Hochwassergefahr wächst weltweit – Hydrologe Dr. Bruno Merz über das aktuelle Hochwasserrisiko
Hochwassergefahr wächst weltweit
Der Hydrologe Dr. Bruno Merz über das aktuelle Hochwasserrisiko
Dr. Bruno Merz ist Projektleiter des Deutschen Forschungsnetzes für Naturkatastrophen (DFNK) in Potsdam. Das DFNK entwickelt u.a. Konzepte zur Abschätzung von Hochwasserrisiken. Dabei werden nicht nur meteorologische, hydrologische und hydraulische Prozesse berechnet, sondern auch die Schädigung (Vulnerabilitaet) der betroffenen Menschen, Flächen und Gebäude.
Frage: Was sind die Ursachen für die aktuelle Hochwassersituation?
Die Monate Dezember, Januar und Februar waren zu warm und zu nass. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) betrug die Temperaturabweichung 2.5 bis 3 Grad. Vor allem der Monat Februar war viel zu warm, nämlich 4 bis 5 Grad. Außerdem war der Februar sehr nass, vielfach wurde sogar die absolut höchste Niederschlagsmenge gemessen.
Frage: Wodurch zeichnen sich Winterhochwasser aus?
Winterhochwasser zeichnen sich dadurch aus, dass großräumig Niederschläge auf Boeden fallen, die durch Regen, Schneeschmelze und die geringe Verdunstung in den Wintermonaten nahezu gesättigt sind. Der Niederschlag kann nur teilweise in den Boden eindringen, somit fließt er schneller als üblich und oberflächig in die Bäche. Es kommt also ein sehr großer Anteil des Niederschlags sofort zum Abfluss.
Frage: Wird sich die Situation in der nächsten Zeit verschlimmern?
Grundsätzlich sind feuchte Einzugsgebiete mit gesättigten Boeden immer hochwassergefährdet. Ob sich die Situation verschlimmert, hängt von der Niederschlägen der nächsten Tage ab.
Frage: Ist eine Hochwasserkatastrophe zu befürchten oder nur die für diese Jahreszeit üblichen Hochwasser?
Es ist zu unterscheiden zwischen einem extremen Naturereignis und einer Naturkatastrophe. Ein extremes Naturereignis wird erst dann zur Katastrophe, wenn es auf den Menschen und seine Siedlungen trifft und die Vorsorgemaßnahmen und das Bewältigungsvermögen nicht ausreichen.
Frage: Gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Bebauung und Hochwasserrisiko?
Die zunehmende Versiegelung der Landschaft durch Siedlungen und Straßen führt zu erhöhten Abflüssen. Diese Aussage gilt vor allem für kleine Einzugsgebiete und für kurze, starke Niederschlagsereignisse wie Gewitter. Je größer das Einzugsgebiet, desto geringer wird der Einfluss der Versiegelung auf den Hochwasserabfluss. Für sehr große Hochwasserereignisse an großen Flüssen macht sich die Versiegelung oder Bebauung deshalb kaum bemerkbar.
Für die Vulnerabilitaet bei Hochwasser gilt folgendes: Solange kaum Menschen in Flussnähe lebten und arbeiteten, waren auch extreme Abflüsse von geringer Bedeutung. Diese Flächen, z.B. ehemalige Überschwemmungsflächen, werden in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern besonders intensiv durch Besiedlung, Industrie, Infrastruktur und Landwirtschaft genutzt. In den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten haben sich Menschen und Werte gerade in den Flächen angesammelt, die durch Überschwemmungen besonders bedroht sind.
Frage: Nehmen Unwetterkatastrophen in letzter Zeit tatsächlich zu oder erwecken Medienberichte bloß den Anschein?
Der jetzige Winter passt zu einem in Mitteleuropa in den letzten Jahrzehnten beobachteten Trend: Die Winter werden wärmer und feuchter, und die Sommer trockener. Es fällt also mehr Niederschlag, und wegen der höheren Temperaturen im Winter fällt der Niederschlag verstärkt als Regen und nicht als Schnee. Dies führt dann zu höheren Abflüssen. Man geht davon aus, dass Winterhochwasser verstärkt auftreten. Höhere Abflüsse im Winter werden z.B. durch die Abflussmessungen im Rheineinzugsgebiet beobachtet.
Eine im Januar 2002 in nature veröffentlichte amerikanische Studie analysierte weltweit beobachtete große Hochwasser in 29 großen Flusseinzugsgebieten. Die Studie zeigt, dass die Häufigkeit von großen Hochwassern im 20. Jahrhundert tatsächlich signifikant gestiegen ist. Berechnungen mit Klimamodellen lassen erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt.
Es wird aber nicht nur eine Verschärfung der Hochwassersituation an Flüssen erwartet. Die Erwärmung sorgt dafür, dass die Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Gemeinsam mit verstärkten Konvektionsprozessen werden auch häufigere und intensivere Starkniederschlagereignisse wie Gewitter erwartet, die Sturzfluten hervorrufen. Diese Ereignisse betreffen zwar vergleichsweise kleine Regionen, jedoch sind solche lokalen Ereignisse aufgrund ihrer Häufigkeit für einen Großteil der Hochwasserschäden in Deutschland verantwortlich.
Das DFNK ist eine Initiative deutscher Forschungseinrichtungen und Institutionen. Es hat zum Ziel, Erfahrungen und Wissen, Methoden und Daten auf dem Gebiet Naturkatastrophen aus Natur-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften zusammenzuführen und nutzerorientiert aufzubereiten. Neben Hochwasser bearbeitet das DFNK die Naturgefahren Sturm, Erdbeben und Waldbrand.
2002 ist das Jahr der Geowissenschaften. Ziel ist es, die geowissenschaftliche Forschung transparenter zu machen und einen lebendigen und kontroversen Dialog zwischen den Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit zu initiieren. Die nächste Zentralveranstaltung zum Jahr der Geowissenschaften findet vom 17. bis 21. April in Leipzig statt. Die Wissenschafts-Erlebnistage in den Promenaden des Hauptbahnhofs drehen sich um das Element Luft. Das Jahr der Geowissenschaften geht ebenso wie das Jahr der Physik 2000 und das Jahr der Lebenswissenschaften 2001 auf die Initiative Wissenschaft im Dialog zurück, die von Bundesministerin Bulmahn, dem Stifterverband und den großen Forschungsorganisationen 1999 ins Leben gerufen wurde.
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