Dr. Fiona Simpson, die derzeit am Institute of Geological and Nuclear Science in Lower Hutt (Neuseeland) tätig ist, in der aktuelle Ausgabe des renommierten Wissenschaftsmagazins Science vor.

Skandinavien ist ein Teil der europäischen Erdplatte, in dem nach Angaben der Wissenschaftler aktuell fast keine Bewegungen mehr auftreten. Dagegen zählt die australische Platte mit Verschiebungen von 8,5 Zentimetern pro Jahr zu den sich „schnell“ bewegenden der Erdplatten. Mit so genannten magnetotellurischen Messungen, bei denen ein elektromagnetisches Feld tief in das Erdinnere eindringt, kann der Anteil der länglich geformten Olivin-Kristalle bestimmt werden, die in ihrer Ausrichtung der Plattenbewegung „folgen“, erläutert Prof. Bahr. Dass unter der mobilen australischen Platte dieser Anteil signifikant hoch sein würde, hatten die Göttinger Geophysiker im Vorfeld ihrer Untersuchungen angenommen. Messungen von Dr. Simpson in der australischen Wüste bestätigten diese Annahme. „Wenn sich aber die Ausrichtung der Olivin-Kristalle nach der Plattenbewegung richtet, dann dürfte im Fall der statischen europäischen Erdplatte keine derartige Ausrichtung messbar sein“, so Prof. Bahr. Doch genau dies war nicht der Fall: die 24 Messpunkte zeigen einen deutlichen Anteil von entsprechend ausgerichteten Olivin-Kristallen, der sogar über dem der australischen Messungen liegt. „Jetzt nehmen wir an, dass sich die Ausrichtung aus der Zeit erhalten hat, als sich die europäische Platte vor Millionen Jahren noch in Bewegung befand. Damit scheint widerlegt zu sein, dass die elektromagnetische Ausrichtung von Olivin-Kristallen aktuelle Plattenbewegungen anzeigt.“ Prof. Bahr möchte jetzt seine Forschungsarbeiten auf den indischen Kontinent mit einer als mittelschnell geltenden Erdplatte ausdehnen, um seine These mit weiteren Messergebnissen zu untermauern.

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Karsten Bahr
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Physik
Institut für Geophysik
Herzberger Landstraße 180, 37075 Göttingen
Tel. (0551) 39-7453, Fax (0551) 39-7459
E-Mail: karsten.bahr@geo.physik.uni-goettingen.de

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Marietta Fuhrmann-Koch idw

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