Descartes-Preis an H.E.S.S.-Team

Die Internationale Kooperation High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) hat den Descartes-Forschungspreis erhalten; federführend bei H.E.S.S ist das Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik. Die Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan verlieh am Mittwoch gemeinsam mit EU-Forschungskommissar Janez Potoènik die mit 1 Million Euro dotierte Auszeichnung.

Die Preisverleihung fand in Brüssel zum Start des 7. Europäischen Forschungsrahmenprogramms mit dem Titel "Today is future" statt. Das H.E.S.S-Team teilt sich den Descartes-Preis mit zwei anderen internationalen Forschungsprojekten. Der Descartes-Preis der europäischen Kommission ist nach dem französischen Philosophen und Mathematiker Rene Descartes (1596 bis 1650) benannt und wird seit 2000 verliehen. Der Forschungspreis geht an Wissenschaftlerteams, die mit grenzüberschreitenden Projekten herausragende wissenschaftliche und technologische Ergebnisse erzielt haben.

Schon 2006 hatte es das H.E.S.S.-Team unter die zehn Finalisten geschafft – doch erst dieses Jahr glückte der Sprung aufs Podium. Die Erfolgsgeschichte des H.E.S.S.-Projekts ist in der Tat beeindruckend: Erst seit 2004 sind die Detektoren voll funktionstüchtig und haben den Wissenschaftler buchstäblich ein neues Fenster ins All eröffnet. Die H.E.S.S.-Teleskope mit ihrem großen Gesichtsfeld – es entspricht der zehnfachen Fläche des Mondes – sind ideal geeignet, um neue Quellen kosmischer Gammastrahlung zu entdecken. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der H.E.S.S.-Beobachtungen haben in wenigen Monaten zu mehr als 30 Publikationen in Fachzeitschriften geführt, darunter viele in hochkarätigen Journalen wie Nature oder Science.

Im Folgenden eine Auswahl der wichtigsten Ergebnisse:

  • Bereits mit den ersten Messungen konnten die Forscher das erste astronomische Bild einer Supernova-Schockwelle bei allerhöchsten Energien aufnehmen. H.E.S.S. identifizierte dabei erstmals die Explosionswolken von Supernovae als Quelle hochenergetischer kosmischer Strahlung – sozusagen als gigantische kosmische Teilchenbeschleuniger.
  • Schon wenige Monate später hatte H.E.S.S. gleich acht neue Quellen hochenergetischer Gammastrahlung im Zentrum der Milchstraße gefunden – und somit die Anzahl der bis dahin bekannten Quellen nahezu verdoppelt.
  • H.E.S.S.-Experimente wiesen nach, dass hochenergetische kosmische Strahlung im Zentrum der Milchstraße intensiver ist als in der Nähe der Erde. Mögliche Erklärung für dieses Phänomen könnte sowohl eine frühere Supernova als auch eine massive Teilchenbeschleunigung durch das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis sein.
  • Im Oktober 2006 berichteten die H.E.S.S.-Wissenschaftler über die Entdeckung schnell veränderlicher, sehr hochenergetischer Gamma-Strahlung aus der riesigen Radiogalaxie M 87. Dies ist die bislang einzige Radiogalaxie, aus der Gammastrahlung mit Energien nachgewiesen wurde, die jene des sichtbaren Lichts um das Billionenfache übertreffen.
  • Ende 2006 identifizierte das H.E.S.S.-Teleskop erstmals eine regelmäßig pulsierende Gammastrahlen-Quelle in der Milchstraße. Bisherige Beobachtungen waren auf 100.000fach kleinere Energien beschränkt. Die Strahlung stammt von einem Doppelsternsystem mit dem Katalognamen LS 5039, in dem ein kompakter Körper (ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch) in nur vier Tagen auf einer exzentrischen Bahn um einen blauen Riesenstern rast.

Möglich macht all diese Entdeckungen ein System aus vier Teleskopen. H.E.S.S. wurde in den Jahren 2001 bis 2003 von einem internationalen Team aus mehr als 100 Wissenschaftlern und Ingenieuren aus Deutschland, Frankreich, England, Irland, der Tschechei, Armenien, Südafrika und Namibia erbaut. Im September 2004 ging die Anlage offiziell in Betrieb. Mit jeweils 13 Meter Durchmesser sind die H.E.S.S.-Teleskope die derzeit empfindlichsten Nachweisinstrumente für hochenergetische Gammastrahlen, die sich nur schwer nachweisen lassen; selbst eine starke Quelle sendet lediglich ein Strahlungsquant pro Monat und Quadratmeter in unsere Atmosphäre, wo es absorbiert wird. Der direkte Nachweis würde somit ein riesiges Satelliteninstrument erfordern.

Daher arbeiten die H.E.S.S.-Teleskope mit einem Trick: Sie nutzen die Atmosphäre als Nachweismedium. Wenn Gammaquanten absorbiert werden, senden sie kurze Blitze des sogenannten Cherenkov-Lichts aus – ein blaues Leuchten, das nur einige milliardstel Sekunden andauert. Dieses Leuchten wird mit den großen Spiegeln und empfindlichen Photosensoren der H.E.S.S.-Teleskope aufgefangen. Aus diesen Daten erzeugen die Wissenschaftler dann Bilder astronomischer Objekte im "Licht" hochenergetischer Gammastrahlen.

Sicher hält das All noch viele Überraschungen für die H.E.S.S.-Wissenschaftler bereit. Erst vor wenigen Wochen berichteten die Forscher von ihrer jüngsten Entdeckung: einem Gammastrahler neuen Typs. Zum ersten Mal konnten sie hochenergetische Gammastrahlung einem Wolf-Rayet-Stern zuordnen – einem massereichen Stern am Ende seines Lebens aber noch vor seinem "Tod" als Supernova.

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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