Versauerung der Waldböden gefährdet Trinkwasser – von 11 Millionen Hektar Wald sind zwei Drittel kalkungsbedürftig
Länder vernachlässigen Waldkalkungen und verstärken Sturmanfälligkeit der Wälder
Der Wald und seine Böden sind geschädigt wie noch nie. Die aktuellen Berichte über die rapide zunehmenden Waldschäden in den Bundesländern decken schonungslos auf, was Wissenschaftler und Forst-Experten schon länger beklagen: In unseren Waldböden ticken Zeitbomben mit verheerenden Wirkungen. Die zunehmenden Schadstoffe im Waldboden gefährden massiv den Trinkwasserspeicher Wald. Gleichzeitig lässt die Bereitschaft der Politik immer mehr nach, mit Bodenschutzkalkungen offensiv gegen die fortschreitende Versauerung der Waldböden vorzugehen.
Nach Ansicht von Forstwissenschaftlern schützen die meisten Bundesländer entgegen längst bekannter Fakten Wald, Boden und Trinkwasser nur unzureichend. Von Bund, Land und EU dafür vorgesehene Fördermittel in Höhe von zig Millionen Euro werden nicht mehr abgerufen, bleiben ungenutzt in den öffentlichen Kassen. Von sechzehn Bundesländern wird lediglich in Sachsen der von der landeseigenen Forstlichen Versuchsanstalt ermittelte Kalkungsbedarf in den Wäldern auch künftig in die Tat umgesetzt. Das von großen historischen Waldschäden geplagte neue Bundesland fördert anders als andere Bundesländer die Bodenschutzkalkungen zu 100%. Anders als in anderen Bundesländern erfolgen in Sachsen die zwingend erforderlichen Kalkungen in einem festen Turnus und nicht nach jeweiliger Kassenlage oder Ministerlaune.
Für 2005 wurden die Haushaltsansätze in den Landesetats für Kompensationskalkungen trotz der rapide gestiegen Waldschäden und zunehmenden Bodenversauerungen weiter gekürzt. Experten befürchten mit Blick auf die neuen Ansätze, dass dann bundesweit nur noch rund 160.000 t Naturkalk für Boden- und Trinkwasserschutz in den Wald kommen. Das sind bisherigen Ansätzen zufolge im Jahre 2005 rund 50.000 t weniger Naturkalk als in diesem Jahr. Damit können 2005 nur noch etwa 80.000 ha Wald gekalkt werden. Das sind 20.000 ha Wald weniger als in diesem Jahr. Unterm Strich müssten aber mehrere Millionen Hektar versauerter Waldboden erstmals gekalkt oder nachgekalkt werden.
Alexander Hufgard, Vorsitzender von der in Köln ansässigen Düngekalk-Hauptgemeinschaft (dhg), erklärte in Berlin bei einem Presse-Gespräch vor Mitgliedern des Deutschen Bundestages und Repräsentanten der Waldbesitzerverbände: „In den deutschen Wäldern wird zu wenig gekalkt. Von der Gesamtwaldfläche in Deutschland, etwa 11 Millionen Hektar – sind rund zwei Drittel dringend kalkungsbedürftig. Der Umfang der tatsächlich gekalkten Fläche pro Jahr beträgt aber nach Angaben des Statistischen Bundesamts nur rund 100.000 ha Wald. Bei Wiederholungsintervallen von 10 Jahren sind in dieser Zeit also von fast 7 Millionen Hektar geschädigten Waldflächen nur 1 Million Hektar kranker Wald tatsächlich mit Kalk behandelt worden. Der Fehlbedarf bei den Bodenschutzkalkungen wird von Jahr zu Jahr größer und akkumuliert sich als Trinkwasser schädigendes Säurepotential im Waldboden.“
Im Jahre 2004 werden bundesweit insgesamt lediglich 210.000 t Naturkalk (pro ha 3 t Kalk) zur Kompensation von Säuren im Waldboden ausgebracht. Spitzenreiter Sachsen streute über 57.000 t, Baden-Württemberg rund 55.000 t, Rheinland-Pfalz ca.34.000 t sowie Nordrhein-Westfalen knapp 34.000 t, Niedersachsen rund 57.000 t, Hessen etwa 15.000 t Kalk in die Wälder. Das waldreiche Thüringen ist mit knapp 3.000 t ausgebrachtem Naturkalk weiter Schlusslicht bei den Bodenschutzkalkungen. Für 2005 wurden die Haushaltsansätze in den Landesetats trotz der rapide gestiegen Waldschäden und zunehmenden Bodenversauerungen weiter gekürzt.
In dem Waldschadensbericht 2004 der EU stellen Experten fest, dass Säureeinträge neben einer Gefährdung der Trinkwasserqualität auch eine erhöhte Sturmanfälligkeit der Bäume bewirken. In einer Auswertung auf knapp 1.000 Beobachtungsflächen konnte jetzt gezeigt werden, dass die schweren Stürme des Jahres 1999 auf saueren Böden mehr Bäume entwurzelten oder brachen als auf Böden mit höherem PH-Wert. Die Schädigung der Wurzeln auf versauerten Böden könnte ein Grund für diesen Zusammenhang sein. Der Waldzustand in Europa wird jährlich anhand des Nadel-/Blattverlustes von 130.000 Bäumen in ca. 30 Ländern erfasst. Für 2003 zeigt sich eine durchschnittliche Verschlechterung des Kronenzustandes bei fast allen Hauptbaumarten. Für das Jahr 2004 wird keine Besserung erwartet.
Ein wesentlicher Schuldfaktor an der Dauerniederlage an der ausufernden Säurefront im Waldboden ist vor allem die unklare und restriktive Förderpolitik der Bundesländer. Waldbesitzer, Umweltschützer und Forstverbände fordern deshalb seit Jahren endlich klare, transparente und bundesweit einheitliche Förderichtlinien im Kampf gegen das Waldsterben. Die Länder entscheiden jedoch dabei meist nicht nach dem zwingend erforderlichen Kompensationsbedarf im Waldboden, sondern betreiben Umweltschutz offensichtlich und beliebig je nach Kassenlage. Auch die Landesregierung in NRW hat in diesem Jahr einen so genannten Wassercent eingeführt der zig Millionen Euro in die Sanierung der maroden Landeskasse statt in den Schutz des Trinkwassers spült. Kein Einzelfall in Deutschland.
Alexander Hufgard: „Unterm Strich führt diese Umwelt- und Trinkwasserschutz verhindernde unverständliche Mehrwertsteuer-Praxis in NRW und anderen Bundesländern außer in Sachsen dazu, dass im Wald von Säuren geschädigte Böden eindeutig zu wenig oder so gut wie gar nicht mehr bekämpft und damit die Waldschäden politisch vorangetrieben werden. Die schon jetzt erkannten Langzeitwirkungen der rapide zunehmenden Waldschäden werden erfahrungsgemäß für Wirtschaft und Gesellschaft schon bald eine sehr teure Zukunftsaufgabe. Die Rufe nach einer höheren Öko-Steuer mit Alibifunktion für die staatlichen Kassenhüter werden ja jetzt schon immer lauter. Höhere Steuern werden aber Wald, Boden und Trinkwasser nicht schützen – wenn der politische Wille dazu fehlt. Das zeigt sich seit Jahren bei den stetig abnehmenden Bodenschutzkalkungen im Wald.“
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