Hereingebeten oder ausgesperrt: Zwei molekulare Regulatoren entscheiden über Anfälligkeit und Resistenz gegen Mehltau
Jeder Hobbygärtner kennt ihn, denn man findet ihn auf Gräsern, Obst-, Gemüse- oder Zierpflanzen. Als Krankheitserreger haben sich die Mitglieder der Pilzfamilie „Echter Mehltau“ an die unterschiedlichsten Pflanzen angepasst. Wie ein pudriger, weißer Belag bedeckt das Geflecht aus Pilzfäden die Stängel, Blätter und Früchte ihrer Wirte. Mit diesen Pilzfäden bohrt sich der Pilz durch die Zellwände und verschafft sich Zugang zu den pflanzlichen Nährstoffen. Als Haustorien bezeichnet man diese Saugorgane, mit denen sich der Pilz in den Zellen verankert.
Bei vielen Getreidesorten kann eine Infektion mit Echtem Mehltau zu Ernteverlusten von bis zu 30% führen. In Mitteleuropa wird das hohe Schadpotential der Pilze jedoch meistens erfolgreich mit Fungiziden oder dem Anbau resistenter Kulturpflanzen kontrolliert. „Das eigentliche Problem liegt in der hohen Anpassungsfähigkeit der Echten Mehltaupilze.“, sagt Ralph Hückelhoven, Leiter des Lehrstuhls für Phytopathologie der Technischen Universität München (TUM). „Der Pilz erfindet gewissermaßen immer wieder neue Virulenzstrategien, mit denen er die Resistenzen gezüchteter Pflanzensorten überwindet oder wird selbst innerhalb kurzer Zeit gegen Pflanzenschutzmittel resistent.“ In den 90er Jahren führte man beispielsweise Strobilurine als Getreidefungizid auf dem Markt ein, gegen die der Erreger bereits nach wenigen Jahren resistent wurde.
Einen langfristigen Vorsprung im Wettlauf mit dem Pilz versprechen sich viele Wissenschaftler daher von einer erfolgreichen Immunabwehr der Pflanze, an die sich der Pilz nicht so rasch anpassen kann. Ralph Hückelhoven erforscht die Infektionsstrategie der Echten Mehltauart Blumeria graminis forma specialis (f. sp.) hordei bereits seit über zehn Jahren an der Gerste. Sein Forscherteam hat zwei vielversprechende Schlüsselfaktoren in der Gerste entdeckt, die entscheidend daran mitwirken, ob die Invasion des Pilzes gelingt oder nicht.
Bei dem ersten Protein handelt es sich um das G-Protein RACB, das an vielen wichtigen Entwicklungsprozessen der Pflanze beteiligt ist, wie beispielsweise dem Wachstum von Wurzelhaaren. G-Proteine funktionieren wie molekulare Schalter, die durch Signale aus der Umwelt aktiviert werden und daraufhin eine Kette nachgeschalteter Prozesse einleiten. Bereits 2002 stellte Hückelhovens Team fest, dass RACB die Infektion des Pilzes unterstützt. Bei dem anderen Faktor handelt es sich um ein neu entdecktes Protein, das MAGA-Protein 1 (MAGAP1). MAGAP1 fungiert als Gegenspieler von RACB und unterstützt die Resistenz der Gerste gegen den Echten Mehltau.
Wie der Pilz die Pflanze umprogrammiert
In ihrer kürzlich veröffentlichten Studie gingen die Wissenschaftler der RACB-gesteuerten Mehltauanfälligkeit und der Funktion seines Antagonisten MAGAP1 auf den Grund. Sie erzeugten genetisch manipulierte Gerstenpflanzen, in denen RACB oder MAGAP1 ausgeschaltet war und koppelten beide Faktoren an fluoreszierende Proteine, um deren Verteilung in der Zelle bei einer Pilzinfektion zu beobachten. Fehlte RACB, waren die Pflanzen nur halb so anfällig für eine Mehltauinfektion. Umgekehrt wurden in Zellen, die kein MAGAP1 besaßen, bis zu 50% mehr Haustorien gebildet.
