FAL-Forscher/innen warnen vor Fehlern bei der Bemessung der Stickstoff-Düngung mit Spektral-Sensoren
Stickstoff (N) in richtiger Menge zum richtigen Zeitpunkt zu düngen, ist ein wesentlicher Schlüssel erfolgreicher Pflanzenproduktion. In der Vergangenheit wurden hierzu zahlreiche Entscheidungssysteme und Modelle angeboten, seit Neuerem auch Spektral-Sensoren. Diese angeblich Stickstoff-(sensitiven)-Sensoren (nachfolgend vereinfachend nur „Sensoren“ genannt) messen am Traktor angebracht vor dem Düngerstreuer und steuern die Menge an ausgebrachtem Stickstoff-Dünger.
Das Messprinzip beruht auf der Tatsache, dass vitale Blätter den infraroten Anteil des Lichtspektrums besonders stark reflektieren. Ursache hierfür ist der nach seinem Entdecker benannte Wood-Effekt, der durch die besonders starke Reflektion des infraroten Anteils des Lichtspektrums an der Grenzschicht zwischen oberer (Palisadenparenchym) und unterer (Schwammparenchym) Gewebeschicht eines Blattes zustande kommt und nur bei lebenden (turgeszenten) Blättern auftritt. Zusätzlich bestimmen einige Sensoren auch die Intensität der Grünfärbung (Chlorophyllgehalt) der Blätter. Das sehr einfache Modell unterstellt, dass Massenwachstum und Grünfärbung der Blätter ausschließlich vom Grad der Stickstoffversorgung abhängig sind. In exakten Düngungsexperimenten kann das durchaus der Fall sein, unter Freilandbedingungen jedoch so gut wie nie, denn dort gibt es „1001“ Gründe warum Pflanzen schlechter wachsen und weniger grün als „normal“ sind. Die Sensoren detektieren („sehen“) also mehr oder weniger Blattmasse, die mehr oder weniger grün ist. Je weniger Masse und je weniger grün, umso mehr Stickstoff wird von der Auswerteelektronik des Sensors vom Düngerstreuer angefordert und umgekehrt.
Am Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig liegen fast 30 Jahre Erfahrungen mit verschiedensten Sensoren zur Spektralanalyse gestresster und unterschiedlich ernährter Pflanzenbestände vor. Die umfangreichen Daten zeigen, dass aus den Spektren selbst keine Kausalitäten für deren Veränderungen abgeleitet werden können. Als für die Praxis besonders problematisch bei der Auswertung und Interpretation der Daten von Spektralsensoren erweisen sich Verluste an Blattgrün in Beständen, die auf staunassen Böden stehen, oder in Beständen, die Mangel an anderen Nährstoffen als gerade Stickstoff leiden. Insbesondere sind der mittlerweile weit verbreitete Mangel an Schwefel (Foto 2), Magnesium und Spurennährstoffen, aber auch Krankheiten zu nennen. Schaut man in die so genannte „mittelmaßstäbige landwirtschaftliche Standortkartierung (MMK)“ für Nordostdeutschland, so findet man, dass in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern z.B. 41 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche grundwasserbeeinflusst („ganzhydromorph“), 19 % staunass („teilhydromorph“) und die restlichen 40 % nicht wasserbeeinflusst sind. Diese 40 % sind nach Ergebnissen des Institutes dafür aber Schwefelmangel-gefährdet. Das heißt, chlorotische Pflanzen können hier unabhängig von der Stickstoff-Versorgung auf allen Flächen auftreten. Modellrechnungen der FAL-Forscher/innen zeigen, dass die von Sensoren erfassten, fälschlicherweise als durch Stickstoff-Mangel verursachten Wachstumsstörungen und Chlorosen (Verlust an Blattgrün) zu erhöht gedüngten Stickstoff-Mengen führen, die nicht in Ertrag umgesetzt werden. Das vermindert die Ausnutzung des Düngerstickstoffs erheblich und bedingt zusätzliche Umweltbelastungen. Foto 2 zeigt als Beispiel einen Bestand mit Schwefel-Mangel (Flächen mit aufgehelltem Grün): Ohne Schwefel-Mangel und bei gleichmäßiger Ausbringung würde die Ausnutzung des Dünger-Stickstoffs auf diesem Feld 80 % betragen, mit Schwefel-Mangel und gleichmäßiger Ausbringung nur noch 66 % und bei Sensor-gestützter Ausbringung sogar nur noch 57 %. In den chlorotischen Bereichen sinkt bei Ausbringung mit einem Sensor die Stickstoff-Ausnutzung sogar auf 22 % im Vergleich zu 33 % bei gleichmäßiger Ausbringung. Die FAL-Forscher/innen sind daher der Auffassung, dass nach derzeitigem Stand der Entwicklung Stickstoff-sensitive-Sensoren zu große methodische Defizite aufweisen, um sie als wirkungsvolle Hilfsmittel zur Verbesserung der Effizienz der Stickstoff-Düngung empfehlen zu können.
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