Alte Linsen neu entdeckt

Der Anbau auf Versuchsfeldern der Universität Hohenheim sollte zeigen, wie sich die Linsen auf dem Feld entwickeln.
Bild: ZÖLUH / Universität Hohenheim

Forschende selektieren Sortentypen für Anbau in Deutschland.

8. März 2022, 10-17 Uhr: Digitale LinSel Konferenz 2022. Das Zentrum Ökologischer Landbau der Universität Hohenheim lädt Linsen-Interessierte zum Austausch ein.

Pflanzliches Protein vom heimischen Feld – die Linse ist ein wahres „Superfood“. Auf deutschen Feldern wächst die alte Kulturpflanze jedoch nur selten: Zu komplizierte Ernte, zu wenig Ertrag. Die LinSel-Forschungsgruppe, koordiniert vom Zentrum Ökologischer Landbau der Universität Hohenheim in Stuttgart, möchte das ändern: Sie stellt auf der Konferenz sogenannte Genotypen vor, die sich als Vorläufer für Sorten für den heimischen Anbau eignen. Ein weiterer Schwerpunkt sind die Möglichkeiten, diese in Deutschland zu vermehren und zu kultivieren.

Weitere Informationen unter https://oeko.uni-hohenheim.de/linsel_konferenz

Die Wiederentdeckung der schwäbischen „Albleisa“ vor etwa 20 Jahren war Anlass für neue Forschung rund um die Linse. Forschende interessieren sich dafür, wie man die alte Kulturpflanze zurück auf heimische Felder bringen kann, um Lieferwege zu verkürzen. Dafür gehen sie der Frage nach, welche Genotypen sich für mitteleuropäische Verhältnisse eignen.

Gemeinsam mit beiden Fachgebieten Allgemeiner Pflanzenbau und Qualität pflanzlicher Erzeugnisse des Instituts für Kulturpflanzenwissenschaften der Universität Hohenheim, dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben, dem Keyserlingk-Institut, und der Universität Kassel identifizierte das Zentrum Ökologischer Landbau der Universität Hohenheim Genotypen, die sich für den Anbau in Deutschland eignen.

Vom Labor aufs Versuchsfeld und auf den Acker

Über drei Jahre selektierte das Forschungsprojekt geeignete Linsengenotypen für den heimischen Anbau. Zunächst untersuchte das IPK 110 Herkünfte, die in der Genbank eingelagert waren. Die Forschenden analysierten, welche Linsen konkurrenzfähig sind und Potenzial für eine ertragreiche Ernte haben.

Die ausgewählten Herkünfte kamen anschließend an die Universität Hohenheim. Der Anbau auf Versuchsfeldern sollte zeigen, wie sich die Linsen auf dem Feld entwickeln und ob die alten Sorten robust genug sind, um den aktuellen Klimabedingungen standzuhalten.

Das Keyserlingk-Institut prüfte „on farm“ auf einem größeren Ackerschlag, wie konkurrenzstark die Linsen-Genotypen sind, welche Krankheiten auftreten können und wie viel Ertrag die Pflanzen bringen. Auch technische Parameter, die wichtig für den Anbau sind, spielten hier eine Rolle: Wie gut lassen sich unterschiedliche Genotypen ernten und wie viel Ernte bleibt am Ende übrig? Forschende des Fachbereichs Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel untersuchten, wie sich die Sortentypen über mehrere Jahre an verschiedene Standorte anpassen und welche Faktoren Umweltbedingungen, Boden und Klima dabei spielen.

Die Ernte wanderte wieder nach Hohenheim: Hier analysierten Forschende im Labor unter anderem den Eiweißgehalt und die Tausendkornmasse – eine wichtige Kenngröße im Saatguthandel.

