Sechsbeinige Chemiker helfen im Pflanzenschutz
Neue Bedeutung von Drüsensekreten bei Insekten entdeckt
Ausgerechnet Insekten, die als Schädlinge im Obstbau selbst eine nicht unerhebliche Rolle spielen, sind als mögliche Verbündete im Kampf gegen Pflanzenkrankheiten „geoutet“ worden. Eine Arbeitsgruppe am Institut für Pflanzenschutz im Obstbau der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) hat herausgefunden, dass die Larven von bestimmten Sägewespen und Blattkäfern Substanzen ausscheiden, die das Wachstum von Krankheitserregern deutlich hemmen.
Ursprünglich ging es den Forschern gar nicht so sehr darum, neue Stoffe zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten zu finden. Ihnen war aufgefallen, dass manche Insektenlarven Sekrete in teils sehr hohen Konzentrationen absondern, die in Drüsen am Rücken oder der Bauchpartie gebildet werden. „Diese Substanzen haben für die Tiere offenbar eine Schutzfunktion“, erläutert Dr. Jürgen Gross in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins ForschungsReport. Um dies zu belegen, hatte der Biologe des BBA-Instituts in Dossenheim bei Heidelberg in einem Experiment Käferlarven mit insektenpathogenen Krankheitskeimen kontaminiert. Einem Teil der Larven waren zuvor die Drüsen entleert worden. Diese Larven wurden deutlich stärker infiziert als die Kontrolltiere, die noch über volle Drüsen verfügten. Offenbar, so folgert Gross, hüllen die flüchtigen Drüsensekrete die Tiere in eine antimikrobielle Wolke, die die Keimung krankmachender Pilzsporen auf der Körperoberfläche und damit eine Infektion verhindern. Ein solcher Abwehrmechanismus war bei Insekten bislang nicht bekannt und wurde von dem Forscher der BBA erstmals beschrieben.
Weiterführende Experimente am Dossenheimer Institut zeigten, dass sich das Wirkungsspektrum dieser Substanzen nicht nur auf die Erreger von Insektenkrankheiten beschränkt. Einzelne Komponenten aus den Sekreten der Apfel- und der Pflaumensägewespe beispielsweise unterdrücken im Laborexperiment das Wachstum des Erregers des Feuerbrandes, einer bakteriellen Pflanzenkrankheit, die im Obstbau alljährlich Schäden in Millionenhöhe verursacht. Auch die Sporen des Apfelschorfes, eine der bedeutendsten Pilzkrankheiten des Apfels, werden effektiv in ihrer Keimung gehemmt.
Ob diese von Insekten gebildeten Naturstoffe auch unter Praxisbedingungen eine Chance haben, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Doch gerade bei den bakteriellen Pflanzenkrankheiten wie dem Feuerbrand werden neue Bekämpfungsansätze dringend gesucht, da in der Praxis bislang nur Antibiotika zur Verfügung stehen, die aber aus Gründen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes möglichst nicht großräumig im Freiland ausgebracht werden sollten. So erscheint es viel versprechend, das chemische Potenzial von Insekten näher unter die Lupe zu nehmen. Dr. Jürgen Gross ist überzeugt: „Das Studium der chemisch-ökologischen Beziehungen zwischen Insekten und Pflanzen könnte eine neue Tür zur Pflanzenschutzforschung des 21. Jahrhunderts aufstoßen.“
Die neu erschienene Ausgabe 1/2005 des ForschungsReports mit dem Beitrag „Sechsbeinige Chemiker helfen im Pflanzenschutz“ ist kostenlos zu beziehen über die Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsanstalten, Bundesallee 50, 38116 Braunschweig. E-mail: michael.welling@fal.de, Tel.: 0531 / 596-1016.
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