Weg vom "Schmuddelkinder"- Image: Neue Ausbildung für Lackierer

Vier angehende Verfahrensmechaniker für Beschichtungstechnik nehmen einen Lackierroboter in Betrieb <br>© Fraunhofer IPA/Anne Mildner

Im Produktionsprozess ist die Beschichtungstechnik häufig noch ein Stiefkind. Zu unrecht, denn die Oberflächenbeschaffenheit zählt heute zu den wichtigsten Produkteigenschaften und die Beschichtungsverfahren werden immer komplexer. Dem trägt ein neuer Ausbildungsberuf Rechnung. Die Nachfolger der Fahrzeuglackierer werden nicht nur in Betrieb und Berufsschule, sondern auch im Technikum eines Forschungsinstituts ausgebildet.

Vom alten Lackiererberuf ist „der Lack ab“, zumindest bei der Gottlieb-Daimler-Schule (GDS) I in Sindelfingen. In Zusammenarbeit mit der Industrie und auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Oberflächenbehandlung DFO richtet sie ab 1999 nicht nur die Ausbildung zum/zur „Verfahrensmechaniker(in) für Beschichtungstechnik“ ein. Sie gewann auch neue Partner für die Lernortkooperation. Neben Berufsschule und Lehrbetrieb beteiligt sich erstmals zusätzlich eine Forschungseinrichtung an der Ausbildung gewerblich-technischer Lehrlinge. „Mit dem neuen Beruf soll für die vielfältigen hochtechnologischen Beschichtungsprozesse in der Industrie ein neues Facharbeiterprofil entwickelt werden, das Fertigungssicherheit mit hohen Qualitätsanforderungen verbindet“, erklärt Schulleiter Wolfgang Wirtky. Der neue Verfahrensmechaniker löst den alten „Fahrzeuglackierer (Industrie)“ ab. 25 Jugendliche gingen im Herbst 2000 an den Start und werden nicht nur an der GDS I und in ihren Betrieben, sondern auch am Fraunhofer IPA ausgebildet. Im September 2001 traten weitere 27 Haupt- und Realschulabgänger aus Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Thüringen in ihre Fußstapfen. Die ersten Praktika im Oberflächentechnikum des Fraunhofer IPA fanden im Februar und März 2002 statt.

Beschichtungstechnik ist eine typische Querschnittsdisziplin. Die Facharbeiter müssen wesentlich mehr beherrschen als nur die Spritzpistole. Anlagentechnik, Verfahrenstechnik und Lackchemie gehören mittlerweile ebenso dazu wie Messtechnik und Datenverarbeitung. Die zunehmende Automatisierung führt dazu, dass der Verfahrensmechaniker nur noch wenig mit dem früheren Industrielackierer gemein hat. Beschichtungsverfahren und -techniken haben sich mit den Werkstoffen in den letzten 20 Jahren stark verändert – nicht zuletzt auf Grund der steigenden Ansprüche an die Endprodukte und der strenger werdenden Umweltstandards. Zu den traditionellen Nasslackverfahren sind u. a. lösemittelarme Wasserlacke oder weitgehend lösemittelfreie Verfahren wie die Pulverlackierung gekommen. Und noch etwas hat sich geändert: „Die traditionelle Lackiertechnik sollte nicht mehr das ’Schmuddelkind’ am Ende industrieller Prozesse sein“, fordert Dieter Ondratschek vom Fraunhofer IPA. Vielmehr nimmt die Schichttechnik heute eine zentrale Stelle in der Produktion ein. Nicht zuletzt, „weil die Oberflächenbeschaffenheit zu einer Produkteigenschaft mit zentraler Bedeutung geworden ist“, erklärt er.

Der neue dreijährige Ausbildungsberuf des Verfahrensmechanikers/ der Verfahrensmechanikerin für Beschichtungstechnik vermittelt die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse. Nach einer dreijährigen Lehrzeit können die Facharbeiter selbstständig oder im Team Lackieranlagen und Beschichtungsroboter führen und Störungen beseitigen. „Durch einen hohen Ausbildungsstandard später Fertigungssicherheit für die Unternehmen zu gewährleisten, erfordert von den dualen Lehrpartnern Betrieb und Berufsschule ein hohes Maß an Ausbildungsqualität und Kooperationsbereitschaft“, weiß Schulleiter Wirtky. Allerdings führt die verfahrenstechnische Vielfalt dazu, dass heute kaum ein Betrieb oder eine berufliche Schule alle Verfahren der Beschichtungstechnik praktisch vermitteln kann. Neue Modelle über die Lernortkooperation Schule – Betrieb hinaus, externe Kooperationspartner waren gefragt.

So entstand die Idee, bestimmte Unterrichtsinhalte und mehrere Wochen Blockunterricht ins Lackiertechnikum des Fraunhofer IPA zu verlegen. Dort finden die Auszubildenden optimale Möglichkeiten vor, auch Beschichtungsverfahren kennen zu lernen, die im eigenen Betrieb (noch) nicht angewandt werden. In den Anlagen und Schulungsräumen des Fraunhofer IPA erarbeiten die Auszubildenden die Theorie der Verfahren und setzen sie in praktischen Beschichtungsübungen um. „Theorie und Praxis werden so ideal verbunden“, sagt Wolfgang Wirtky. Mit diesem „Outsourcing“ von Ausbildungsinhalten kauft sich die GDS I verfahrenstechnische Qualifikation ein, die eine berufliche Schule nur schwer selbst realisieren könnte. Finanziert wird diese Maßnahme einerseits durch den Landkreis Böblingen. Als Schulträger kommt er für die Sachkosten des Schulbetriebs auf und damit auch für die Nutzung der Anlagen des Fraunhofer IPA. Darüber hinaus investierte der Landkreis 823 000 Euro in Laborausstattung und Umbaumaßnahmen bei der GDS. Die Ingenieure des IPA, als „Nebenlehrer“ des Landes eingestellt, werden aus dem Etat des Kultusministeriums bezahlt.

Sieben große und mittelständische Unternehmen bilden mittlerweile Verfahrensmechaniker für Beschichtungstechnik mit der GDS I nach dem neuen Konzept aus. Weitere Betriebe auch außerhalb Baden-Württembergs haben bereits Interesse angemeldet. Für das nächste Schuljahr sind bereits zwei Eingangsklassen vorgesehen.


Ihre Ansprechpartner für weitere Informationen:
Gottlieb-Daimler-Schule I, Neckarstraße 22, 71065 Sindelfingen
Stephanie Böttger (Projektleiterin), Telefon 07031/6108-115, Telefax 07031/6108-250
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Pressestelle, Telefon 0711/970-1667, Telefax 0711/970-1400, E-Mail presse@ipa.fraunhofer.de

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Dipl.-Ing. Michaela Neuner IPA-Mediendienst

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