Bis 2004: das große Aufräumen bei den Kreditinstituten
- Weniger Filialen, weniger Personal: Kreditinstitute senken massiv Kosten
- Jede zweite Bank will in den nächsten drei Jahren fusionieren
- Fast jede Dritte plant eine strategische Neuausrichtung
Jedes zweite Kreditinstitut kämpft mit zu hohen Kosten, jedes vierte mit Ertragseinbrüchen. Jetzt greifen die Banker durch: Mehr als die Hälfte der Geldhäuser will in den nächsten drei Jahren die Kosten senken, fast ein Drittel plant eine strategische Neuausrichtung. Kurzfristig stehen Filialschließungen und Entlassungen an. Mittelfristig will die Branche noch mehr Geschäftsprozesse industrialisieren oder ausgliedern. Ein Lichtblick für das deutsche Kreditgewerbe sind indes die neuen Eigenkapitalvorschriften für Banken, bekannt als Basel II. Neun von zehn Befragten wollen die Vorlage nutzen, um die Preise für Kredite wieder besser an die Risiken zu koppeln. Das ergab eine Topmanagement-Befragung der Mummert + Partner Unternehmensberatung, des F.A.Z.-Instituts und des manager magazins. Angesichts der schwächelnden Erlöse lassen sich die Banker nicht zu einer pauschalen Schuldzuweisung hinreißen. Nur elf Prozent begründen die Branchenflaute mit Hinweis auf die schlechte Konjunktur. Auch die anhaltende Börsenflaute zählen nur sechs Prozent der Manager zu den ernsten Problemen. Die größte Schwierigkeit ist hausgemacht – Kosten. Jedes zweite Geldhaus gibt zu, nicht effizient genug zu arbeiten. Auf 100 Euro Ertrag kommen in Deutschland durchschnittlich 70 Euro an Kosten, bei den Großbanken sind es sogar 80 Euro. Zum Vergleich: Der EU-Schnitt liegt bei etwa 60 Euro. Zu den hohen Kosten gesellt sich ein scharfer Wettbewerb – für jeden vierten Banker eines der größten Probleme der Branche.
Um die Ausgaben zu senken und den Konkurrenzdruck abzuwehren, schmieden die Bosse jetzt eilig Allianzen: Jedes zweite Geldinstitut will bis 2004 mit einem anderen Unternehmen fusionieren, 86 Prozent der Kreditinstitute wollen in den nächsten drei Jahren Geschäftsprozesse outsourcen. Dabei geht die Mehrheit der Befragten außerhalb der eigenen Branche auf Partnersuche. Lieblingspartner der Banker sind Versicherungen. Mit ihnen wollen künftig 95 Prozent der Kreditinstitute kooperieren. Ganz klar: Am Thema Allfinanz – der Bündelung von Finanz- und Versicherungsangeboten bei einem Dienstleister – kommt keiner mehr vorbei. Knapp dahinter folgen Fondsgesellschaften (94 Prozent), IT-Dienstleister (90 Prozent) und andere Kreditinstitute (84 Prozent). Exotisch wird es am unteren Tabellenende: Kooperationen mit Mobilfunkunternehmen plant jede vierte Bank. Mit der Automobilindustrie will jede fünfte Bank zusammenarbeiten.
Basel II kommt bei den Bankern gut an. Neun von zehn Geldhäusern begrüßen den Druck, die Kreditpreise künftig konsequent an die Kreditrisiken und -kosten anzupassen. 75 Prozent der Befragten erwarten, dass Kredite für kleine und mittlere Unternehmen dadurch teurer werden. Zwei Drittel der Befragten rechnen mit einem steigendem Eigenkapitalbedarf. Betroffen sind vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken; kleine und mittelständische Firmen – oft kapitalschwache Sorgenkinder – sind bei ihnen besonders stark vertreten. Nachbesserungen an Basel II fordern drei Viertel der Basel-II-Befürworter. Die Überprüfung interner Rating-Verfahren durch die Bankenaufsicht, zweite Säule der Reform, wird noch von 62 Prozent als sinnvoll angesehen. Die erweiterte Offenlegungspflicht lehnt dagegen die Mehrheit der Banker ab.
