Mangelnde Mobilität der Arbeitnehmer gefährdet Europas Wettbewerbsfähigkeit
Studie von PricewaterhouseCoopers und Landwell: Bedarf an qualifizierten, mobilen Arbeitnehmern innerhalb der EU steigt / Geringes Interesse am Auslandseinsatz bei Führungskräften und erfahrenen Mitarbeitern / USA, Spanien und Australien sind bevorzugte Ziele der Deutschen / Rechtliche Barrieren behindern Mobilität
Immer weniger Arbeitnehmer innerhalb der EU sind dazu bereit, im Ausland zu arbeiten. Dabei steigt der Bedarf von Unternehmen an mobilen Arbeitskräften stetig an. Dieses Missverhältnis gefährdet auf längere Sicht die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union, warnt die Studie Managing mobility matters – a European perspective, die PricewaterhouseCoopers in Zusammenarbeit mit Landwell, dem internationalen Anwaltsnetz von PricewaterhouseCoopers, erstellt hat. In Deutschland gehört die Anwaltskanzlei PricewaterhouseCoopers Veltins Landwell an.
Ein eklatantes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage besteht auch in Deutschland: Während 64 Prozent der deutschen Unternehmen angeben, dass Mobilität eine wichtige Eigenschaft für Führungskräfte sei, sind nur 14 Prozent aller befragten Deutschen überhaupt daran interessiert, im Ausland zu arbeiten. Von diesen sind wiederum nur 19 Prozent Führungskräfte.
PricewaterhouseCoopers und Landwell haben für diese Studie rund 400 Unternehmen in acht europäischen Ländern sowie 22 multinationale Konzerne unterschiedlicher Branchen über die Perspektiven von Arbeitnehmern befragt, die bereit sind, im Ausland zu arbeiten. Zudem gibt die Untersuchung Aufschluss über Erwartungen und Ziele von Arbeitnehmern. Hierzu hat das Marktforschungsinstitut MORI im Auftrag von PricewaterhouseCoopers mehr als 10.000 potenzielle Arbeitnehmer in acht Ländern der EU sowie in Ungarn und Polen befragt. Dabei sollte in Erfahrung gebracht werden, wie die Arbeitnehmer Chancen und Hindernisse eines beruflich motivierten Auslandsaufenthaltes beurteilen und welche beruflichen Pläne sich hieraus für sie ergeben.
Führungskräfte und erfahrene Mitarbeiter sind rar
Die Befragung ergab, dass über 70 Prozent aller Unternehmen in den nächsten fünf Jahren mit einem steigenden Bedarf an flexiblen, mobilen Arbeitnehmern rechnen. Ursache des steigenden Bedarfs – darin sind sich 68 Prozent aller befragten Unternehmen einig – ist vor allem die demographische Entwicklung in Europa. Fast die Hälfte (45%) der Unternehmen geben an, schon heute Schwierigkeiten zu haben, erfahrene Führungskräfte und Mitarbeiter zu finden und einzustellen (Deutschland: 31% bzw. 42%). Weniger problematisch ist für die meisten Firmen dagegen die Suche nach Angestellten für Sachbearbeitung und Administration sowie nach ungelernten Arbeitern.
Die MORI-Umfrage bestätigt, dass von 8.000 Befragten in den acht europäischen Ländern nur 17 Prozent überhaupt interessiert sind, im Ausland zu leben und zu arbeiten. Die meisten dieser Reisewilligen sind jung, haben wenig Berufserfahrung und entsprechen damit nicht dem Suchprofil der Arbeitgeber.
Bevorzugte Ziele der Deutschen: USA, Spanien und Australien
In Deutschland könnten sich 14 Prozent der Befragten vorstellen, im Ausland zu arbeiten und zu leben. Bevorzugtes Ziel der Deutschen sind die USA, gefolgt von Spanien und Australien.
Innerhalb der EU gehören Spanien, Frankreich und Italien zu den beliebtesten Ländern für Auslandsaufenthalte. Wunschziel für Arbeitnehmer aus Ländern wie Polen, Ungarn und Tschechien ist nach wie vor Deutschland.
Die möglichen Auswirkungen dieser neuen Wanderbewegung unter Arbeitskräften sind von Land zu Land unterschiedlich: Gerade in Ländern wie Polen, Ungarn und Tschechien ist die Bereitschaft sehr groß, in Deutschland, Spanien, Frankreich oder Italien zu arbeiten. Da es keinen entsprechend gegenläufigen Trend gibt, verlieren osteuropäische Staaten Fachwissen und Expertise.
