Keine resistenten Schädlinge
Trotz des großflächigen Anbaus von Bt-Pflanzen in den USA haben sich bisher offenbar keine Schadinsekten mit einer Resistenz gegen das Bt-Toxin entwickelt. Zu diesem überraschenden Ergebnis kamen wissenschaftliche Untersuchungen im Auftrag es US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums.
Seit über acht Jahren werden in den USA großflächig gentechnisch veränderte Mais- und Baumwollpflanzen angebaut, die resistent sind gegen bestimmte Schadinsekten. Diese Eigenschaft geht auf das Bt-Toxin zurück, dessen aus einem Bodenbakterium stammendes Gen auf die Pflanzen übertragen wurde.
Man hatte erwartet, dass die jeweiligen Schädlinge – etwa Maiszünsler oder Baumwollkapselwurm – früher oder später Resistenzen entwickelten und damit gegenüber dem Bt-Toxin unempfindlich würden. Damit könnte die Bt-Strategie unwirksam werden.
Doch eine gerade veröffentlichten Studie, unter Leitung von Bruce Tabashnik an der Universität Arizona in Tucson und der der Cornell Universität (Geneva, New York) durchgeführt, bestätigte die Erwartungen nicht: In keinem einzigen Fall wurden resistente Schädlinge beobachtet.
Tabashnik zeigte sich selbst überrascht. Der Entomologe sagte, niemand habe erwartet, dass nicht einmal ein minimaler Anstieg der Resistenz zu beobachten sein werde.
Aktuelle Untersuchungen in China liefern ein ähnliches Bild. Dort hatte man in den vergangenen fünf Anbaujahren überprüft, ob durch den Bt-Baumwollanbau resistente Formen des Baumwollkapselwurmes entstehen. Auch hier zeigten sich keine Anzeichen dafür. Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu verschiedenen, bisher jedoch wissenschaftlich nicht bestätigten Berichten über das Auftreten von Insekten mit Resistenzen gegenüber Bt-Pflanzen.
Unter Feldbedingungen wurde bisher nur bei der Kohlmotte eine erhöhte Resistenz gegen Bt-Toxine festgestellt – verursacht durch den Einsatz von konventionellen Bt-Präparaten, die seit über fünfzig Jahren als biologisches Pflanzenschutzmittel im Ökolandbau eingesetzt werden. Resistente Formen dieses Schädlings wurden erstmals Anfang der 90er Jahre auf den Philippinen gesichtet. Inzwischen werden sie in Nordamerika und Asien regelmäßig beobachtet.
Damit deutet sich an, dass Bt-Kulturpflanzen länger genutzt werden können als erwartet. Als 1996 die ersten Bt-Pflanzen auf den Feldern standen, ging man davon aus, dass innerhalb der nächsten fünf bis acht Jahre resistente Populationen der jeweiligen Schadinsekten entstehen müssten. Damit wäre die Wirksamkeit des Bt-Konzepts stark eingeschränkt gewesen. Aber auch der Biolandbau, der konventionelle Bt-Präparate in Form von Sprays benutzt, hätte eine für ihn wichtige Bekämpfungsmethode von Schadinsekten verloren, zu der es kaum Alternativen gibt.
Refugienflächen: Wenig Chancen für resistente Schädlinge
In den USA sind die Farmer verpflichtet, in Nachbarschaft zu den Bt-Feldern auch Felder ohne Bt-Pflanzen zu bestellen. Die Anlage solcher Refugienflächen gilt dort als die wichtigste Maßnahe, um die Entstehung Bt-resistenter Schädlinge zu vermeiden und ihre Ausbreitung zu verzögern. Diese Flächen sorgen dafür, dass „normale“, nicht-resistente Schädlinge überleben, die sich dann – falls vorhanden – mit resistenten Schädlingen im benachbarten Bt-Maisfeld paaren können.
Die Refugien-Strategie funktioniert jedoch nur dann, wenn die Resistenzgene rezessiv und nicht dominant vererbt werden: Schadinsekten wären nur dann widerstandsfähig gegen Bt-Toxin, wenn zwei dieser rezessiven Resistenzgene – eines vom Vater, eines von der Mutter – im Erbgut vorhanden sind. Paart sich ein resistentes Tier (mit zwei Resistenzgenen) aus dem Bt-Feld mit einem nicht-resistenten Tier (ohne Resistenzgen) aus den Refugienflächen, entstehen ausschließlich Nachkommen mit einem Resistenzgen. Diese sind weiterhin gegen das Bt-Toxin empfindlich und sterben, wenn sie vom Bt-Mais fressen. Die Zahl resistenter Tiere bleibt so langfristig auf niedrigen Niveau.
