Naturschutzvorhaben zum Schutz der Bachmuschel erfolgreich beendet


Renaturierung von Bächen ist ein sinnvoller Beitrag zum Naturschutz

Bonn, 20. November 2000: Die Hauptursache für den fast 100%-gen Rückgang der früher weit verbreiteten Bachmuscheln (Unio crassus) ist die Verschlechterung der Wasserqualität, dazu gehört die Einleitung von Abwässern, der Eintrag von Gülle, von Düngestoffen und Pflanzenschutzmitteln, sowie die Veränderung der Gewässer durch Ausbau und Begradigung. Dies führte zu einer Veränderung der natürliche Fischfauna, der Wasserchemie und zur Verschlammung des Gewässergrundes. Damit fällt die Fortpflanzung nahezu vollständig aus.
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN), initiierte deshalb 1996 das Naturschutzvorhaben „Maßnahmen zum Schutz der Bachmuschel Unio crassus" zur Förderung beispielhafter Erprobungsmaßnahmen zum Tierartenschutz. Ziel des Vorhabens war sowohl die Verbesserung der Wasserqualität als auch die Rückführung des Ails- und des Lainbaches (Oberfranken/Bayern) in einen möglichst naturnahen Zustand. Dafür mussten am Ufer gelegene Grundstücke angekauft werden, um Platz für neue Bachschlingen und für Pufferzonen zu schaffen, die Düngemitteleinträge aus der Landwirtschaft in den Bach verhindern. Kleinere Ortskanäle mussten gebaut und über eine Druckleitung an eine Kläranlage angeschlossen werden. Das Projekt wurden im Jahre 1996 in Angriff genommen und jetzt beendet. Der Bach fließt wieder in Schlingen durch das Tal, begleitet von Büschen und Baumgruppen. Im Jahr 1999 haben noch während der Arbeiten die ersten Forellen in den neu angelegten Bachteilen abgelaicht und damit den Erfolg des Projektes angekündigt. Durch die Anlage der neuen Bachmäander wurden die wichtigsten Wirtsfische der Bachmuscheln, die Elritzen, stark gefördert und in einem Steilufer siedelte sich bereits ein Eisvogelpaar an. Sehr viele der zu Kontrollzwecken gefangenen Elritzen, trugen bereits in diesem Jahr Muschellarven an ihren Kiemen. Es besteht also die berechtigte Hoffnung, dass die heute noch ausgedünnten Bachmuschelpopulationen der beiden oberfränkischen Bäche in wenigen Jahren wieder erstarken.
Aber nicht nur die Muscheln haben von diesem Projekt profitiert. Sie gelten als „Leitart“ für ökologisch intakte Gewässer und es heißt, wo Muscheln vorkommen, sind auch die Lebensbedingungen für eine vielfältige Ufervegetation und eine reichhaltige Tierwelt vorhanden. In den neuen Bachschlingen tauchten Fischarten auf, die es vorher hier nicht gab und der größer gewordenen Fischbestand findet genügend Nahrung, weil zahllose Kleintiere im jetzt wieder sauberen Bachwasser leben können. In den Uferhöhlen hausen die seltenen Steinkrebse und Libellenarten, die man sonst nur von den Roten Listen her kennt, sind ebenfalls wieder heimisch geworden.
Das im Auftrage des BfN durchgeführte „Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben“ hat Modellcharakter und ist ein überzeugendes Argument für die Renaturierung verbauter Bäche. „Dabei kann die Natur nur gewinnen – und mit ihr der Mensch, der die Rückführung eines Gewässers in einen natürlich gewundenen Bachlauf in der Talaue als „schöne“ Landschaft empfindet, die durch das Vorkommen seltener Tierarten noch zusätzlich „aufgewertet“ wird“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Naturschutz, Prof. Dr. Hartmut Vogtmann zum Abschluss des Projektes. Vogtmann sprach sich dafür aus, das vorhandene Wissen zum Wohle der Natur wo immer möglich zu nutzen und eine natürliche Gewässerdynamik mehr noch als bisher zu ermöglichen.

Der Endbericht zu diesem Forschungsvorhaben wird in den „Schriftenreihen“ des Bundesamtes erscheinen.

Hintergrundinformation zur Bachmuschel:
Die Bachmuscheln leben tief in den kiesigen Bachboden gegraben und man muss schon sehr genau hinsehen, will man in der kleinen Erhebung da zwischen den Steinen, das Ende einer Muschel erkennen. Durch zwei schmale Öffnungen strudeln unermüdliche Flimmerhärchen einen zum Atmen notwendigen Wasserstrom zwischen die beiden Schalenhälften, aus dem gleichzeitig auch die Nahrung herausgefiltert wird. In den Frühjahrsmonaten gelangen mit dem Atemwasser auch männliche Geschlechtsprodukte in das Innere der weiblichen Muscheln, wo sich nach der Befruchtung in speziellen Kiementaschen die Muschellarven, sogenannte "Glochidien" entwickeln. Vier Wochen später werden diese Larven ausgestoßen und müssen jetzt von bestimmten Fischarten, Forellen, Groppen oder Elritzen, eingeatmet werden. Mit ihren nur 0,2 mm großen Schalenhälften, die wie winzige Schnappfallen funktionieren, heften sie sich an deren Kiemen, wo sie nun als „Parasiten“ leben. Die Wahrscheinlichkeit, den richtigen Fisch anzutreffen, ist ca.1:100.000, die meisten gehen also zugrunde. Am Wirtsfisch, der sie nun durch den Bach trägt, verwandeln sich die Larven in winzige Jungmuscheln. Wenn sie nach ca. 3-5 Wochen abfallen und auf feinen Kiesgrund treffen, graben sie sich hier für weitere 2-3 Jahre ein. Als etwa 1 cm große Muschelchen schauen sie anschließend mit ihrem Schalenende wieder über den Bachgrund und haben nun reelle Chancen hier zu Altmuscheln heranzuwachsen, um sich, sind schon genügend Artgenossen in der Umgebung, dann auch fortzupflanzen.

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Franz August Emde idw

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