Kabul-Mission des DAAD erfolgreich beendet

„Wir rechnen fest damit, dass uns unsere deutschen Freunde beim Wiederaufbau unserer Fakultät im Rahmen der alten Partnerschaft wieder helfen werden“, sagte Professor Dr. Stanikzai, Physiker an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Kabul, zum Abschied. Eine Delegation des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) besuchte vom 6. bis zum 13. März die Universität Kabul, führte Gespräche mit dem Rektor und Vertretern der meisten Fakultäten. Ein Bild der Verwüstung bot sich den Mitgliedern der Delegation, darunter waren Legationsrat 1. Klasse Bernhard Abels als Vertreter des Auswärtigen Amtes in Berlin, Abteilungsleiterin Dr. Dorothea Rüland und Dr. Christa Klaus vom Südasien-Referat des DAAD, der Mediziner Professor Dr. Michael Runge, Universität Freiburg, der Informatiker Dr. Nazir Peroz, TU Berlin, und Professor Dr. Clas M. Naumann von der Universität Bonn und zugleich Direktor des Zoologischen Forschungsinstituts und Museums Koenig in Bonn.

Die Universitäten Bonn, Köln und Bochum hatten von 1961 bis 1978 eine intensiv betriebene und sehr erfolgreiche Partnerschaft mit den naturwissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten der Universität Kabul – sicherlich ein hervorragender Anknüpfungspunkt für eine neue Zusammenarbeit. „Das war sicherlich die erschütterndste Dienstreise meines Lebens“, sagt Professor Naumann, der selbst von 1970 bis 1972 Mitglied des deutschen Teams an der Universität Kabul war und unter anderem zum Aufbau eines zoologischen Museums in Kabul beitrug.

Nach der ersten Bestandsaufnahme vor Ort empfiehlt die DAAD-Delegation als „Erste Hilfe“ unter anderem Kompaktkurse („summer schools“), die für die verbliebenen afghanischen Hochschullehrer durchgeführt werden sollten. Da in Kabul die erforderliche Infrastruktur noch nicht wieder zur Verfügung steht, sollen diese Kurse zunächst an verschiedenen deutschen Hochschulen durchgeführt werden. Professor Naumann selbst hat sich spontan bereit erklärt, an der Universität Bonn einen solchen Kurs zum Themenbereich „Biodiversität und Ökologie“ durchzuführen.

Alle Teilnehmer der DAAD-Mission waren sich darüber einig, dass der politische Prozess des Neubeginns rasch und effektiv auch von Maßnahmen im Bildungssektor begleitet wird. „Die Studenten von heute werden die Lehrer und die Entscheidungsträger von morgen sein. Man muss darum so rasch wie möglich dazu beitragen, das Ausbildungsniveau wieder auf den alten Stand zu heben und die besten Angehörigen der jungen Generation von der Straße zu bekommen. Die meisten von ihnen haben trotz hoher Begabung nicht das Privileg einer kontinuierlichen Ausbildung genießen können. Fremdsprachenkenntnisse sind dabei ebenso wichtig wie die Vermittlung des Fachwissens unserer Zeit“, fasst Naumann zusammen.

In der Bürgerkriegszeit von 1992 bis 1995 lagen das Gelände der Universität ebenso wie der von deutscher Seite aufgebaute Zoologische Garten und das Zoologische Museum in der Hauptkampfzone. Der Universitätscampus wechselte in der Kriegsphase wenigstens viermal den Besitzer. Hierbei wurden weite Stadtteile fast dem Erdboden gleich gemacht und das Universitätsgelände massiv verwüstet. Jeder fünfte Universitätsmitarbeiter verlor im Zuge der jahrelangen Kämpfe das Leben. Die Universitätsprofessoren versuchten dennoch, den Lehrbetrieb notdürftig in anderen Stadtteilen aufrecht zu erhalten, zum Teil in Bussen der Kabuler Verkehrsbetriebe, in denen auch die Prüfungen abgehalten wurden. Als Ende 1995 wieder halbwegs normale Verhältnisse einkehrten, fanden die Hochschullehrer Ruinen vor, alle Gerätschaften waren gestohlen oder zerstört worden. „Sogar die Elektroleitungen waren von den Mudjahedin-Milizen aus den Wänden gerissen und als Altmetall nach Pakistan verkauft worden“, berichtet Professor Naumann. Die Reste der einst beachtlichen Fachbibliothek sammelten die Hochschullehrer auf dem Universitätsgelände auf und brachten sie notdürftig unter. Gleiches gilt für das „Herbarium Kabulense“, das eine bedeutende Dokumentation der afghanischen Flora darstellte.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Delegation zeigten sich beeindruckt von dem in Kabul an vielen Stellen spürbaren Willen zum Neuanfang – trotz einer zu etwa 50% zerstörten städtischen Grundfläche, trotz fehlender Ressourcen und zum großen Teil noch immer nicht angekommener internationaler finanzieller Unterstützung der Übergangsregierung unter Präsident Karzai. Ein besonderes Potenzial stellen die in Deutschland lebenden afghanischen Hochschullehrer dar, von denen viele bereit sind, sich beim Wiederaufbau ihrer Heimatuniversität zu engagieren.

Der DAAD wird nach Auswertung der Ergebnisse dieser ersten Kontaktaufnahme seine Unterstützung in erster Linie auf die beiden bereits früher von deutscher Seite geförderten Fakultäten, Natur- und Wirtschaftswissenschaften, fokussieren. Daneben ist es aber auch wichtig, an der literaturwissenschaftlichen Fakultät die Deutsch-Abteilung zu unterstützen und sie weiter auszubauen. Das sei, so die Delegationsteilnehmer, Deutschland den Afghanen angesichts der nahezu hundert Jahre alten kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern unbedingt schuldig. Deutschlandweit ist das Interesse an einer zukünftigen Kooperation mit der Universität in Kabul überaus groß.


Hinweis für die Medien: Für Interviews und Rückfragen steht Professor Naumann im Rahmen eines Pressegesprächs am Donnerstag, 21. März, um 11 Uhr im Senatssaal der Universität, Hauptgebäude, Regina-Pacis-Weg, zur Verfügung.

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Dr. Andreas Archut idw

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