Die Annahmen, auf denen das Refugienkonzept basiert, haben sich als richtig erwiesen: Alle bisher im Labor bei Schadinsekten gefundenen starken Resistenzen beruhen auf rezessiven Genen.
Als weitere Sicherungsmaßnahme sollen Bt-Pflanzen das Bt-Toxin in weitaus höheren Mengen enthalten, als es zum Abtöten nicht-resistenter Insekten erforderlich wäre. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass zumindest auch die moderat resistenten Tiere noch sterben und sich in einer Schädlingspopulation nicht anreichern können.
Resistenzgene – kein Vorteil, sondern Last
Wichtig für den langfristigen Erfolg der Refugienstrategie ist auch, dass die Resistenzgene für die Tiere eine „Last“ sind, wenn diese in herkömmlichen Feldern ohne Bt-Pflanzen leben. So könnten vorhandene Resistenzgene bei ihren Träger etwa eine geringere Vermehrungsrate oder höhere Anfälligkeit gegenüber Krankheiten verursachen . Eine derart reduzierte Fitness führt dazu, dass in konventionellen Feldern und Refugienflächen Tiere mit Resistenzgenen sich weniger stark vermehren können als ihre Artgenossen ohne Resistenzgene. Auch diese Voraussetzung scheint in vielen Fällen erfüllt. Tabashnik hatte zeigen können, dass Bt-Resistenzgene etwa bei der Kohlmotte zu einer deutlich verringerten Fitness führt.
Für Fred Gould, Insektenforscher an der North Carolina State University, drängt sich nach den Ergebnissen der Studie die Frage auf: „Sehen wir Resistenzen deshalb nicht, weil die amerikanische Umweltbehörde EPA ein Hoch-Dosis-Refugien-Verfahren beim Anbau von Bt-Pflanzen vorschreibt, oder hätten wir von vorneherein niemals ein solches Resistenzmanagement gebraucht?“
Neue Konzepte gegen Resistenzentwicklung
Doch für eine Abkehr vom bisherigen Konzept scheint es indes noch zu früh. Die Entwicklung von Resistenzen ist ein grundlegender und kaum abzuwendender Prozess. Insekten haben eine enorme Anpassungsfähigkeit. Nahezu gegen jeden Wirkstoff, der in der Vergangenheit zur ihrer Bekämpfung eingesetzt wurde, entwickeln sich über kurz oder lang Resistenzen. Bekannt sind heute über fünfhundert Insektenarten mit Resistenzen gegen ein oder mehrere konventionelle Insektizidwirkstoffe.
Wie schnell das auch bei Bt-Toxinen eintreten kann, deuten Laborexperimente an: Sechzehn verschiedenen Insektenarten haben dabei in relativ kurzer Zeit Resistenzen erworben: zehn verschiedene Falter-, zwei Käfer- und vier Fliegenarten. Darunter befanden sich auch gefürchtete Baumwoll- und Maisschädlinge wie der Kapselwurm oder der Maiszünsler.
Auch Tabashnik hält das Resistenzproblem daher trotz der positiven Erfahrungen beim Anbau von Bt-Pflanzen weiterhin für eine reale Gefahr. Aus diesem Grund wird über neuen Strategien zur Vermeidung der Resistenzentwicklung nachgedacht.
- Bt-Pflanzen könnten künftig Bt-Toxine zeitlich begrenzt oder nur in bestimmten Pflanzenteilen produzieren. Auf diese Weise kann der Selektionsdruck auf die Insekten erheblich reduziert werden. Bei den heute angebauten Bt-Pflanzen wird das Toxin noch in allen Pflanzenteilen und über die ganze Anbausaison hinweg gebildet.
- Bt-Pflanzen könnten mehrere unterschiedliche Bt-Toxine produzieren oder zusätzlich zu einem Bt-Toxin eine ganz andere Toxinklasse. Dass ein Insekt gleich gegen zwei oder drei unterschiedliche Wirkstoffe Resistenzen entwickelt, ist sehr unwahrscheinlich. So entwickelt das Agrobiotech-Unternehmen Monsanto Bt-Baumwollpflanzen, die zwei verschiedene Bt-Gene (cry IAC and cry 2Ab) enthalten.
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