Von Abtreibung bis zur Sterbehilfe: Was bedeutet Selbstbestimmung für die Gesellschaft?

Debatten über Abtreibung, Behinderung, Sterbehilfe oder Völkerrecht rückten in den letzten Jahren vermehrt in den Mittelpunkt der Gesellschaft. Charakteristisch für diese Problemfelder ist, dass die Betroffenen selbst bestimmen wollen, was konkret zu geschehen hat.

Das vermehrte Streben nach Eigenständigkeit führte seit den 1990er Jahren zu einer Konjunktur der Selbstbestimmungsidee. In seinem Buch „Selbstbestimmung. Zur gesellschaftlichen Konstruktion einer normativen Leitidee“ versucht der Soziologe Dr. Uwe Krähnke von der TU Chemnitz dem interessierten Bürger, Soziologiestudierenden oder Politikwissenschaftler darzulegen, wie sich die Bedeutung von Selbstbestimmung in den letzten 300 Jahren entwickelt hat. In dem beim Velbrück-Verlag erschienenen Buch wird der These nachgegangen, dass Akteure in der heutigen Gesellschaft (z.B. Abtreibungsbefürworter und Vertreter der Behindertenbewegung) mit dieser normativen Leitidee operieren, um die eigenen Ziele besser öffentlich zu machen und Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen.

Es geht Krähnke weniger um eine Definition, was Selbstbestimmung an und für sich bedeutet. Vielmehr fragt der an der Professur für Allgemeine Soziologie II lehrenden Wissenschaftler, wie der Selbstbestimmungsbegriff in öffentlichen Diskussionen zum Tragen kommt und welche Rückschlüsse sich daraus für das Normen- und Werteverständnis unserer Gesellschaft ziehen lassen. Hat diese Idee heute einen ähnlichen Stellenwert wie die traditionellen Werte der Moderne „Freiheit“, Gleichheit“ oder „Demokratie“?

Um die Konjunktur der Selbstbestimmungsidee zu analysieren, kombiniert Krähnke in seinem Buch Methoden der Ideengeschichte, der Sprachanalyse, der Mediensoziologie und der Diskursanalyse. Dabei bietet das erste Kapitel einen Abriss der Geschichte der Selbstbestimmungsidee, in dem zunächst auf die philosophischen und völkerrechtlich-politischen Einflüsse dieser Idee eingegangen werden. Dieses Kapitel endet mit einem Überblick zu den aktuellen Diskursfeldern. Das zweite Kapitel befasst sich mit einer sprachanalytischen und sprachpragmatischen Zwischenbetrachtung über den leerformelhaften Charakter von Selbstbestimmung. Unter mediensoziologischen Gesichtspunkten wird im dritten Kapitel hinterfragt, wie aus der seit Immanuel Kant diskursiv eingeredeten Selbstbestimmung heute eine symbolisch umkämpfte werden konnte. Zum Abschluss seines Buches stellt Krähnke in einer Fallstudie die bundesdeutsche Debatte um die Selbstbestimmung der Schwangeren im Abtreibungsdiskurs vor.

Weitere Informationen zum Buch erhalten Interessenten unter http://www.velbrueck-wissenschaft.de bzw. von Dr. Uwe Krähnke, E-Mail uwe.kraehnke@phil.tu-chemnitz.de, Telefon (03 71) 5 31 – 32 488.

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Mario Steinebach idw

Weitere Informationen:

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