Kenntnisstand über BSE ungenügend


Stellungnahme der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock

Die agrarwissenschaftlichen Lehr- und Forschungseinrichtungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern stellen fest, dass der Kenntnisstand über die Gehirnerkrankung bei Rindern (BSE) ungenügend ist.

Das gegenwärtige Wissen um diese Erkrankung reicht nicht aus, um

  • die exakten Mechanismen der Entstehung der Erkrankung,
  • die Verbreitung der BSE und den Übertragungsweg beim Rind sowie über die Tierart Rind     hinaus,
  • Aussagen über die minimale infektiöse Dosis
  • die mögliche Verwertung von Tiermehl im biologischen Kreislauf,
  • eine Diagnose am lebenden Tier

definitiv zu beurteilen und eine Bewertung mit Schlussfolgerungen für wissenschaftlich begründete Entscheidungen vornehmen zu können.

Alle Entscheidungen und Handlungen im Zuge der BSE-Krise sind von der Vorsorge für den Verbraucher getragen, ohne dass jede Entscheidung wissenschaftlich begründbar ist. Das trifft auch für die Maßnahme der Bestandskeulung zu, auch wenn dem vorsorgenden Verbraucherschutz Priorität einzuräumen ist und das Vertrauen der Verbraucher in das Rindfleisch und gegenüber den Landwirten schnell wieder hergestellt werden muss, ist das Keulen ganzer Tierbestände beim Auftreten eines BSE-infizierten Einzeltieres aus verschiedenen Gründen diskussionswürdig und wissenschaftlich nicht zu begründen. Durch Maßnahmen wie Kohortenschlachtungen, eine umfassende und sichere Entfernung und Beseitigung der Risikogewebe und Modifikationen des Schlacht- und Zerlegeprozesses zur Vermeidung der Kontamination von risikoarmem Muskelgewebe, könnte aus heutiger Sicht dem vorbeugenden Verbraucherschutz ebenso Rechnung getragen werden. Es müssen wieder solide Informationen zum Erkrankungsgeschehen und den Risiken zur Beruhigung der Gemüter dominieren, gegenüber medienträchtigen, ideologisierten Darstellungen, die eher die allgemeine Verunsicherung schüren.

Das Umdenken bei den politischen Entscheidungsträgern in Richtung eines neuen Ansatzes in der Agrarpolitik in Deutschland ist eine Konsequenz aus der BSE-Krise. Um zu einem neuen Ansatz in der Agrarpolitik zu kommen, sind kritische und fundierte Analysen notwendig. Das alleinige Umschalten auf eine extensive Landwirtschaft und den ökologischen Landbau wird einem neuen Ansatz in der Agrarpolitik nicht gerecht. Es geht vielmehr darum, verbraucher-, qualitäts- und marktgerecht nach wissenschaftlich begründeten, ökologisch orientierten und nachhaltig wirkenden Grundsätzen die Landwirtschaft insgesamt und die Rinderproduktion im besonderen zu organisieren. Dabei ist Transparenz in allen Bereichen der Produktion zu sichern und das vom Boden über das Futter zum Tier, vom Tier über den Schlachtprozess bis hin zur Ladentheke.

Neben der Transparenz ist die Definition der Qualität des tierischen Produktes entscheidend. Ein Produkt ist nicht deshalb gut, weil es aus dem ökologischen Landbau kommt, sondern es muss vielmehr definierte Kriterien der Tierhaltung, der Fütterung und Hygiene erfüllen, die für alle Produktionsformen und Regionen die gleichen sind.
Die Agrarwissenschaft stellt fest, dass dieses nur möglich ist, wenn alle Beteiligten ihren Beitrag zur Klärung leisten – der Landwirt, die Futtermittel- und Lebensmittelindustrie, der Handel, die Wissenschaft und die Politik.

Ziel muss es sein, den Krankheitsverlauf zu entschlüsseln und akzeptable Kontrollmechanismen zu entwickeln.
Die Agrarwissenschaft stellt sich den Aufgaben des Landes und sieht dabei folgende Schwerpunkte:

  • Organisation einer verbraucher-, qualitäts- und marktgerechten Agrarstruktur, die nach den Prinzipien der ökologischen und nachhaltigen Produktion wirtschaftet.
  • Sicherung der Transparenz in allen Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion vom Acker bis zur Ladentheke,
  • Optimierung von landwirtschaftlichen Produktionsverfahren und Aufzeigen von Alternativen zur Sicherung der Rentabilität der landwirtschaftlichen Unternehmen.

Die agrarwissenschaftlichen Einrichtungen des Landes stehen dazu, die Neuorientierung
in der landwirtschaftlichen Produktion wissenschaftlich zu begleiten und kurzfristig Empfehlungen zu erarbeiten. Diese Maßnahmen werden sich in einem Aktionsprogramm der Forschung widerspiegeln.


Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei MV
Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere
Fachhochschule Neubrandenburg, FB Agrarwirtschaft und Landesarchitektur
Universität Rostock, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Martin Gabel
T: 0381 498 2171

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