Kieler Forschergruppe entdeckt neues Molekül der Zelldifferenzierung


Wie die Zeitschrift „Genes and Development“, die weltweit führende Fachzeitschrift im Bereich Entwicklungsbiologie, in ihrer soeben erschienenen Ausgabe berichtet, wurde an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ein bisher unbekanntes Molekül entdeckt, das die Zelldifferenzierung steuert (Lohmann and Bosch, Genes & Development 14, 2771-2777). Der Bericht dient der Zeitschrift als Titelstory und hat ein weltweites Echo ausgelöst. Die Zeitschrift „Nature Reviews/Genetics" zum Beispiel bringt in ihrer nächsten Ausgabe eine Kurzdarstellung des Projektes.

In dem einfachen Tier Hydra, einem Süßwasserpolyp, konnte von einer Forschergruppe um Prof. Thomas Bosch, Institut für Zoologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, ein kleines, nur zwölf Bausteine umfassendes Eiweißmolekül ausgemacht werde, das die Ausbildung der Körperachse und des Kopfes kontrolliert und daher „HEADY“ genannt wurde. Ausschalten des HEADY-Gens hindert Polypen im Regenerationsexperiment an der Ausbildung des Kopfes; Behandlung von Hydragewebe mit synthetischem HEADY-Peptid führt auf der anderen Seite dazu, dass aus diesem Gewebe eine sekundäre Körperachse mit einem zweiten Kopf entsteht.

Da der Süßwasserpolyp Hydra ein stammesgeschichtlich sehr alter Organismus ist, zeigt die Entdeckung, dass zu Beginn der Stammesgeschichte der Tiere kleine Eiweißmoleküle offensichtlich eine zentrale Rolle als Signalfaktoren gespielt haben. Nachdem die meisten Gene, die bisher als „Schalter“ und Regulatoren der Entwicklung und Zelldifferenzierung identifiziert wurden, in ähnlicher Form in allen Organismen gefunden wurden, gelang es mit dem neu entdeckten Eiweißmolekül HEADY zum ersten Mal, ein wichtiges Steuerungsgen zu isolieren, das nicht zur Gruppe dieser „konservierten Kontrollgene“ zu gehören scheint.

Ausgehend von der Idee, nur durch experimentelle Ansätze könne die Wissenschaft auch neue Stoffe finden, arbeitet die Forschergruppe um Prof. Bosch seit mehreren Jahren an der Entwicklung von Methoden, die es erlauben, ohne spezifische Vorkenntnisse auf die molekularen Grundlagen der in einer bestimmten Tiergruppe wichtigen Kontrollmechanismen zu kommen. „Wir fragen nicht nach der hundertsten Variation eines bekannten Mechanismus,“ so Bosch, „sondern wir fragen nach den originären Mechanismen, die den speziellen Organismus steuern. Deshalb sind wir ganz naiv, ohne die aus anderen Organismen vorhandenen Vorkenntnisse zu berücksichtigen, an die Entschlüsselung der Entwicklung und Differenzierung von Hydra herangegangen.“

Jan U. Lohmann, dem die Entdeckung im Rahmen seiner Promotionsarbeit in der Arbeitsgruppe von Bosch gelang, hält sich inzwischen mit einem HFSP-Stipendium (Human Frontier Science Program) am renommierten Salk Institute in San Diego, USA, auf. Er ist Absolvent der Ludwig-Maximilians-Universität München und wurde dort von Thomas Bosch betreut. Die Forschungen um den Süßwasserpolypen brachte Bosch an seinen Kieler Lehrstuhl mit.

„Im Anschluss an jede Entdeckung gibt es Tausende neuer Fragen. Ausgehend von HEADY versuchen wir jetzt, die gesamte Signaltransduktionskaskade zu verstehen, die notwendig ist, damit eine Zelle während der Individualentwicklung eine positionsabhängige Entscheidung trifft und zum Beispiel zu einer Kopfzelle differenziert,“ umreißt Bosch den weiteren Fortgang dieses Forschungsprojektes.

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Susanne Schuck idw

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