Verantwortlich Landwirtschaft betreiben, heißt, bei allen Entscheidungen und Maßnahmen die Wirkungen auf die Umwelt zu beachten
Deutsche Bundesstiftung Umwelt erstmals auf der Agritechnica in Hannover
Über 250 Projekte für eine umweltgerechtere Landwirtschaft hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), Osnabrück, seit Aufnahme ihrer Fördertätigkeit 1991 unterstützt. DBU-Generalsekretär Fritz Brickwedde: „Seit einem Jahrzehnt setzen wir Akzente, die gerade jetzt im Mittelpunkt des Interesses stehen: Die Suche und Entwicklung von umweitverträglichen Produktionsformen, die auch ökonomisch tragbar sind. Die 120 Millionen Mark, die wir in diese Projekte gesteckt haben, erweisen sich als sehr zukunftsorientiert angelegt.“ Grund genug für die DBU, sich nach ihrem Engagement bei der „Grünen Woche“ in Berlin in diesem Jahr 2001 auch erstmals auf der Agritechnica (11. bis 17.November) in Hannover zu präsentieren. Der 140 Quadratmeter große Stand (H 04) der DBU ist in Halle 18 zu finden.
Vor allem die Tatsache, dass mehr als fünfzig Prozent der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt würden, verdeutliche die Bedeutung des DBU-Engagements in diesem Bereich: „Wir wollen unsere Anwesenheit bei der Agritechnica in Hannover nutzen, um einen zentralen Bereich unserer Förderung einer interessierten Fachöffentlichkeit näher zu bringen“, erläutert Brickwedde. Mit ihrer Teilnahme an der „Grünen Woche“ und der Agritechnica lässt es die Stiftung noch nicht gut sein. Eine in diesem Jahr neu aufgelegte, 44-seitige neue Broschüre der DBU mit dem Titel „Neue Chancen für Landwirtschaft und Umwelt“ zeigt mit 16 Projektbeispielen, dass es Wege der modernen Agrarproduktion gebe, von denen Bauern und Umwelt gleichermaßen profitierten.
Vor zehn Jahren, als die DBU mit der Förderung begonnen habe, hätte der Umweltschutz noch als unpopuläre und unwirtschaftliche Belastung gegolten. Die Projektpartner hätten jedoch bewiesen, dass Ökologie und Ökonomie sich in der Landwirtschaft nicht ausschließen, so Brickwedde: „Wir haben Projekte gefördert, die innovative, umweltverträgliche Landnutzungsformen demonstrieren und vor allem deren Verbreitung in der Praxis unterstützen.“
Chemische Pflanzenschutzmittel zur Unkrautbekämpfung hätten den größten Anteil an allen eingesetzten Pflanzenschutzmitteln. In Deutschland machten sie rund 45 Prozent der verkauften Pflanzenschutzmittel aus – das pro Jahr insgesamt 16.000 Tonnen. Auf Ackerflächen träten viele Unkrautarten in Nestern oder Streifen auf. Bei der chemischen Unkrautkontrolle werde diese ungleiche Verteilung bisher wenig berücksichtigt. Pflanzenschutzmittel würden meist flächendeckend auf dem gesamten Acker eingesetzt. Brickwedde: „Könnten Pflanzenschutzmittel teilflächengenau ausgebracht werden, ließe sich ihr Einsatz um bis zu 80 Prozent verringern.“
Am Institut für Pflanzenbau der Universität Bonn werde deshalb mithilfe der DBU ein Verfahren entwickelt, das helfe, Pflanzenschutzmittel gezielt auszubringen. Dazu würden Unkräuter mit hoch auflösenden Kameras erfasst und diese Daten an einen Schlepper mit einem Ortungssystem weiter geleitet. Das übermittele über einen Bordrechner Daten an einen Spritzcomputer, der einzelne Düsen der Pflanzenschutzspritze anwähle. Über ein Direkteinspeisungssystem könnten Nester verschiedener Unkrautarten künftig mit den jeweils passenden Pflanzenschutzmitteln behandelt werden.
Das Projekt werde in Getreide-, Raps- und Zuckerrübenflächen erarbeitet und erprobt. Die Firma Thecon (Liebenburg) und die Universität Bonn entwickelten die Software, die Firma Rau (Weilheim/Teck) werde die neue Feldspritze als marktfähiges Produkt zusammenstellen und in der landwirtschaftlichen Praxis erproben. Brickwedde: „Mithilfe dieser Techniken können Unkräuter auf dem Acker präziser bekämpft und Pflanzenschutzmittel in großem Umfang eingespart werden. Das Verfahren kann mit bereits bestehenden Methoden zur teilschlagspezifischen Düngung kombiniert werden und bildet so eine zukunftsorientierte Ergänzung der integrierten Pflanzenproduktion.“
Auch die Bekämpfung von Schädlingen stelle bisher ein Problem dar, für dessen Lösung die Landwirtschaft oft nur den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln kenne. Schermäuse zum Beispiel richteten im kommerziellen Obstbau erhebliche Schäden an. Die Wühlmäuse legten ein weit verzweigtes unterirdisches Gangsystem an und fräßen die Wurzeln von Obstbäumen vollständig ab. Im Erwerbsobstbau würden zur Wühlmausbekämpfung bisher verschiedene Arten von Giftködern eingesetzt, die allerdings schädliche Auswirkungen auf die Umwelt hätten und andere freilebende Tiere vergiften könnten. Außerdem sei das Ausbringen der Giftköder arbeitsaufwändig, die Zeitdauer der Wirksamkeit begrenzt und die Anwendung bei gefrorenem Boden im Winter oftmals nicht möglich.
Ziel des neuartigen DBU-Projektes sei die Perfektionierung eines „Ortungsverfahrens“, das auf Körperschall beruhe. Die Schermaus sende beim Wurzelfraß Schallsignale aus, die erfasst werden könnten. Licht- und Funksignale lösten dann einen Alarm aus. Nach dieser „Alarmmeldung“ werde Kohlendioxid (CO2) in die unterirdischen Gänge eingeleitet, um die Tiere zu töten. Die CO2 -Bekämpfung unter Verwendung von Trockeneis solle zur Praxisreife gebracht werden, damit auf flüssiges Druckflaschen-CO2 verzichtet werden könne.
Die Universität Hannover betreue die Praxisversuche im Freiland mit einem kommerziellen Obstbaubetrieb aus Jork. Die Firma Procos (Hannover) werde die Gerätetechnik zur Serienreife entwickeln. Das Verfahren sei tierschutzgerecht, die neue Technik robust und frei von negativen ökologischen Folgewirkungen. Das eingesetzte Trockeneis stamme aus atmosphärischem CO2, das nach der Anwendung wiederum der Atmosphäre zugeführt werde, so dass eine zusätzliche klimatische Belastung nicht entstehe. Der Einsatz der Geräte sei für den Erwerbsobstbau sowie für den Weinbau vorgesehen – die Anwendung im Hobbygartenbereich solle ebenfalls möglich werden.
„Verantwortlich Landwirtschaft zu betreiben, heißt, bei allen Entscheidungen und Maßnahmen die Wirkungen auf die Umwelt zu beachten. Bei dieser schwierigen Aufgabe wollen wir den Landwirten helfen“, betont Brickwedde. Die DBU-Publikation kann bei der DBU, An der Bornau 2, 49090 Osnabrück, Telefon 0541/9633-0, bezogen werden.
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