Beide Proteine, so zeigten die mikroskopischen Untersuchungen, sind entscheidend an einem Umbau der Zellarchitektur beteiligt. „Der Pilz muss nicht nur die Immunabwehr der Pflanzen austricksen, sondern die Pflanze so umprogrammieren, dass sie ihm Einlass gewährt und ihn beim Bau der Haustorien unterstützt.“, erklärt Hückelhoven. Das Zytoskelett, das die Zellwand von Pflanzenzellen verstärkt, besteht aus faserartigen Proteinkomplexen, die sich in ständigem Umbau befinden. RACB, das beispielsweise auch Wurzelzellen hilft, ihre Oberfläche zu vergrößern, lockert dieses Netzwerk und erleichtert dem Pilz, seine Pilzfäden in die Pflanzenzelle einzustülpen. „Mit der Ausbildung des Haustoriums zwingt der Pilz die Pflanze ein neues Kompartiment aus Plasmamembran um ihn herumzubauen. Dieses ist stark verzweigt und bildet gewissermaßen das Ernährungsorgan des Pilzes.“, so Hückelhoven. „Durch die vergrößerte Oberfläche der Plasmamembran kann der Pilz effizient Nährstoffe aus der Pflanze akquirieren.“
MAGAP1 schlägt dem Pilz die Tür vor der Nase zu
Besitzen Gerstenpflanzen jedoch eine gut funktionierende Abwehr, versperrt sie dem Pilz den Zugang. Das MAGAP1 Protein wandert dann mit den Zytoskelettfasern an den Ort, wo der Pilz die Zellwand attackiert. Dort schaltet es das RACB Protein ab und hilft der Zelle, ihre Transportmaschinerie umzubauen und auf die Eintrittsstelle zu fokussieren. „Die auf den Punkt der Invasion ausgerichteten Zytoskelettelemente sind dann wie Autobahnen, auf denen die Zelle Abwehrkomponenten zur Zellwand hin transportiert, um eine für den Pilz unüberwindbare Barriere aufzubauen.“, beschreibt Hückelhoven den Abwehrprozess.
Biotechnologische Tricks sollen Pflanzen einen evolutionsbiologischen Vorsprung verschaffen
Diese neuen Erkenntnisse könnten auch helfen, neue mehltauresistente Kulturpflanzen auf biotechnologischem Wege zu züchten. Allerdings lassen sich Millionen Jahre evolutionsbiologischer Anpassung dabei nicht einfach übergehen. Pflanzen, bei denen die Forscher den Anfälligkeitsfaktor RACB ausschalteten, waren zwar widerstandsfähiger gegen den Pilz, aber sie entwickelten auch keine Wurzelhaare, die für die Aufnahme von Wasser und Nährsalzen wichtig sind. „Die Invasionsstrategie des Pilzes ist wahrscheinlich deshalb so erfolgreich, weil er sich für die Manipulation der Pflanze einen Faktor ausgesucht hat, auf den die Pflanze nicht verzichten kann. Deshalb ist es gewissermaßen schwierig für die Pflanze sich davon weg zu evolvieren“, sagt Hückelhoven.
In einem neuen vom BMBF geförderten Projekt kooperieren die Wissenschaftler mit Forschern des Leibniz-Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), um das Problem mit einem gentechnischen Trick zu überwinden. Das Team um Patrick Schweizer hat einen Genschalter entwickelt, mit dem sich RACB gezielt nur in befallenen Zellen ausschalten lässt. „Dies wäre eine neue, sehr elegante Methode den Pilz auszutricksen.“, freut sich Hückelhoven. „Zwar hat sich der Pilz einen Faktor ausgesucht, auf den die Pflanze nicht verzichten kann, doch in der einzelnen Zelle ist er verzichtbar.“
Auf der Suche nach der molekularen Achillesferse
Im Laufe der Evolution haben sich die unterschiedlichen Mehltauarten an die Abwehr ihrer Wirtspflanzen angepasst, wie beispielsweise auch die Unterart Blumeria graminis f. sp. hordei, die ausschließlich die Gerste befällt. Trotzdem lassen sich die neuen Erkenntnisse über RACB und MAGAP1 nach Meinung der Forscher auch auf andere Kulturpflanzen übertragen. „Obwohl die verschiedenen Mehltauarten hochspezialisiert sind, geht man trotzdem davon aus, dass alle Arten auch ein gemeinsames Kernbesteck besitzen, um Pflanzen zu knacken.“, sagt Hückelhoven. Erste genetische Hinweise dafür gibt es bereits aus einer Gerstenmutante, die in den 30er Jahren im äthiopischen Hochland entdeckt wurde und bis heute als mehltauresistente Sommergerste angebaut wird. Ihr fehlt der Anfälligkeitsfaktor MLO, der erst vor einigen Jahren beschrieben wurde. „Es existieren zahlreiche Hinweise, dass das MLO-Gen in Tomaten, Erbsen, Gerste, Hopfen, ja vermutlich in jeder Pflanze, die von Mehltau befallen wird, den Pilz bei seiner Infektion unterstützt.“, sagt Hückelhoven.
Im vergangenen Dezember wurden bereits die Genome einiger Mehltauerreger entschlüsselt. Möglicherweise werden bald weitere molekulare Achillesfersen entdeckt, die Mehltaupilze gemeinsam haben.
Quelle:
C. Hoefle et al. (2011). A Barley ROP GTPase ACTIVATING PROTEIN Associates with Microtubules and Regulates Entry of the Barley Powdery Mildew Fungus into Leaf Epidermal Cells. The Plant Cell (Epub ahead of print): doi:10.1038/nature10182.
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