Brückenpfeiler im Großen Belt stören den "Atem" der Ostsee
Die Pfeiler der Brücke über den Großen Belt wirken wie überdimensionierte Mixer auf das durchströmende Wasser. Diese Vermischung greift spürbar in den sensiblen Salzhaushalt der Ostsee ein. Festgestellt wurde der Effekt bei Messungen des Salzgehaltes im Oberflächenwasser. „Wir maßen an der Südseite der Brücke in vier bis acht Metern Wassertiefe eine Erhöhung des Salzgehaltes um zwei bis vier Promille, das entspricht zwei bis vier Kilogramm Salz pro Kubikmeter Wasser“, sagt IOW-Forscher Dr. Hans-Ulrich Lass, der die Untersuchungen im Belt zwischen Nyborg und der Insel Sprogoe leitete.
Das Salz stammt aus der Tiefenströmung, die am Meeresboden sauerstoffreiches Salzwasser von der Nordsee in die Ostsee transportiert. Die Salzgehaltserhöhung im Oberflächenwasser geht aber mit einer Verringerung der Salzkonzentration im Tiefenwasser Hand in Hand. „Mit dem Salzgehalt verliert die sauerstoffreiche Tiefenströmung auch an Dynamik und kann deshalb die tiefen Becken der Ostsee nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgen“, erläutert Prof. Dr. Hans Burchard von der IOW-Sektion Physikalische Ozeanographie und Messtechnik die Auswirkungen des Vermischungseffektes.
Der Große Belt zwischen Fünen und Seeland bewältigt Dreiviertel des gesamten Wasseraustausches zwischen Nord- und Ostsee. Über diese Verbindung bezieht das Mare balticum – ein Brackwassermeer – den Löwenanteil seines Salzes. Aus der Nordsee strömt sauerstoffreiches Salzwasser ein. Aufgrund seiner höheren Dichte strömt es am Meeresboden südwärts durch den 20 Meter tiefen Belt und dann weiter Richtung Osten. In den oberen Schichten wiederum fließt in umgekehrter Richtung das leichtere Brackwasser in die Nordsee.“Dies verursacht die typische Schichtung der Ostsee“, sagt Hans Burchard: Salzwasser unten, Brackwasser oben. Zwischen diesen beiden Schichten gibt es wenig Austausch. Insbesondere der für viele Organismen lebensnotwendige Sauerstoff kann die Grenze nicht durchdringen. Er gelangt nur seitlich mit dem Tiefenstrom aus der Nordsee in die Becken.
Brückenpfeiler allerdings greifen nach Lass' Erkenntnissen in dieses Regime empfindlich ein. Der salzhaltige Tiefenstrom, aus Norden kommend, wird bei der Brücken-Passage mit dem darüber liegenden 'süßeren' Wasser vermischt – messbar an einem Anstieg des Salzgehaltes in den oberen Wasserschichten. Lass' Forscherteam setzte die CTD-Sonde (CTD: Conductivity, Temperature, Depth) zur Messung von Salzgehalt, Temperatur und Wassertiefe sowohl punktuell als auch im Schleppverfahren ein. Die Forscher wiesen die Vermischungseffekte in den oberen Wasserschichten nicht nur längs, sondern auch quer zur Strömung nach, besonders deutlich in vier bis acht Metern Wassertiefe. „Wir registrierten alle 70 Meter einen deutlichen Anstieg im Salzgehalt“, sagt Lass, von Hause Physiker. „Genau in diesem Abstand stehen die Pfeiler der Beltbrücke.“
Die IOW-Forscher nehmen an, dass dies nicht ohne Folgen für die tiefen Becken der Ostsee bleibt. Burchard: „Die Tiefenströmung stellt den einzigen Transportweg für den Sauerstoff in die tieferen Becken und Senken dar.“ Verringert sich der Salzgehalt in der Tiefenströmung, so wird das Wasser leichter. Im Extremfall kann dann das am Boden der Becken liegende, an Sauerstoff verarmte Salzwasser nicht mehr verdrängt werden. Fehlt dort der Sauerstoffnachschub, sterben großflächig Fauna und Flora am Meeresboden und in den darüber liegenden Wasserschichten ab.
Die Arbeiten am IOW zeigen, dass Brückenpfeiler im Belt diese Tiefenströmung stören. Eine Erkenntnis, die nach Burchards Worten auch für das Vorhaben einer festen Fehmarnbeltquerung zwischen Puttgarden und Rødby von Bedeutung ist. „Eine zweite Brücke neben der Brücke über den Großen Belt in dieser Meeresstraße würde den Vermischungseffekt verstärken.“
Ende Februar begrüßte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee bei einem Spitzengespräch mit der dänischen Seite grundsätzlich das Fehmarnbelt-Projekt. Die Umweltbewertung der Fehmarnquerung erfolgte bisher aber nur unter dem Aspekt des Gesamt-Wassertransports. Auch der Brückenbau am Großen Belt kümmerte sich lediglich um die Gesamtbilanz: Was die Bauwerke der Meerenge an Querschnitt nahmen, wurde z. B. durch das Abtragen von Küstenbereichen ausgeglichen.
Das reicht nach Meinung der IOW-Forscher Burchard und Lass zum Schutz der Ostsee nicht aus. „Wir sehen einen dringenden Forschungsbedarf zu den Auswirkungen des Fehmarnbelt-Projektes.“ Um den Vermischungseffekt einer Fehmarnbeltbrücke sicher beurteilen zu können, brauchen die Forscher präzisere Kenntnis über die konkreten Strömungen und Wasserschichten am Ort. Ein Computermodell könnte dann simulieren, welche Effekte ein Brückenbauwerk verursachen würde – mit Auswirkungen auf das Ökosystem Ostsee. „In einem weiteren Schritt ließe sich prüfen, ob eine Vermischung des salzreichen Tiefenwassers durch technische Maßnahmen nachweisbar verringert werden kann“, sagt Prof. Burchard.
Kontakt:
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW)
Prof. Dr. Hans Burchard, hans.burchard@io-warnemuende.de, Telefon: 0381/5197-140
Dr. Uli Lass, uli.lass@io-warnemuende.de, Telefon: 0381/5197-130
Dr. Barbara Hentzsch, Instituts-Sprecherin, barbara.hentzsch@io-warnemuende.de, Telefon 0381/5197-102
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