Alte Sortentypen bieten überraschendes Potenzial

Übrig blieben schließlich sechs bis acht Sorten bzw. Genotypen, die ein großes Potenzial für den regionalen Anbau haben. Alex Kröper, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hohenheim, begleitete den Versuchsanbau am Zentrum Ökologischer Landbau der Universität Hohenheim: „Wir haben einige, teilweise alte Genbankakzessionen gefunden, die im Versuchsanbau besser abschnitten als regional angebaute Vergleichssorten. Diese Sorten bieten gute Voraussetzungen für einen erfolgreichen Anbau in Deutschland.“

Die Herausforderung sei nun, die ausgewählten Linsen auf landwirtschaftliche Flächen zu bringen. „Unter Landwirten gelten Linsen bisher noch als wenig attraktiv und schwierig zu ernten. Weil die Pflanze lange nicht in Deutschland kultiviert wurde, ist sie nicht an unsere modernen Agrarsysteme angepasst. Eine professionelle Vermehrung steht noch ganz am Anfang“, meint Dr. Sabine Zikeli, Koordinatorin des Projekts am Zentrum Ökologischer Landbau. „Deswegen suchen wir auf unserer Konferenz auch den aktiven Austausch mit Landwirten über die Vermehrung und Vermarktung von heimischen Linsen.“

LinSel-Konferenz gibt Impulse für landwirtschaftliche Nutzung

Auf der LinSel-Konferenz erläutern die Projektpartner die Ergebnisse der einzelnen Forschungsschritte und stellen die ausgewählten Linsen vor. Weitere Impulse geben Forschende aus der Schweiz und Kanada, die ebenfalls Feldversuche mit verschiedenen Linsenkulturen durchgeführt haben. In verschiedenen Workshops geht es zudem darum, die Forschungsergebnisse in die Praxis auf heimische Felder zu überführen. Dafür teilen Linsen-Fachleute ihr Wissen über die gesamte Wertschöpfungskette der Pflanze – von der Züchtung und Vermehrung von Sortentypen über den Nutzen von Erzeugergemeinschaften bis zur Vermarktung.

HINTERGRUND: Die Wiederentdeckung der schwäbischen Alblinse

Bis in die 1950er Jahre war die schwäbische Alb Anbaugebiet für regionale Linsensorten. Wegen der aufwendigen Ernte und des niedrigen Ertrags verschwand die Linse jedoch mit der Zeit von den Feldern. Bis sich in den 1980er Jahre ein Bio-Landwirt – Woldemar Mammel, unter Linsen-Interessierten bekannt als „Linsenpapst“ – in den Kopf setzte, Linsen zurück in die schwäbische Landwirtschaft zu bringen.

Da die alten schwäbischen Sorten ausgestorben schienen, baute Mammel zunächst andere Linsensorten an. Die Alblinse ging ihm jedoch nicht mehr aus dem Kopf – er suchte über Jahrzehnte nach der regionalen Sorte. 2006 wurde sie schließlich in der Wawilow-Genbank in St. Petersburg wiederentdeckt. Mammel reiste persönlich nach Russland, um die Alblinsen abzuholen. Seitdem wächst die schwäbische Linse wieder auf der schwäbischen Alb. Da die Nachfrage nach der regionalen Linse schnell stieg, gründete sich die Erzeugergemeinschaft „Alb-Leisa“. Ihr gehören mittlerweile über 110 Bauernhöfe an.

Prof. Dr. Sabine Gruber von der Universität Hohenheim teilte die Begeisterung für den Linsenanbau auf der Schwäbischen Alb und etablierte den Forschungsschwerpunkt am Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, Fachgebiet Allgemeiner Pflanzenbau. Der enge Austausch mit den Linsen-Anbauern und -Anbauerinnen inspirierte sie bis zu ihrem Tod zu umfassenden Forschungsarbeiten zu alten und neuen Kulturarten.

Weitere Informationen
Anmeldung zur LinSel Konferenz: https://oeko.uni-hohenheim.de/linsel_konferenz
Informationen zum Forschungsprojekt LinSel: https://oeko.uni-hohenheim.de/forschungsprojekt_linsel

Kontakt für Medien
Dr. Annegret Pflugfelder, Universität Hohenheim, Zentrum Ökologischer Landbau,
T +49 711 459 24139, E a.pflugfelder@uni-hohenheim.de

Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim
http://www.uni-hohenheim.de/presse

Text: Hagenau/Elsner

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Annegret Pflugfelder, Universität Hohenheim, Zentrum Ökologischer Landbau,
T +49 711 459 24139, E a.pflugfelder@uni-hohenheim.de

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