Agroholdings sind keine Megafarmen, sondern Unternehmensgruppen
Die sogenannten Agroholdings, vertikal und horizontal integrierte Unternehmensgruppen, sind eine Besonderheit des russischen Agrarsektors. Die Wissenschaftler Dr. Jürgen Wandel und Konstantin Hahlbrock erforschen Agroholdings im Rahmen eines DFG-Projekts am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO).
Am 17. November 2011 präsentierten sie vor etwa 70 interessierten Zuhörern eine Auswahl ihrer Ergebnisse in einem in Zusammenarbeit mit der DLG ausgerichteten Fachpodium auf der Agritechnica.
„Agroholdings sind keine Megafarmen, die einfach nur gigantische Flächen bewirtschaften“, erläuterten die Wissenschaftler. Vielmehr handele es sich um Gruppen von Unternehmen aus verschiedenen Sektoren der Landwirtschaft, aber auch vor- und nachgelagerten Bereichen, in der Regel ausgestattet mit einem überwölbenden strategischen Management. Die Tochterunternehmen seien oft nicht in einer Region konzentriert, sondern geographisch weit in Russland verteilt. Agroholdings bewirtschafteten derzeit etwa zehn Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche Russland, die regionale Konzentration sei dabei jedoch stark differenziert. Besonders viele Holdings-Betriebe seien in der fruchtbaren Schwarzerderegion im Süden des Landes zu finden.
Typischerweise befänden sich Agroholdings im Besitz einer Familie bzw. einer Person. Die Macher seien häufig relativ jung, branchenfremd und in allererster Linie Unternehmer, nicht Landwirte. Entsprechend „unternehmerisch“ arbeiteten Agroholdings: Sie gingen an die Börse, investierten in neue Bereiche, aber zögen sich aus Märkten auch wieder zurück, wenn die Gewinne sinken. Wie andere Großunternehmen in Russland seien auch Agroholdings eng mit der Politik verbunden.
Um die Produktivität von Agroholdings-Betrieben ermitteln und mit herkömmlichen Betrieben vergleichen zu können, untersuchten Wandel und Hahlbrock beispielhaft statistische Kennzahlen aus dem Oblast Belgorod. Die Region verfügt über sehr gute, fruchtbare Böden. Außerdem wurde dort die Verbreitung von Agroholdings mit einer Verordnung aus dem Jahr 1999 unterstützt, die zum Ziel hatte, marode landwirtschaftliche Betriebe zur Sanierung an private Investoren zu übergeben. Dabei zeigte sich, dass sich Holding-Betriebe zunehmend auf Bereiche der Landwirtschaft konzentrieren, die sich „fabrikartig“ organisieren lassen, etwa Geflügelzucht. Sie tätigten mit Hilfe der Muttergesellschaft in der Vergangenheit weit häufiger als unabhängige Betriebe Investitionen in moderne Agrartechnik, was sicherlich auf das niedrige Niveau der maroden Agrarbetriebe bei deren Eingliederung in die Holdingstruktur zurückzuführen sei. Agroholdings seien eine Organisationsform, die bankrotten landwirtschaftlichen Betrieben helfen könne, ihre Produktivität zu steigern, so Wandel und Hahlbrock. Darüber hinaus ließe sich jedoch bislang noch nicht abschließend beurteilen, ob sie gegenüber unabhängigen Betrieben wirtschaftlich im Vorteil sind.
Über das IAMO
Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel-und Osteuropa (IAMO) ist eine international anerkannte Forschungsreinrichtung. Mit über 60 Wissenschaftlern und in Kooperation mit anderen renommierten Instituten widmet es sich wichtigen Fragen der Agrar- und Ernährungswirtschaft und der ländlichen Räume. Hauptuntersuchungsregionen sind Mittel- und Osteuropa sowie Zentral- und Ostasien. Seit seiner Gründung 1994 gehört das IAMO als außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft an.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner
Dr. Jürgen Wandel
Tel. 0345 – 29 28 221
wandel@iamo.de
Ansprechpartnerin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Rebekka Honeit
Tel. 0345 – 29 28 330
honeit@iamo.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.iamo.de/Alle Nachrichten aus der Kategorie: Agrar- Forstwissenschaften
Weltweite, wissenschaftliche Einrichtungen forschen intensiv für eine zukunftsfähige Land- und Forstwirtschaft.
Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Themen: Bioenergie, Treibhausgasreduktion, Renaturierung und Landnutzungswandel, Tropenwälder, Klimaschäden, Waldsterben, Ernährungssicherung, neue Züchtungstechnologien und Anbausysteme, Bioökonomie, Wasserressourcen und Wasserwiederverwendung, Artenvielfalt, Pflanzenschutz, Herbizide und Pflanzenschädlinge, digitale Land- und Forstwirtschaft, Gentechnik, tiergerechte Haltungssysteme und ressourcenschonende Landwirtschaft.
Neueste Beiträge
Menschen vs Maschinen – Wer ist besser in der Spracherkennung?
Sind Menschen oder Maschinen besser in der Spracherkennung? Eine neue Studie zeigt, dass aktuelle automatische Spracherkennungssysteme (ASR) unter lauten Bedingungen eine bemerkenswerte Genauigkeit erreichen und manchmal sogar die menschliche Leistung…
Nicht in der Übersetzung verloren: KI erhöht Genauigkeit der Gebärdenspracherkennung
Zusätzliche Daten können helfen, subtile Gesten, Handpositionen und Gesichtsausdrücke zu unterscheiden Die Komplexität der Gebärdensprachen Gebärdensprachen wurden von Nationen weltweit entwickelt, um dem lokalen Kommunikationsstil zu entsprechen, und jede Sprache…
Brechen des Eises: Gletscherschmelze verändert arktische Fjordökosysteme
Die Regionen der Arktis sind besonders anfällig für den Klimawandel. Es mangelt jedoch an umfassenden wissenschaftlichen Informationen über die dortigen Umweltveränderungen. Forscher des Helmholtz-Zentrums Hereon haben nun an Fjordsystemen anorganische…