Arbeitnehmer wollen vor allem Lebensstandard verbessern
Die Untersuchung des Marktforschungsinstitutes MORI ergab, dass Arbeitnehmer in Europa vorrangig durch ein höheres Gehalt und einen verbesserten Lebensstandard dazu motiviert werden, im Ausland zu leben und zu arbeiten. Dies gilt durchgängig für alle Länder, für EU-Mitgliedsstaaten ebenso wie für Beitrittskandidaten. Erfahrungen im Umgang mit einer anderen Kultur zu sammeln, Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern und weitere berufliche Qualifikationen zu erwerben, sind für den Entschluss, eine Zeit im Ausland zu arbeiten, offensichtlich zweitrangig.
Rechtliche Barrieren innerhalb der EU behindern Mobilität
Zahlreiche Unternehmen gaben an, dass viele der kostspieligen und hinderlichen Barrieren innerhalb der EU ihre Suche nach geeigneten Fachkräften noch verstärkten. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Region Europa werde aufs Spiel gesetzt, solange es keine einheitlichen Regelungen zu Arbeitsrecht, Steuer- und Sozialsystem sowie über Zuwanderung und Altersversorgung gibt, so das Urteil der Unternehmen. Obwohl zum Beispiel mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen nur zu gerne einen einheitlichen Arbeitsvertrag in ganz Europa hätte, können nur zehn Prozent Erfolge auf dem Weg dorthin verzeichnen.
In der Gesamtbefragung kristallisierten sich fünf Faktoren heraus, die nach Ansicht der Unternehmen die größten Barrieren darstellen: Unterschiede im Arbeitsrecht (40%), im Steuersystem (40%), der Bedarf an Arbeitsplätzen für Ehepartner (39%), mangelnde Sprachkenntnisse (35%) und Unterschiede im Sozialsystem (32%). Für die deutschen Unternehmen stellen nur drei dieser Faktoren ernsthafte Hindernisse dar: Unterschiede im Arbeitsrecht, im Steuersystem und mangelnde Sprachkenntnisse.
Nationale Regelungen müssen koordiniert werden
„Die Unternehmen sehen sich mit rechtlichen Problemen konfrontiert, wenn ihre Mitarbeiter innerhalb der EU von einer Stelle zur anderen wechseln“, erläutert Prof. Dr. Michael A. Veltins, Senior Partner von PricewaterhouseCoopers Veltins, der deutschen Anwaltskanzlei im Landwell-Verbund. „Die individuellen Regelungen der Länder zum Arbeitsrecht und zur Zuwanderung weichen erheblich voneinander ab. Solange es keine abgestimmten und koordinierten Regelungen gibt, müssen die Arbeitgeber sicherstellen, dass sie ihre Bedürfnisse erfüllen können, ohne Verstöße gegen lokales Recht zu riskieren.“
Für Unternehmen, die Nicht-EU-Bürger einstellen wollen, sei die Situation noch komplizierter, so Prof. Dr. Veltins weiter, denn nach wie vor müsse für jeden EU-Staat eine separate Einreisebewilligung eingeholt werden. Insofern ist damit zu rechnen, dass die Unternehmen sehr genau beobachten, was die europäischen Regierungen auf ihrem Gipfel in Barcelona im März 2002 hinsichtlich der Mobilität von Arbeitnehmern beschließen.
Klare Strategien von Unternehmen sind gefordert
„Bei der Entwicklung einer Strategie für internationale Arbeitnehmer-Mobilität sind auch die Unternehmen gefordert“, äußert Dr. Dagmar Wilbs, Partnerin der Human Resource-Beratung von Pricewaterhouse-Coopers. „Diese Strategie muss neue und flexible Wege für die Einstellung mobiler Mitarbeiter umfassen und auch die Bedürfnisse und Erwartungen einer neuen Generation von Mitarbeitern berücksichtigen.“ Die Unternehmen sollten klare Richtlinien aufstellen, wann sie Mitarbeiter ins Ausland schicken und wann sie in anderen Ländern Personal einstellen, so Dr. Dagmar Wilbs weiter. „Der Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann dazu beitragen, deutlich flexiblere Lösungen zu fördern. Dazu gehören Pendler-Absprachen und kurzfristige Kontrakte, wenn familiäre Bindungen den Umzug der ganzen Familie unmöglich machen.“
Die Studie Managing mobility matters – a European perspective können Sie unter www.pwcglobal.com/de kostenlos im pdf-Format herunterladen.
