Gebrannte Pferdekinder: Stress für Fohlen beim Brennen und Setzen von Mikrochips gleich

Viele Tierärzte bevorzugen das Implantieren von Mikrochips gegenüber der traditionellen Methode des Fohlenbrennens mit Brandzeichen. Vertreter von Pferdezuchtverbänden bestreiten wiederum, dass das Fohlenbrennen den Tieren Stress und Schmerzen verursacht. Doch wie erleben das die Fohlen selbst? Ein Forschungsteam um Christine Aurich von der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat diese Frage untersucht, ihre überraschenden Ergebnisse sind soeben in der Zeitschrift „The Veterinary Journal“ online erschienen.

Nutztiere, Pferde und Haustiere müssen schnell individuell unterscheidbar sein. Tiere auf Bauernhöfen werden mit Brandzeichen oder Ohrmarken gekennzeichnet, Hunde und Katzen bekommen heute vermehrt Mikrochips unter die Haut implantiert. Pferden werden traditionellerweise Brandzeichen verpasst, jedoch verbreitet sich in vielen Ländern auch bei diesen Tieren das Einpflanzen von Mikrochips. In Österreich und Deutschland ist das Fohlenbrennen nach wie vor erlaubt. Deutschland ist aber bestrebt, dem Vorbild Dänemarks zu folgen, wo Brandzeichen seit 2009 verboten sind. Ähnliche Verbotsinitiativen gibt es in den USA und Australien. Grundlage für die Ablehnung von Brandzeichen ist die Annahme, dass das Einsetzen von Mikrochips den Tieren weniger Stress verursacht, aber stimmt das? Die Forschungsgruppe von Christine Aurich an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni Vienna) konnte nun zeigen, dass Chippen und Brennen sich in den kurzfristigen Folgen für Fohlen weit weniger unterscheiden, als besonders Tierschutzaktivisten oft behaupten. Die beim Markieren mit Brandzeichen entstehenden Verletzungen der Pferdehaut könnten jedoch nach den neuen Ergebnissen das Wohlbefinden der Tiere mittelfristig beeinträchtigen.

Gleich viel Kurzzeitstress

Frühere Studien ließen vermuten, dass das Verbrennen der Haut durch das
Anbringen von Brandzeichen Pferden deutlich mehr Stress verursacht, als das Implantieren von Mikrochips. Diese Studien wurden jedoch bei ausgewachsenen Tieren gemacht, obwohl Pferde meist schon als junge Fohlen markiert werden. Da die Auswirkungen des Fohlenbrennens aber noch nie direkt bei Fohlen untersucht wurden, nahm sich Regina Erber aus Aurichs Team nun auch dieser Frage an. In Zusammenarbeit mit anderen Forschenden an der Vetmeduni Vienna untersuchte sie, wie viel vom Stresshormon Kortisol der Speichel von Fohlen enthält, wenn sie entweder Brandzeichen oder Mikrochips erhielten. Zudem untersuchte Erber das Verhalten der Tiere, ihre Körpertemperatur und Herzschlagfrequenz während des Eingriffs und auch danach. Die Ergebnisse zeigen, dass beide Markierungsmethoden den Tieren nahezu gleich viel akuten Stress verursachten. Der Stresshormonspiegel stieg ähnlich stark an, zudem zeigten die Tiere sehr ähnliche Muster beim vorübergehenden Anstieg der Herzschlagrate und im Vermeidungsverhalten. Beide Markierungsmethoden scheinen also sehr ähnliche Änderungen in Verhalten und Physiologie der Fohlen hervorzurufen. Der Umgang mit den Tieren bei der Markierungsprozedur, wie beispielsweise das Festhalten, scheint also eine viel größere Wirkung auf die Tiere zu haben, als der kurze Moment des Chippens oder Brennens selbst.

Risiko durch Hautverbrennungen

Das Anbringen der Brandzeichen führte jedoch zu Hautverbrennungen, die erst nach einer Woche wieder abgeheilt waren. Zudem beobachtete Erber eine allgemeine Erhöhung der Hauttemperatur nach dem Anbringen der Brandzeichen, die einige Tage lang anhielt. Dieses Phänomen tritt auch bei Menschen mit schweren Verbrennungen auf. Der Temperaturanstieg über die gesamte Haut fehlte jedoch bei den Tieren, denen ein Chip eingepflanzt wurde. Die Schäden am Hautgewebe, die durch das Brennen entstehen, sind den neuen Ergebnissen nach deutlich schwerer, als bisher vermutet.

Im Unterschied zu ausgewachsenen Pferden erleiden Fohlen also sehr ähnlichen Stress, egal, ob durch das Markieren durch Fohlenbrennen oder das Implantieren von Mikrochips. Die heißen Brandeisen verursachen aber längerfristige Veränderungen, als das Implantieren von Chips. Aurich dazu: „Das Fohlenbrennen, jedoch nicht die Implantation des Chips, verursacht eine nekrotische Verbrennungswunde und einen allgemeinen Anstieg der Hauttemperatur an der Oberfläche, beides weist auf eine deutliche Schädigung des Gewebes hin. Studien, die nur die akute Stressantwort betrachten, führen zu einer Unterbewertung der Auswirkung des Fohlenbrennens auf das Wohlbefinden der Tiere.“

Der Artikel “Physiological and behavioural responses of young horses to hot iron branding and microchip implantation” von Regina Erber, Manuela Wulf, Mareike Becker-Birck, Susanne Kaps, Jörg Aurich, Erich Möstl und Christine Aurich wurde soeben online in der Zeitschrift „The Veterinary Journal“ veröffentlicht. Die Arbeiten dafür wurden am Graf Lehndorff Institut für Pferdewissenschaften gemacht, einer gemeinsamen Forschungseinheit der Vetmeduni Vienna und des Gestüts des deutschen Bundeslandes Brandenburg in Neustadt, Dosse (D).

Der wissenschaftliche Artikel im Volltext online:
http://dx.doi.org/10.1016/j.tvjl.2011.08.008
Rückfragehinweis
Ao.Univ.Prof. Dr. Christine Aurich
Klinik für Pferde
Veterinärmedizinische Universität Wien
E christine.aurich@vetmeduni.ac.at
T +43 664 60257-6400
Aussender
Mag. Klaus Wassermann
E klaus.wassermann@vetmeduni.ac.at
T +43 1 25077-1153

Media Contact

Beate Zöchmeister idw

Weitere Informationen:

http://www.vetmeduni.ac.at

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