Baumtomograf mit neuem Bildverfahren
In seiner Diplomarbeit an der FH Gießen-Friedberg hat Andreas Kraft einen Algorithmus entwickelt, mit dessen Hilfe die Baumtomografie aufschlußreichere Bilder liefern kann.
„Die Bäume sind ja fast alle krank hier!“. Die ältere Passantin beobachtet interessiert zwei Männer, die sich an einer Kastanie in der Gießener Eichgärtenallee zu schaffen machen. Wie krank die Kastanie ist, will Andreas Kraft auf schonende Weise herausfinden. Der 26-jährige Diplom-Informatiker schlägt knapp unterhalb einer alten, fast zugewucherten Verletzung zwölf dünne Stahlstifte in den Baum und bringt danach je ein zigarettenschachtelgroßes graues Kästchen an diesen Halterungen an.
Kraft bereitet den Einsatz eines neuartigen Impulstomografen vor, mit dem er den inneren Zustand von Bäumen sichtbar machen kann. Die Kästchen sind Sensoren, die einen Mikrochip enthalten und über Kabel untereinander und mit einem Laptop verbunden werden. Schlägt man nun mit einem Hammer auf einen kleinen Metallstift an den Sensoren, so werden Schallwellen ausgelöst. Gemessen wird die Zeit, die diese Wellen zu den anderen Sensoren benötigen. „Durch festes, gesundes Holz läuft der Schall schneller als durch verfaultes Holz,“ erläutert Kraft das Prinzip. „Bei zwölf Messpunkten erhalten wir pro Schlag elf Messwerte.“ Die Daten werden an den Laptop übertragen, anschließend berechnet der Computer ein Bild des Baumquerschnitts.
Kennen gelernt hat Kraft das Verfahren, als er während des Studiums an der Fachhochschule Gießen-Friedberg sein Berufspraktisches Semester bei der Heidelberger Firma Rinntech absolvierte. Das Unternehmen hat verschiedene technische Geräte und Software für Baum- und Holzuntersuchungen entwickelt. Die grafische Darstellung der Untersuchungsergebnisse beschränkte sich allerdings auf eine wenig anschauliche Liniengrafik. Dem Informatikstudenten Kraft kam die Idee zur Weiterentwicklung des Verfahrens. In seiner Diplomarbeit am Gießener FH-Fachbereich Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik formulierte er einen komplizierten Algorithmus, der eine anschauliche Flächendarstellung und eine – aus mehreren Messringen zusammen gesetzte – dreidimensionale Darstellung des Gesundheitszustandes eines Baumes möglich macht. „Dabei sind ihm seine sehr guten Physikkenntnisse zugute gekommen,“ sagt anerkennend Prof. Dr. Klaus Wüst, der die Arbeit betreut hat.
„Zerstörungsfrei, schnell und preiswert lassen sich nun Bäume beurteilen“, resümiert der Hochschullehrer. Die Anschaffung eines „Arbotoms“ – so der Name, unter dem die Messeinrichtung vermarktet wird – lohnt sich laut Kraft, der mittlerweile fest bei Rinntech beschäftigt ist, für Privatleute allerdings nicht. Etwa 10.000 Euro kostet das Komplettsystem und eignet sich deshalb zum Beispiel für Kommunen, die für die Sicherheit ihrer Straßen- und Parkbäume verantwortlich sind. Private Interessenten, die fürchten, dass ihnen ihr Gartenbaum auf das Reihenhaus fällt, könne aber auch geholfen werden, sagt Kraft. Rund 200 Euro koste die Baumuntersuchung als Dienstleistung.
Für die Kastanie in der Eichgärtenallee konnte Andreas Kraft übrigens vorerst Entwarnung geben. Der Baum sei zwar offensichtlich geschädigt, seine Standfestigkeit aber zurzeit nicht beeinträchtigt.
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