Gammastrahlenausbrüche: die energiereichsten Explosionen im Universum
Röntgenteleskop der ESA beweist, daß Supernova geheimnisvolle Gammastrahlenausbrüche verursachen kann
Gammastrahlenausbrüche sind die energiereichsten Explosionen, die je im Universum beobachtet worden sind. Sie sind auch eines der größten Geheimnisse der modernen Astronomie, da bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, wodurch sie verursacht werden.
Es gab lediglich zwei „Hauptverdächtige“: ein Zusammenstoß zwischen Neutronensternen – tote, äußerst dichte Sterne – oder der Tod eines sehr massereichen Sterns in einer Supernovaexplosion. Die mit dem Weltraumteleskop XMM-Newton der ESA nun gewonnenen Erkenntnisse schließen die erste Annahme aus und bestätigen die zweite, zumindest für den Gammastrahlenausbruch am 11. Dezember 2001. Bei der Untersuchung des Nachleuchtens des Gammastrahlenausbruchs im Röntgenlicht konnten die Wissenschaftler erstmals die Präsenz chemischer Elemente nachweisen, die eindeutig aus der wenige Tage vorher stattgefundenen Supernovaexplosion stammten. „Wir können nun mit Bestimmtheit sagen, daß der Tod eines massereichen Sterns, eine Supernova, die Ursache des Gammastrahlenausbruchs war. Wir wissen aber immer noch nicht genau, wie und warum diese Ausbrüche, die energiereichsten Erscheinungen im Universum, ausgelöst werden“, sagt ESA-Astronom Norbert Schartel, der den heute in der Wissenschaftszeitschrift „Nature“ veröffentlichten Artikel mitverfaßt hat.
Gammastrahlenausbrüche wurden 1967 zufällig entdeckt, als für die Suche nach Verstößen gegen das Atomversuchsverbot eingesetzte Satelliten starke Gammastrahlenemissionen registrierten, die nicht aus erdnahen Quellen, sondern aus dem fernen Weltraum stammten. Sie sind bis heute ein Geheimnis geblieben. Sie können mehrmals täglich auftreten, dauern aber nie länger als einige Minuten, und es ist nicht vorhersehbar, wann oder wo der nächste Ausbruch auftreten wird. Folglich lassen sie sich nur schwer untersuchen.
Drei Jahrzehnte lang war noch nicht einmal bekannt, ob sich die Explosionen in unserer Nachbarschaft, d.h. in unserer Milchstraße, oder in fernen Galaxien ereignen. Daraufhin richteten die Astronomen ein „Alarmsystem“ ein, das es gestattet, das Nachleuchten eines Ausbruchs vor seinem Verglühen zu beobachten. Zu diesem Zweck werden Teleskope sofort auf den gemeldeten Ort am Himmel ausgerichtet, wenn ein Sensor den Alarm auslöst. Es steht nun fest, daß diese Ausbrüche in Millionen Lichtjahre entfernten Galaxien stattfinden.
Der längste Ausbruch
Dieser unter der Bezeichnung „GRB 011211“ bekannte Ausbruch wurde am 11. Dezember 2001 um 19:09:21 Uhr Weltzeit mit dem italienisch-niederländischen Satelliten BeppoSAX entdeckt. Er dauerte 270 Sekunden und war damit der längste, den der Satellit erfaßt hat. Einige Stunden später, als eine erste Analyse bestätigte, daß ein Ausbruch registriert worden war, alarmierte das BeppoSAX-Team die übrigen Astronomen. Das Teleskop XMM-Newton gelangte 11 Stunden nach dem ursprünglichen Ereignis zum Einsatz. Hätten die für das Teleskop verantwortlichen Astronomen fünf Stunden später reagiert, wäre der Einsatz von XMM-Newton zu spät gekommen; so hatten sie Glück und konnten das Nachleuchten untersuchen, als es im Röntgenlicht noch 7 Millionen mal heller war als eine ganze Galaxie. Es war das dritte Mal, daß XMM-Newton das Nachleuchten eines Gammastrahlenausbruchs zu orten versuchte – die Ergebnisse der ersten beiden Beobachtungen waren nicht schlüssig.
Dieses Mal wurden zwei wichtige Beobachtungen gemacht: Erstens bewegte sich die Materie aus der Quelle rasch – mit einem Zehntel der Lichtgeschwindigkeit – auf die Erde zu; zweitens ergab die chemische Analyse der Materie, daß es sich um Überreste einer Supernovaexplosion handeln mußte.
