Radikaler Pflanzenschutz ist schlecht für die Selbstregulation
Systeme aus gentechnisch veränderten Pflanzen und dazu passenden Komplementärherbiziden sind wirksame Konzepte zur Bekämpfung von Unkräutern, aber bei Sommerraps und Zuckerrüben schaden sie der Artenvielfalt der Agrarökosysteme. Das war im Kern das Ergebnis einer dreijährigen Anbauversuchs in Großbritannien. Seitdem wird auch in Deutschland heftig über die Schlussfolgerungen diskutiert. bioSicherheit hat dazu ein Gespräch mit Gesine Schütte von der Universität Hamburg geführt.
bioSicherheit: Im Herbst letzten Jahres wurden die Ergebnisse eines mehrjährigen Großversuches aus Großbritannien veröffentlicht. Untersucht wurde, wie sich der Anbau herbizidresistenter Pflanzen auf die Biodiversität auswirkt. Bei Zuckerrüben und Sommerraps ging die Artenvielfalt bei Ackerwildkräutern verglichen mit konventionellen Verfahren der Unkrautregulierung zurück. Bei Mais war es auf den ersten Blick anders. Wie beurteilen Sie die britische Untersuchung? Sind die Ergebnisse auch auf die deutsche Landwirtschaft übertragbar?
Gesine Schütte: Im Prinzip sind diese Versuche gut übertragbar. Besonders die Methodik spricht dafür: Es sind über 60 Standorte ausgewählt worden, die Laufzeit lag bei drei Jahren und was besonders wichtig ist: Die Vergleichsflächen waren relativ groß. Zudem hat man sich bei den verschiedenen Untersuchungen nicht auf eine Methode beschränkt (mit jeder erfasst man andere wichtige Tiere oder Aspekte). Insekten sind mit verschiedenen Methoden gefangen worden und man hat nicht nur das Auftreten von Pflanzen dokumentiert, sondern auch die Blüten- und Samenbildung bzw. den Sameneintrag in den Boden. Das ist vorbildlich. Die Verwendung von Atrazin in den Flächen ohne Gentechnik führt allerdings dazu, dass die Versuche zu Mais nicht auf Deutschland – dort ist Atrazin verboten – übertragbar sind.
Im übrigen zeigen auch Publikationen zum Anbau in anderen Ländern, dass die Breitbandherbizide, die im System mit HR-Pflanzen verwendet werden, stärker wirken als bisherige. Und dieser Effekt mit seinen Folgen für andere Organismen, besonders die nützlichen Organismen, ist ja nachgewiesen worden.
bioSicherheit: Bedeutet das aus Ihrer Sicht, auf den Einsatz von HR-Pflanzen und die dazu passenden Komplementärherbizide zu verzichten? Oder sollte man bei der Anwendung stärker auf die Biodiversität achten und die Herbizide entsprechend geringer dosieren? So wurden bei Versuchen mit herbizidresistenten Zuckerrüben in Dänemark (NERI) positive Effekte auf die Artenvielfalt festgestellt, wenn weniger Herbizide aufgebracht werden als es die Hersteller empfehlen.
Gesine Schütte: Die Möglichkeit, bei der Unkrautbekämpfung zwischen verschiedenen Strategien zu wählen, besteht nur in Zucker- oder Futterrüben. Die Erfolge dort beruhen zudem weniger auf einer geringeren Dosis als auf einer sehr späten Unkrautbekämpfung in Rüben. Das ist jedoch nicht praxistauglich, weil ein so später Termin mit Ertragsrisiken verbunden ist. Bei Versuchen in England hat sich gezeigt, dass sich die Erfolge – mehr Artenvielfalt – erst sehr spät im Jahr einstellen. Nützlinge braucht man aber besonders im Frühsommer, etwa gegen Blattläuse. Und die Versuche aus Dänemark zeigen leider nur, dass zu einem einzigen Termin im Jahr mehr Beikräuter überleben. Entscheidend ist jedoch die Wirkung über die ganze Saison.
Vergleicht man Veröffentlichungen aus den letzten zwei Jahrzehnten aus Deutschland, dann schwankt die Artenzahl der Ackerwildkräuter pro Feld zwischen zwei und 42. Die Tendenz war in den letzten Jahrzehnten abnehmend. Wenn man jetzt zusätzlich Herbizide einsetzt, die fast keine Wirkungslücken besitzen, dann kann sich dieser Trend nur fortsetzen.
bioSicherheit: Ist es nicht so, dass die britische Untersuchung die naheliegende Vermutung bestätigt: Je perfekter ein Unkrautmanagementsystem wirkt, je „aufgeräumter“ ein Feld ist, um so weniger Artenvielfalt auf dem Acker? Sollte es in der öffentlichen Diskussion nicht stärker um den Zielkonflikt zwischen Ertragssicherung und Biodiversität gehen, nicht um Grundsatzfragen zur Grünen Gentechnik?
Gesine Schütte: Die Gentechnik hat jahrelang eine Verbesserung der Umweltwirkungen versprochen, auch für Wildkräuter und Insekten. Daran muss sie sich nun messen lassen.
