Gefährlicher Getreidepilz
Die Ernährung der Weltbevölkerung ist vom Getreide abhängig. Pflanzenkrankheiten wie der Rostpilz können da schnell zur Katastrophe führen, wenn sie sich ungehindert ausbreiten. Ein aktuelles Beispiel ist „Ug-99“: Diese neue Variante des Schwarzrost-Pilzes vermehrt sich in Afrika auf Weizen plötzlich rasant und führt dort zu großen Ernteverlusten. Wissenschaftler der Universität Münster erforschen das Erbgut der Rostpilze, um zu verstehen, warum sich die neue Pilzvariante auf einmal so stark ausbreitet.
Das komplexe Zusammenspiel von Pilz und Pflanze steht bei der Arbeitsgruppe „Molekulare Phytopathologie“ des Instituts für Biochemie und Biotechnologie der Pflanzen im Mittelpunkt. Die münsterschen Biologen erforschen unter der Leitung von Prof. Dr. Bruno Moerschbacher nicht nur das Erbgut der Rostpilze, sondern auch das des Weizens, ihrer Wirtspflanze.
Ug-99 befällt Weizenzuchtlinien, die bis vor kurzem als resistent gegenüber dem Schwarzrost galten – die Pflanzen besitzen ein oder mehrere bislang molekular nicht identifizierte „Resistenzgene“.
Während die anderen Schwarzrost-Rassen dem resistenten Weizen kaum etwas anhaben können, hat die neue Variante den Resistenzmechanismus überwunden. „Ich vergleiche das Genom und das Transkriptom der neuen Pilzvariante mit dem Genom anderer Rassen des Schwarzrosts, um die Unterschiede zu finden, die die Ausbreitung von Ug-99 ermöglichen“, erklärt Sabine Fehser, Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe.
Ihre Kollegin Jennifer Moldenhauer untersucht einen ähnlichen Pilz, den Gelbrost. Während der Schwarzrost meist auf dem Halm der Getreidepflanzen vorkommt und dort braune Pusteln bildet, befällt der Gelbrost die Blätter und bildet gelbe Streifen. Die Weizenzuchtlinie Kariega ist resistent gegenüber dem Gelbrost, jedenfalls als ausgewachsene Pflanze: Die erwachsenen Weizenpflanzen entwickeln eine so genannte Altersresistenz, die bewirkt, dass bei ihnen einzelne Zellen, die vom Pilz befallen werden, sofort absterben.
Der Pilz wird dadurch abgetötet, bevor er weitere Zellen befallen und schließlich ganze Pflanzenteile bedecken kann. Bei Kariega sind mindestens vier Gene an der Resistenz beteiligt. Welche im einzelnen das sind, ist aber nicht geklärt. Jennifer Moldenhauer versucht, sie zu identifizieren. „Ich fische im Dunkeln – Weizen hat ein sehr großes Genom, von dem die DNA-Sequenz bislang nicht bekannt ist“, erklärt die junge Biologin die Schwierigkeiten ihrer Arbeit.
Es gibt zwar Pflanzenschutzmittel, die gegen Rostpilze wirksam sind.
Allerdings ist der flächendeckende Einsatz von solchen Fungiziden keine Alternative zu der Aussaat widerstandsfähiger Pflanzen. Zum einen soll die Umweltbelastung gering gehalten werden, zum anderen sind solche Mittel teuer. „Gerade in Entwicklungsländern sind sie für die Bevölkerung oft unerschwinglich“, so Jennifer Moldenhauer.
Wären die Resistenzgene von Kariega bekannt, könnte man den Mechanismus, der die erwachsenen Pflanzen schützt, in Zukunft möglicherweise auch auf die jungen Weizenpflanzen übertragen. Die Erkenntnisse könnten vielleicht auch dazu beitragen, Ug-99 in Schach zu halten.
Die münsterschen Biologen arbeiten nur mit totem Material des Ug-99-Pilzes und verhindern damit, dass sie Pilzsporen aus Afrika einschleppen. Für Studien am „lebenden Objekt“ haben sie mit Kollegen aus Südafrika zusammengearbeitet und suchen nun einen Kooperationspartner in Ostafrika, dem natürlichen Verbreitungsgebiet der Rasse Ug-99. Den „normalen“ Schwarzrost erforschen sie in ihren münsterschen Labors: Die Arbeitsgruppe ist die einzige weltweit, der es gelingt, den Pilz in einer Nährkultur ohne die Wirtspflanze Weizen zu vermehren.
Zwar würde sich Ug-99 bei uns aufgrund der relativ kühlen klimatischen Bedingungen nicht dauerhaft ansiedeln, selbst falls zum Beispiel Urlauber Sporen des Pilzes einschleppen sollten. Für wärmere Regionen der Erde wie die USA oder Süd- und Südostasien stellt diese Variante des Rostpilzes jedoch eine ernstzunehmende Bedrohung dar. „Die weitere Ausbreitung von Ug-99 ist nur eine Frage der Zeit“, erklärt Prof. Moerschbacher.
Das Problem dabei liegt darin, dass in großen Teilen der Welt Getreidesorten mit dem Resistenzgen Sr31 angebaut werden, das von Ug-99 überwunden wird. Und eine ausreichende Menge an Saatgut anderer Zuchtlinien lässt sich nicht einfach produzieren. „Es gibt zwar resistente Weizensorten“, so Prof. Moerschbacher. „Allerdings sind die weniger ertragreich und nicht an alle klimatischen Bedingungen angepasst.“ Zuchtprogramme, die neue resistente und ertragreiche Weizenpflanzen hervorbringen sollen, sind angelaufen – bis brauchbare Sorten entstehen, werden allerdings Jahre vergehen. Bis dahin kann nur versucht werden, die Ausbreitung von Ug-99 durch Vorsichtsmaßnahmen wie eine flächendeckende Überwachung und den gezielten Einsatz von Fungiziden einzudämmen.
Vor Ug-99 relativ sicher fühlten sich bisher die Australier, verrät Jennifer Moldenhauer. „Die bauen eine für das australische Klima geeignete Weizenzuchtlinie mit anderen Resistenzmechanismen an – sie finden, der Teig klebt dann weniger beim Backen.“ Allerdings wurde gerade eine neue Variante von Ug-99 gefunden, die auch diese Resistenz überwunden hat.
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