Müssen Jäger noch mal die Schulbank drücken?

Am 1. Januar 2006 ist ein neues EG-Lebensmittelhygienerecht in Kraft getreten. Welche Bedeutung und Auswirkungen das für die Jägerschaft hat, beleuchtete die Zeitschrift „Pirsch“ anlässlich der Messe „Jagd und Hund“ Anfang Februar in Dortmund in einem Vortragsseminar.

Dr. Hartwig Kobelt, Leiter des Referats „Fleischhygiene“ im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), Bonn, machte deutlich: „das neue EG-Lebensmittelhygienerecht ist unmittelbar geltendes und anzuwendendes Recht“ – das heißt, es erfolgt keine Umsetzung in nationales Recht, womit eine Möglichkeit der Ausgestaltung oder Modifizierung entfällt.

Der Wild jagende und veräußernde Revierinhaber ist Lebensmittelunternehmer im Betrieb Jagdrevier, gemäß EG-Lebensmittel-Basisverordnung 178/2002, die seit dem 1. Januar 2005 anzuwenden ist. Ihm obliegt die Verantwortung für die Sicherheit des Lebensmittels Wild: Soll das erlegte Wild an zugelassene Wildbearbeitungsbetriebe geliefert werden, „dann muss bei der Jagd mindestens eine Jägerin oder ein Jäger die unmittelbar geltenden Anforderungen der EG-Verordnung 853/2004 an eine ’kundige Person’ erfüllen“, so Dr. Kobelt.

Die direkte Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen – also Wild in der Decke oder im Federkleid (auch ausgeweidet) – an den Endverbraucher oder örtliche Einzelhandelsbetriebe ist aus dem Anwendungsbereich des gemeinschaftlichen Hygienerechts ausdrücklich ausgenommen. Auf die Abgabe kleiner Mengen zerwirkten Wildes (Teilstücke) sind lediglich die Anforderungen des allgemeinen Lebensmittelhygienerechts der Gemeinschaft (EG-Verordnung 852/2004) anwendbar. Diese Erzeugnisse unterliegen damit nach dem Gemeinschaftsrecht keiner Fleischuntersuchung durch einen amtlichen Tierarzt. Art und Umfang der amtlichen Untersuchungen werden weiterhin ausschließlich durch nationale Vorschriften geregelt.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, für die direkte Abgabe nationale Lebensmittelhygieneanforderungen zu treffen. Das BMELV bereite derzeit eine „Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts“ vor, so Dr. Kobelt. Im Einzelnen seien für die Jäger drei Verordnungen von Bedeutung:

1. Lebensmittelhygiene-Verordnung (Durchführung der EG-Verordnung 852/2004),

2. Lebensmittelhygiene-Verordnung – Tierische Lebensmittel (Durchführung der EG-Verordnung 853/2004) und

3. Überwachungsverordnung – Lebensmittel tierischen Ursprungs (Durchführung der EG-Verordnung 854/2004).

Eine „Zwei-Klassen-Lösung“ – Jägerinnen und Jäger, die berechtigt sind, erlegtes Wild an zugelassene Wildbearbeitungsbetriebe zu liefern beziehungsweise als „kundige Person“ tätig zu werden, und solche, die lediglich kleine Mengen von erlegtem Wild und zerwirktem Wildfleisch an den Endverbraucher oder Einzelhandelsgeschäfte abgeben dürfen – könnte ohnehin weder im Sinne des Gesetzgebers noch der Jägerschaft und schon gar nicht im Sinne des Verbrauchers sein. Dr. Kobelt: „Daher sollte in der nationalen ,Lebensmittelhygiene-Verordnung – Tierische Lebensmittel’ vorgesehen werden, dass kleine Mengen erlegten Wildes und zerwirkten Wildfleisches nur von Personen abgegeben werden dürfen, die auf den Gebieten der Anatomie, Physiologie, des normalen und abnormen Verhaltens und krankhafter Veränderungen des Wildes sowie der hygienischen Anforderungen im Umgang mit Wild ausreichend geschult sind. Der Jäger muss entsprechend sachkundig sein und das Wild auf bedenkliche Merkmale hin untersuchen. Die zuständige Behörde muss sich davon überzeugen, dass Jäger ausreichend geschult sind, um als „kundige Personen“ gelten zu können.

Jagdverbände sind aufgefordert, entsprechende Lehrgänge anzubieten. Nachschulungen werden insbesondere für Jagdschein-Inhaber gefordert, die ihre Prüfung vor dem 1. Februar 1987 abgelegt haben. Zu diesem Zeitpunkt trat die Fleischhygiene-Verordnung in Kraft, was in den Ausbildungsgängen berücksichtigt wurde.

Sinn und Notwendigkeit solcher Nachschulungen wurden auf der Vortragsveranstaltung unterschiedlich gesehen. Eine große Anzahl der anwesenden Jäger hielt Lehrgänge nicht für notwendig, da eine entsprechende Qualifikation durch jahrelange Berufspraxis bereits vorliege. Kritische Stimmen merkten jedoch an, dass aus der Erfahrung heraus, was bei der Jagd unter hygienischen Gesichtspunkten schief gehen könne und auch schief ginge, eine Weiterbildung unbedingt von Nöten sei. Schließlich müsse die „kundige Person“ stellvertretend für den amtlichen Tierarzt in der Lage sein zu entscheiden, ob Fleisch genusstauglich sei oder nicht.

Aus Sicht des Verbrauchers ist jede Maßnahme begrüßenswert, die der Lebensmittelsicherheit und dem nachhaltigen Verbraucherschutz dient. Gerade vor dem Hintergrund des jüngsten Wildfleischskandals empfehlen Verbrauchervertreter, Wild regional zu kaufen, dort, wo man weiß, wo und wie es erlegt wurde. Hier können die Jäger am Ende die Gewinner sein, denn der zufriedene Kunde kommt wieder.

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