Ertragssteigerungen bei herbizidresistenten Pflanzen sind eher die Ausnahme. In Europa ist allenfalls bei Zuckerrüben mit leicht erhöhten Erträgen zu rechnen, nicht aber mit Mais und Raps. Die Gründe für den Einsatz von HR-Systemen liegen woanders: Man meint, auf der sicheren Seite zu sein, wenn alle oder fast alle Wildkräuter bekämpft werden. Im Ausland gebraucht man dafür manchmal den Begriff „convenience-crop“. Oft wird weniger geprüft, welche und wie viele Schaderreger im Feld sind, denn das Herbizid wirkt sowieso gegen fast alle Unkräuter. Dadurch können die Landwirte manchmal Arbeitszeit einsparen.
Ich würde den angesprochen Zielkonflikt eher so beschreiben: Es geht um die Vereinfachung der Produktion – mit Gentechnik – zu Lasten der Selbstregulation im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes – Bekämpfung von Schaderregern durch Nützlinge – und damit auch der Biodiversität.
bioSicherheit: Insektenresistente Pflanzen, etwa Bt-Mais, waren in die britische Studie nicht einbezogen. Wie sehen Sie hier mögliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt? Es wird ja aufwändig untersucht, dass das Bt-Toxin nur auf den jeweiligen Schädling wirkt, etwa den Maiszünsler, nicht aber auf andere Tiere, die direkt oder indirekt mit dem Bt-Mais in Kontakt kommen.
Gesine Schütte: Die relativ hohe Treffsicherheit des Bt-Toxins ist schon lange bekannt. Das Problem liegt woanders: Im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes sollten natürliche Feinde überleben können und das geht nur, wenn auch ein paar Schädlinge übrig bleiben. Geringe Schädlingsdichten, die keinen Schaden machen, sind zu erhalten. Genau das funktioniert nicht, wenn die Pflanzensorten ein über die ganze Saison zu 99 Proeznt tödliches Toxin produzieren.
Es wird ja so oft gesagt, dass in Bt-Sorten Insektizide eingespart werden. In Wirklichkeit ist das Insektizid nicht eingespart, sondern befindet sich in der Pflanze. In Silomais in Deutschland setzt man normalerweise gar keine Insektizide ein. Und in anderen Kulturarten und Regionen wird nur ein kleiner Teil der Insektizide durch das Bt-Toxin in der Pflanze ersetzt. Was den Mais in den USA anbetrifft, streiten sich die Experten inzwischen, ob der Insektizideinsatz nicht sogar gestiegen ist.
bioSicherheit: Sind im Hinblick auf die Artenvielfalt Bt-Pflanzen anders zu beurteilen als die seit langem übliche Verwendung konventioneller Bt-Präparate?
Gesine Schütte: Das konventionelle Bt-Präparat wirkt nicht so hochgradig und nicht über die ganze Saison. Außerdem kann man es kurzfristig einsetzen oder weglassen, je nachdem, ob der Befall wirklich über der Schadschwelle liegt. Daraus ergeben sich Umweltvorteile.
bioSicherheit: Perfekte Pflanzenschutzkonzepte, die keine Wirkungslücken haben, sind schlecht für die Biodiversität. Stimmen Sie dieser vereinfachten Aussage zu? Und was bedeutet das aus Ihrer Sicht – sowohl für die Landwirtschaft wie für die Agrarforschung?
Gesine Schütte: Sie sind nicht nur schlecht für die Biodiversität, sie verhindern auch die Selbstregulation. Wildkräuter halten zum Beispiel den Boden fest gegen Wind- und Wassererosion, sie verbessern die Struktur und Nährstoffnachlieferungsfähigkeit des Bodens und sie tragen essenziell zur Erhaltung von Nützlingen bei. Ohne diese Nützlinge muss man mehr Pflanzenschutzmittel einsetzen. Die Erhaltung eines Restes an Biodiversität ist ein erfreulicher Nebeneffekt solcher Pflanzenschutz-Konzepte.
Die Agrarforschung hat das lange erkannt. Es gibt eine Vielzahl von erfolgreichen Methoden und Strategien, mit denen die Selbstregulation in der Landwirtschaft gefördert oder erhalten werden kann, z.B.:
das gezielte Erhalten kleiner und wenig konkurrenzfähiger Wildkräuter durch sehr selektive Herbizide oder mechanische Bekämpfung mit geringerer Durchschlagskraft – genau das ist oft ohne finanzielle Nachteile machbar;
die Anlage von Blüh- bzw. Krautstreifen und Dauerbrachestreifen zur Erhaltung von Nahrungspflanzen, Nektar- und Pollenversorgung sowie Überwinterungsmöglichkeiten für Nützlinge;
durch Fruchtfolgen mit deutlich mehr als zwei Kulturarten.
In Bundesländern, die Geld für so genannte Kulturlandwirtschafts- Programme zur Verfügung stellen, werden solche und ähnliche Verfahren gefördert. Oft fehlt allerdings die Akzeptanz in der Praxis oder das Geld.
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