Wiener Forscher erzielen Meilenstein in der Kortisonforschung
AKH-Team deckt Wirkweise des Hormons weiter auf
Kortison nutzt existierende Mechanismen der Wachstumskontrolle und entfaltet seine entzündungshemmende Wirkung auf anderen Wegen als bisher angenommen. Das ist eines der Ergebnisse der Wissenschafter um Lutz-Henning Block, Leiter der Klinischen Abteilung für Pulmologie an der Uniklinik für Innere Medizin IV am AKH Wien. Die Erkenntnisse der Wissenschafter, die nicht nur in-vitro, sondern auch mit in-vivo Experimenten am Menschen belegt wurden, rücken die Beherrschbarkeit der unterschiedlichen, auch unerwünschten (Neben)Wirkungen von Kortison zum ersten Mal in greifbare Nähe, so Block heute, Mittwoch, vor Journalisten. Die Forschungsergebnisse wurden in medizinischen Grundlagenjournal, dem FASEB Journal (Vol. 16, p. 177 – 184, 2002), veröffentlicht.
„Mit Hilfe unserer Entdeckung sollte jetzt die Entwicklung einer neuen Generation von so genannten Soft Cortisons möglich sein“, bringt Block die Bedeutung der Forschungsergebnisse auf den Punkt. „Ziel ist es, die Wirkung von Kortison spezifisch zu machen, das heißt seine antientzündliche Wirkung zu steigern und die unerwünschten Nebenwirkungen zu verringern.“
Die Ergebnisse der Wissenschafter bauen auf der mit dem Nobelpreis 2001 ausgezeichneten Erkenntnis auf, dass Zellwachstum durch stimulierende und blockierende Gene ermöglicht wird. Block und sein Team fanden nun mit in-vitro und in-vivo Experimenten am Menschen heraus, dass ein wachstumshemmendes Gen, p21, von entscheidender Bedeutung für die Wirkung von Kortison ist. Die antientzündliche Wirkung von Kortison beruht, wie das Team um Block erkannte, einerseits auf einer Hemmung des Wachstums von Entzündungszellen durch Aktivierung des Gens p21, in dem Kortison eine Bindungsstelle hat, und das den Zellzyklus und damit das Zellwachstum unterdrückt. Andererseits blockiert Kortison die Bildung von Mediatoren, die in der Zelle für das Entstehen von Entzündungen verantwortlich sind.
„Kortison entfaltet seine Wirkung durch die Beeinflussung der Gen-Transkription“, erläutert Rolf Ziesche von der Klinischen Abteilung für Pulmologie der Uni-Klinik für Innere Medizin IV. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem die generelle genetische Information von der im Zellkern vorhandenen DNA auf RNA (Ribonukleinsäure) „umgeschrieben“ wird und der die Synthese funktionsspezifischer Eiweißmoleküle bewirkt. Zur Erzielung seiner Wirkung muss Kortison in den Zellkern gelangen.“ Die Entdeckung, dass die Wirkung von Kortison über Vermittlung unterschiedlicher, bereits bestehender Transkriptionssysteme erfolgt, rückt die Beherrschbarkeit der unterschiedlichen, auch der unerwünschten, Kortison-Wirkungen zum ersten Mal in greifbare Nähe.
Kortison ist ein körpereigenes Hormon, das in den Nebennierenrinden gebildet wird und u.a. bestimmte Teile des Stoffwechsels regelt und Abläufe im Immunsystem steuert. Der Wirkstoff wurde in den vergangenen Jahren weiter entwickelt und es werden den daraus entwickelten Präparaten weniger Nebenwirkungen zugesprochen. Allerdings gab es in den letzten zehn Jahren mangels neuer chemischer Modifikationsmöglichkeiten einen Stillstand in der Kortisonforschung.
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