Fischzucht: Kampf der Lachslaus
Ein neues Verfahren soll Fische effektiv und schonend von den gefährlichen Parasiten befreien
Sie ist ein Alptraum für Fischzüchter, richtet Millionenschäden an und macht auch freilebenden Lachsen zunehmend zu schaffen: Auf einer Liste der berüchtigtsten Fischparasiten dürfte die Lachslaus ziemlich weit oben landen. In einem neuen Projekt entwickeln AWI-Fachleute zusammen mit mehreren Partnern nun ein neues Verfahren, das die Fische effektiver und schonender als bisher von den Plagegeistern befreien soll.
Ob als Steak, auf dem Brötchen oder in der Lasagne: Lachs gehört in Deutschland zu den beliebtesten Speisefischen überhaupt. Nach einer Statistik des Fisch-Informationszentrums (FIZ) werden hierzulande pro Kopf und Jahr insgesamt mehr als 13 Kilogramm Fisch verzehrt. Und davon entfielen im Jahr 2019 mehr als 17 Prozent auf Lachs. Tendenz steigend. Um die auch in anderen Ländern hohe Nachfrage zu befriedigen, werden die populären Fische inzwischen in großen Farmen im Meer gezüchtet. Vor allem in den norwegischen Fjorden, aber auch vor den Küsten Chiles, Schottlands und Irlands haben Züchter große Gehege installiert, hinter deren Netzen die Lachse heranwachsen.
Für die Betreiber solcher Aquakulturen aber ist die Lachslaus (Lepeophtheirus salmonis) ein echter Alptraum. Denn in den eng besetzten Gehegen findet dieser Parasit perfekte Bedingungen, um sich rasant auszubreiten. Die Eier der kleinen Krebstiere schwimmen im Wasser und entwickeln sich dort zu Larven, die nur ein Ziel haben: einen Lachs finden, an dessen Körper sie geschlechtsreif werden können. „Diese Larven suchen aktiv nach geeigneten Wirten“, erklärt Kai Lorkowski, der am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar-und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven das Zentrum für Aquakulturforschung leitet. „Sie können zwar etwa 14 Tage lang frei umherschwimmen. Spätestens dann aber brauchen sie einen Lachs.“
Wenn sie fündig werden, ist das Opfer nicht zu beneiden. Denn der Nachwuchs der Mini-Krebse beißt sich an dessen Körper fest und ernährt sich von seinem Gewebe, seinem Schleim und Blut. Und je älter er wird, umso mehr wächst sein Appetit. Oft schwächen die Larven die Lachse dann nicht nur, sondern fügen ihnen auch größere Wunden zu, die sich infizieren können. „Ein Befall von 20 bis 30 Lachsläusen kann für das Opfer tödlich sein“, sagt Kai Lorkowski.
Allein für die norwegischen Betriebe führt das in manchen Jahren zu Verlusten von mehreren hundert Millionen Euro. Schätzungen zufolge entfallen etwa zehn Prozent der Kosten, die bei der Lachsaufzucht zu Buche schlagen, allein auf die Bekämpfung dieses Parasiten. Zudem können befallene Zuchtlachse sehr leicht auch zur Infektionsquelle für ihre freilebenden Verwandten werden. Schließlich geben die geschlechtsreif gewordenen Krebse ihre Eier ins Wasser ab, durch die Netze der Aquakulturen gelangen diese ungehindert ins Meer. Da brauchen nur ein paar Wildlachse vorbei zu schwimmen, schon haben sich auch die den Parasiten eingehandelt.
Grund genug also, die Fische von den lästigen und gefährlichen Anhängseln zu befreien. Dafür gibt es durchaus schon funktionierende Verfahren, die allerdings ihre Tücken haben. Eines besteht zum Beispiel darin, das Wasser in den Gehegen mit Wasserstoffperoxid (H2O2) zu behandeln und die Läuse so chemisch abzutöten. Das hat allerdings nicht nur den Nachteil, dass man dabei eine Chemikalie in die Umwelt einbringt. Mit der Zeit können die Parasiten auch resistent dagegen werden.
