Strahlentherapie im Zeitalter der Molekularen Onkologie

Eine Strahlentherapie und eine Behandlung mit sogenannten Monoklonalen Antikörpern, den hochspezifischen Abwehrmolekülen des Immunsystems, haben eines gemeinsam: Beide Therapien entfalten ihre Wirkung im Idealfall ausschließlich an Tumoren. Die Strahlentherapie lässt sich – Dank modernster Technik – immer präziser auf eine Geschwulst fokussieren und schont das umgebende Gewebe.

Monoklonale Antikörper erkennen auf ihrer Reise durch den Körper jeweils nur ganz bestimmte Eiweißstrukturen auf der Oberfläche von Zellen. Sind sie darauf „getrimmt“, Strukturen zu erkennen, die vor allem auf Tumorzellen vorkommen, docken sie an diesen Molekülen an – am so genannten Primärtumor ebenso wie an Absiedlungen dieses Tumors an anderen Stellen des Körpers. Im Idealfall führt dies dann zur Vernichtung der Zelle.

Bislang gelang es jedoch nicht, durch eine alleinige Antikörpertherapie Tumorpatienten zu heilen. Auch bei einer ausschließlichen Bestrahlung bleiben gelegentlich einzelne Tumor-Stammzellen übrig, die nach einiger Zeit Ausgangspunkt für ein er-neutes Tumorwachstum sein können. Also liegt es nahe, zu untersuchen, ob man durch eine Kombination beider Verfahren – Strahlentherapie plus Antikörper- Be-handlung – die Heilungschancen verbessern kann.

Seit dem Jahr 2004 ist in Europa ein Cetuximab genannter Monoklonaler Antikörper zugelassen, der eine Bindungsstelle (Rezeptor) für einen bestimmten Wachstumsfaktor, den Epidermalen Wachstumsfaktor (engl.: Epidermal Growth Factor, kurz EGF genannt) auf der Oberfläche von Zellen blockiert. Mit diesem Antikörper behandelten Ärzte bislang fortgeschrittenen Dickdarmkrebs, wenn eine Chemotherapie versagt hat.

Erste Untersuchungen an Mäusen.

Durch die Kombination eines Antikörpers, der den EGF-Rezeptor blockiert, mit einer Bestrahlung im Labor haben Strahlenbiologen bereits vielversprechende Ergebnisse erzielt. Forscher aus Dresden und Houston/Texas hatten bei Nacktmäusen einen Tumor in den Hinterlauf transplantiert und diesen entweder nur bestrahlt oder zusätzlich einen EGF-Rezeptorblocker verabreicht. Die Kombitherapie vernichtete die Tumoren in einem höheren Prozentsatz als die alleinige Strahlentherapie. Die Forscher zogen daraus die Schlussfolgerung, dass der Antikörper die Empfindlichkeit von Tumorzellen gegen Bestrahlung erhöht.

Kombi-Therapie auch in einer klinischen Studie überlegen.

Zwischenzeitlich ist es nun auch zum ersten Male gelungen, die Wirksamkeit dieser Kombinations-Behandlung auch beim Menschen nachzuweisen. Die Ergebnisse einer unlängst veröffentlichten klinischen Studie belegt, dass die Kombination von Strahlentherapie und gleichzeitiger Antikörperbehandlung die Heilungschancen bei Tumoren der Kopf-Hals-Region verbessert. Bei der Untersuchung an mehreren Kliniken in den USA wurden jeweils 200 Patienten entweder nur hochdosiert bestrahlt oder erhielten zusätzlich den Antikörper Cetuximab. Denn Untersuchungen zeigen, dass der Rezeptor für den Epidermalen Wachstumsfaktor auf Zellen von Kopf-Hals-Tumoren vermehrt vorkommt.
In der Gruppe, die zusätzlich zur Strahlentherapie den Antikörper erhalten hatte, lag die Ansprechrate mit 74 Prozent um 10 Prozent höher als bei nur bestrahlten Pati-enten, bei denen nur in 64 Prozent der Fälle ein komplettes oder teilweises Ver-schwinden des Tumors beobachtet werden konnte. Auch die Drei-Jahresüberlebensrate lag bei den kombiniert behandelten Patienten bei 55 Prozent, für die ausschließlich bestrahlten dagegen nur bei 45 Prozent.

Auf der Grundlage dieser Studie erweiterten die Arzneimittelzulassungsbehörden daher nun auch die Zulassung für Cetuximab. Der Antikörper kann nun auch in Kombination bei fortgeschrittenen Tumoren im Kopf-Hals-Bereich eingesetzt werden.

Pressekontakt: Prof. Dr. med. Marie-Luise Sautter-Bihl
Pressesprecherin der DEGRO
Direktorin der Klinik für Strahlentherapie
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