Um Kosten zu senken, machen die Banken auch Tempo bei der Industrialisierung. Dabei geht es darum, jeden manuellen Eingriff überflüssig zu machen. Nur noch 18 Prozent investieren überhaupt nicht in die Automatisierung von Zahlungsverkehr und Wertpapiergeschäft – im vergangenen Jahr waren es noch doppelt so viele. Insgesamt wandert bis 2004 jeder fünfte Euro in die Industrialisierung – mehr als für Riester-Rente und Internet-Banking zusammen. Die entscheidende Frage heißt „make or buy“, selber machen oder einkaufen. Während sich die meisten Kreditbanken beim Thema Outsourcing noch zieren, haben Sparkassen und Genossenschaftsbanken hier bereits Fortschritte erzielt. Auf Platz zwei der Investitionen setzen die Banken den Aufbau und die Pflege von Kundenbeziehungen (Customer Relationship Management, CRM). Der Grund: Das Internet hat Bankdienstleistungen zur Stangenware gemacht, Kunden sind schneller denn je zum Wechsel bereit. Nach dem E-Boom wollen die Banken die Berge von Kundendaten, die in ihren Computersystemen schlummern, nun für eine passgenauere Betreuung nutzen. Stichwort Multi-Chanelling: Ob via Beratungsgespräch, Internet oder am Telefon – überall stimmen die Banken ihre Informationen über den Kunden aufeinander ab. Hierzu wollen sie auch den Außendienst stärken und das SB-Banking personalisieren.
Und wo warten die Gewinne? Bei Altersvorsorge- und Allfinanz-Produkten sind die Banker skeptisch. Über die Hälfte rechnet in beiden Fällen mit keinen oder nur niedrigen Gewinnen. Anders sieht es bei der Anlage- und Finanzberatung aus: Mehr als zwei Drittel der Befragten erwarten in dieser Geschäftssparte mittlere bis hohe Gewinne. Wo die herkommen können, zeigt das Beispiel Deutsche Bank: Seit 1. Januar 2001 zahlen Private-Banking-Kunden eine Beratungspauschale, gestaffelt nach dem Vermögen. Im Gegenzug senkte die Bank die Transaktionskosten. Geld für gute Beratung: Angesichts der hohen Gewinnerwartungen ist wahrscheinlich, dass zahlreiche Kreditinstitute diesem Beispiel folgen werden. Interessant ist auch die unterschiedliche Einschätzung des Geschäftsbereichs Private Banking. Galt die Vermögensverwaltung wohlhabender Kunden bislang als Domäne der Privatbanken, setzen nun auch öffentliche Geldinstitute ihre Hoffnung in die begüterte Erbengeneration. Vier Fünftel der Sparkassen rechnet mit Private Banking-Gewinnen. Bei den Kreditbanken sind es weniger als die Hälfte. Die Genossenschaftsbanken liegen mit ihrer Bewertung dazwischen. „In den nächsten drei Jahren werden die deutschen Kreditinstitute kräftige Einschnitte vornehmen. Um das Geschäft wieder auf Fahrt zu bringen, schrecken Banken und Sparkassen auch vor strategischen Neuorientierungen nicht zurück.“ Wilhelm Alms, Vorstandsvorsitzender der Mummert + Partner Unternehmensberatung AG Mummert + Partner ist eine der führenden europäischen Unternehmensberatungen für Dienstleistungsunternehmen. Zu den Kunden zählen vor allem Kreditinstitute, Versicherungen, öffentliche Dienstleister, die Energiewirtschaft und das Gesundheitswesen. Darüber hinaus berät das Unternehmen weitere Dienstleistungsunternehmen in speziellen Aufgabenstellungen, für die Mummert + Partner hervorragendes Know-how besitzt. Beispiele hierfür sind Telekommunikations- und Logistikunternehmen. Mit 1.350 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 191,2 Millionen Euro (Konzern im Geschäftsjahr 2000) gehört
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