Bei anderen Ansätzen versucht man daher, die Läuse mechanisch vom Fisch zu trennen. Dazu pumpt man die Lachse zunächst aus ihrem Gehege auf ein Schiff, wo sie eine Behandlungsstrecke durchlaufen. Die kann zum Beispiel aus einem etwa 30 Grad warmen Wasserbad bestehen, in das man die Fische kurz eintaucht. Das bringt die Parasiten dazu, von ihren Wirten abzulassen, sodass man sie dann aus dem Wasser filtern und abtöten kann. Allerdings ist das ein sehr energieaufwendiges Verfahren, das von den norwegischen Behörden nicht nur deshalb kritisch gesehen wird. Dazu kommt, dass auch die Lachse für so hohe Wassertemperaturen nichts übrig haben. „Diese Prozedur ist für die Tiere der pure Stress“, sagt Kai Lorkowski. Das gleiche gilt auch für ein ähnliches Verfahren, das statt auf warmes Wasser auf ein mechanisches Abspritzen der befallenen Tiere setzt – eine Art Waschanlage für Fische.
Gefragt ist deshalb eine Methode, die Lachse effektiver und fischschonender von den Parasiten befreien kann. Eine Idee dafür, die auf dem kombinierten Einsatz von Ultraschall und Infrarotlicht beruht, hat Guido Becker von der Firma Technische Innovations Leistungen (TIL) bereits entwickelt. In dem neuen Projekt wollen Kai Lorkowski und sein Team diese Idee nun zusammen mit weiteren Partnern in die Praxis umsetzen. Ähnlich wie bisher sollen die befallenen Fische dabei in einer auf einem Schiff installierten Anlage behandelt werden. Nur eben mit einem neuartigen Verfahren.
Die Gesamtkoordination des Vorhabens hat das Technologie-Transfer-Zentrum (ttz) Bremerhaven übernommen, das auch einen Prototypen für die Behandlungsanlage entwickeln wird. Für die Infrarotgeräte ist die Micor GmbH mit im Boot, für die Ultraschallbäder die Firma Purima und als Aquakultur-Spezialist das Unternehmen glammeier+john aquakultur. Gefördert wird das bis Mai 2022 laufende Vorhaben vom Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
„Wir am AWI übernehmen den biologischen Teil der Forschung“, erklärt Kai Lorkowski. Schon länger ist bekannt, dass man Bakterien und andere kleine Lebewesen durch den sogenannten Kavitationseffekt töten kann. Dazu versetzt man deren Zellen durch Ultraschall in Schwingungen, bis diese platzen. Bei der Lachslaus könnte das auch funktionieren. Zumindest dürfte die Beschallung dazu führen, dass sie ihr Opfer loslässt. Unterstützt werden soll der Effekt durch das Infrarotlicht, das gezielt die Parasiten, nicht aber den ganzen Fisch erwärmen soll. Welche Ultraschallfrequenzen aber schaden zwar dem Parasiten, nicht aber dem Fisch? Wie lange muss das Infrarotlicht einwirken? Und wie bekommt man die von ihren Wirten getrennten Läuse am besten aus dem Wasser? Solche Details will das Team aus Bremerhaven im Rahmen des Projekts austüfteln. Damit die Lachse mehr Ruhe vor gefräßigen Anhängseln haben.
Hinweise für Redaktionen
Ihre wissenschaftlichen Ansprechpartner im Alfred-Wegener-Institut sind:
– Kai Lorkowski, Tel. 0471 4831 2705, E-Mail: kai.lorkowski(at)awi.de
– Gregor Jaehne, Tel. 0471 4831 2733, E-Mail: gregor.jaehne(at)awi.de
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Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 19 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
Weitere Informationen:
https://www.awi.de/forschung/besondere-gruppen/aquakultur/aquakulturforschung.ht…
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