Bremer Studie über Gesundheit von Binnenschiffern: Selten krank, aber wenn, dann lange

„Binnenschiffer werden nicht oft krank, aber wenn, dann sehr lange“, so lautet eine der Kernaussagen der Studie „Arbeit und Gesundheit der Berufsgruppe der Binnenschiffer“. Das Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen nahm im Auftrag der Gmünder Ersatzkasse (GEK) die Untersuchung vor. Diese Studie leitet eine neue Generation der beruflichen Gesundheitsberichterstattung ein, indem sie verschiedene Methoden und Informationsquellen berücksichtigt. Die Autoren Bernard Braun, Christina König und Arno Georg haben einen Gesundheitsbericht entwickelt, der nicht nur auf den üblichen Analysen der Arbeitsunfähigkeit beruht. So wurden auch Daten von stationären Aufenthalten und die Arzneiverordnungen anonymisierter GEK-Mitglieder, Informationen der Binnenschifffahrts-Berufsgenossenschaft, von Gesundheitszirkeln, teilnehmende Beobachtungen und eine bundesweite Befragung der Binnenschiffer zu ihrer Arbeits- und Gesundheitssituation einbezogen.

Die arbeitsbedingte Unregelmäßigkeit in der Ernährung und Bewegung oder die Verschleppung von Krankheiten, wie sie durch den permanenten Aufenthalt und lange Arbeitszeit auf den Schiffen entstehen können, waren nur zwei Aspekte, die die Bremer Sozialwissenschaftler herausgearbeitet haben. Die Binnenschiffer waren deutlich seltener krank als andere bei der GEK versicherte Berufsgruppen. Allerdings benötigten sie im Falle einer Erkrankung durchschnittlich 26 Tage, bis sie wieder zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehren konnten. Angehörigen andere Berufsgruppen gelingt dies nach durchschnittlich zwölf Tagen. Eine ähnliche Kernaussage lässt sich für die Arzneiverordnungen formulieren: „Binnenschiffer bekommen zwar selten Medikamente verordnet, aber wenn, dann häufig gleich Großpackungen“. So wurden 39 Prozent der Binnenschiffer 1999 keine einzige Arznei verschrieben, während es bei den anderen Berufsgruppen nur 24 Prozent waren. Die Packungsgrößen der verordneten Medikamente waren für die Binnenschiffer allerdings deutlich größer. Überraschend war auch der hohe Anteil an psychosozialen Problemen in dieser Berufsgruppe.

Verantwortlich für die Beschwerden und Belastungen der Binnenschiffer machen die Autoren die typischen Charakteristiken der Binnenschifffahrt wie beispielsweise die Einheit von Arbeit, Leben und Freizeit und der oftmals kleinstbetriebliche und familiäre Arbeitsraum. Die meist wochenlange und fast ununterbrochene Dauer dieses Arbeits- und Lebenszusammenhanges bringt zudem eine gewisse ’Unentrinnbarkeit’ gegenüber vielen Arbeitsbelastungen mit sich. Hierzu kommt, dass viele Schiffer unter einem enormen Zeitdruck stehen und einem harten, internationalen Wettbewerb ausgeliefert sind.

Viele der typischen Charakteristika und Belastungen der eher abnehmenden Berufsgruppe der Binnenschiffer lassen sich übrigens auch in vielen modernen selbständigen Berufen wie etwa die der sogenannten Freelancer wiederfinden. Auch in diesen (Schein-)selbständigen Berufen trifft man auf die untrennbare Einheit von Arbeit, Freizeit und Familie. Dass derartige Arbeitsformen die Gesundheit der Betroffenen erheblich belasten, wird im Arbeits- und Gesundheitsschutz völlig unterschätzt, da es hierzu bislang kaum abgesicherte Erkenntnisse gibt. Grund dafür ist nicht zuletzt eine bislang fehlende umfangreiche Gesundheitsberichterstattung, die einen Beruf aus mehreren Blickwinkeln betrachtet – wie es erstmals in dem Bremer Gesundheitsbericht über die Binnenschiffer erfolgt ist.

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Zentrum für Sozialpolitik
Christina König
Tel. 0421 / 218 4360
Fax: 0421 / 218 7540
E-Mail: ckoenig@zes.uni-bremen.de

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Angelika Rockel idw

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