„Wir sahen eine sphärische Hülle von Materie, die von einer sehr jungen Supernova ausgestoßen und durch den Gammastrahlenausbruch aufgeheizt wurde. Daß sich die Materie auf uns zu bewegte, ließ darauf schließen, daß sie expandierte“, erläutert Schartel.
Silizium, Schwefel, Argon und Kalzium
XMM-Newton entdeckte große Mengen von Magnesium, Silizium, Schwefel, Argon und Kalzium, aber sehr wenig Eisen. Solche Elemente bringt ein massereicher Stern in den letzten Stadien seiner Entwicklung hervor, kurz bevor er als Supernova explodiert. Bei den Kernreaktionen in Sternen werden leichte chemische Elemente zu schwereren verschmolzen, ein Vorgang, der die von ihnen zum Leuchten benötigte Energie erzeugt; in jedem Entwicklungsstadium der Sterne werden dabei andere Elemente synthetisiert. Die Supernovaexplosion hat diese Materie in die Umgebung ausgestoßen und damit die sphärische Hülle erzeugt, die dann durch das von XMM-Newton beobachtete Nachleuchten des Gammastrahlenausbruchs erhellt wurde.
Die Astronomen konnten sogar die Ausdehnung der Hülle messen: Sie hatte einen Radius von 10 Milliarden km. Hieraus und aus der beobachteten Geschwindigkeit der Materie ließ sich abschätzen, daß die Supernovaexplosion einige Tage vorher stattgefunden haben mußte.
Dieser zeitliche Abstand steht mit der festgestellten geringen Menge an Eisen im Einklang, da dieses Element erst etwa zwei Monate nach der Explosion in der durch die Supernova ausgestoßenen Materie entsteht.
Die Meßdaten zeigen auch, warum die Annahme eines Zusammenstoßes zwischen Neutronensternen als mögliche Ursache ausgeschlossen werden kann.
„Bei einem solchen Ereignis wäre nicht genügend Materie (Magnesium usw.) in das umgebende Medium ausgestoßen worden, um die beobachtete Erscheinung zu erklären“, so Schartel.
Der theoretisch denkbare Zusammenstoß zwischen Neutronensternen würde auch nicht das verhältnismäßig geringe Vorkommen von Eisen erklären. Sterne werden erst nach einer Explosion als Supernova zu Neutronensternen, doch nimmt dieser Übergang viele Jahre und nicht nur einige Tage in Anspruch.
Laut Fred Jansen, dem ESA-Projektwissenschaftler für XMM-Newton, werden „Untersuchungen dieser Art durch die einzigartige Sammelfläche und Empfindlichkeit von XMM-Newton ermöglicht. Die Erdatmosphäre verhindert die Beobachtung von Röntgenstrahlen mit bodengestützten Instrumenten, und kein anderes im Einsatz befindliches Weltraumteleskop hätte dieses Nachleuchten eines Gammastrahlenausbruchs mit vergleichbarer Güte untersuchen können. Nun sind wir der Lösung des Geheimnisses dieser energiereichen Phänomene mindestens einen Schritt nähergekommen.“
Noch bleiben im Falle der mysteriösen Gammastrahlenausbrüche aber zahlreiche Fragen offen, zum Beispiel: Warum folgen solche Ausbrüche nicht auf alle Supernovaexplosionen? Welcher genaue physikalische Mechanismus löst sie aus?
Im Oktober dieses Jahres startet die ESA eine Weltraummission, die sich mit diesen Fragen befassen soll. Das Internationale Gammastrahlen-Astrophysiklabor (INTEGRAL) wird als das bisher empfindlichste Gammastrahlenobservatorium die von heftigen Ereignissen in größter Entfernung ausgehende Strahlung aufspüren.
Anmerkungen
XMM-Newton, der ESA-Röntgensatellit mit Spiegelverbundoptik, ist das leistungsfähigste Röntgenteleskop, das bisher im All positioniert worden ist. Er wurde am 10. Dezember 1999 mit einer Ariane-5 von Europas Raumflughafen in Kourou (Französisch-Guayana) aus gestartet. Er untersucht mit bisher unerreichter Empfindlichkeit den Röntgenhimmel und trägt zur Lösung zahlreicher kosmischer Geheimnisse – von äußerst heftigen und rätselhaften Erscheinungen wie Schwarzen Löchern bis zur Entstehung der Galaxien – bei. XMM-Newton beobachtet auch Himmelsobjekte in unserem Sonnensystem wie Kometen und Planeten. |
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