PricewaterhouseCoopers ist in Deutschland mit einem Umsatz von rund 1,4 Milliarden Euro eines der marktführenden integrierten Dienstleistungsunternehmen im Bereich Beratung und Prüfung. Rund 11.000 Mitarbeiter arbeiten an 39 Standorten in Deutschland für nationale und internationale Mandanten jeder Größe. Die breite Palette der Dienstleistungen umfasst die Wirtschaftsprüfung, die Steuerberatung, die Unternehmens- und Corporate Finance- sowie die Human Resource-Beratung.
In Deutschland arbeiten mehr als 100 Experten im Bereich der Human Resource-Beratung und bilden weltweit gemeinsam mit 9.500 weiteren Experten eine der größten Beratungsorganisationen in diesem Segment.
PricewaterhouseCoopers Veltins Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ist Mitglied des Global Legal Services Network von Pricewaterhouse-Coopers unter der Bezeichnung Landwell, das weltweit in mehr als 40 Ländern mit über 2.700 Rechtsanwälten besteht.
Die Kanzlei ist mit mehr als 150 Rechtsanwälten an sieben Standorten vertreten: Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart.
PricewaterhouseCoopers Veltins bietet umfassende wirtschaftsrechtliche Rechtsberatung für national und international handelnde Unternehmen an. Die Rechtsanwälte verfügen über fundiertes Spezialwissen, Branchen-Know-how und Erfahrung, sie denken unternehmerisch und arbeiten multidisziplinär: Die Kooperation mit Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Unternehmensberatern sowie Corporate Finance Experten führt zu Lösungen, die die komplexen Anliegen der Mandanten in erfolgreiche Strategien umwandeln.
Hintergrundinformationen zur Studie
Managing mobility matters – a European perspective
Die Studie im Überblick
Unternehmensbefragung
- Für die Studie Managing mobility matters – a European perspective befragte PricewaterhouseCoopers mehr als 400 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz, Spanien und der Tschechischen Republik.
- Zusätzlich wurden 22 multinationale Konzerne aus den unterschiedlichsten Branchen genauer untersucht, um einen besseren Einblick in ihre Planung und Ziele zu diesem Thema zu erhalten.
- Durch die Einstellung umzugswilliger Arbeitnehmer wollen 46 Prozent der Arbeitgeber die ihnen fehlende Fachkompetenz und Expertise für ihr Unternehmen erwerben, 42 Prozent nutzen diese Mitarbeiter zum Aufbau internationaler Geschäftsstellen.
- Vor allem spanische Unternehmen (85%) gehen davon aus, dass der Bedarf an mobilen Arbeitnehmern in den kommenden Jahren stark steigen wird. Am geringsten ist der prognostizierte Bedarf bei Unternehmen in der Tschechischen Republik (47%).
Befragung der potenziellen Arbeitnehmer
- Das MORI-Institut befragte im Sommer 2001 im Auftrag von PricewaterhouseCoopers über 10.000 Europäer aus zehn Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz, Spanien und der Tschechischen Republik sowie Ungarn und Polen).
- Als Beweggründe für eine Tätigkeit im Ausland geben die Befragten vor allem den Wunsch nach höherem Einkommen (49%) sowie verbessertem Lebensstandard (47%) an.
- 34 Prozent aller Befragten, die daran interessiert sind, im Ausland zu arbeiten sind jünger als 25 Jahre, 30 Prozent sind zwischen 25 und 39 Jahre alt.
- Nur jeweils 6 Prozent derjenigen, die im Ausland arbeiten wollen, sind erfahrene Führungskräfte oder Fachkräfte. Dagegen sind 25 Prozent Mitarbeiter für die Sachbearbeitung oder Administration und 22 Prozent gelernte Arbeiter.
- Für jeweils mehr als die Hälfte der Befragten waren die wichtigsten Hinderungsgründe gegen einen Auslandseinsatz familiäre Bindungen/die Erziehung der Kinder, mangelnde Sprachkenntnisse und fehlende Informationen über die Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland.
- Die meisten Befragten aus den EU-Beitrittsländern Ungarn, Polen und der Tschechischen Republik würden am liebsten in Deutschland arbeiten: 25 Prozent der polnischen, 12 Prozent der ungarischen sowie 16 Prozent der tschechischen Befragten geben Deutschland als bevorzugtes Land zum Leben und Arbeiten an, gefolgt von den USA.
- Die Befragten der zehn europäischen Länder beurteilen die heutigen Möglichkeiten, innerhalb der EU-Staaten zu arbeiten, unterschiedlich. Befragte aus Polen und Schweden (jeweils 58 Prozent) sowie der Tschechischen Republik (52 Prozent) gaben an, dass es einfacher sein sollte, innerhalb der Länder der Europäischen Union zu arbeiten und zu leben. Von den befragten Deutschen wünschen dies lediglich 20 Prozent.
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