IAMO erarbeitet Studie im Auftrag der Weltbank
Seit Dezember 2008 sind Wissenschaftler des Leibniz Instituts für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO) im Auftrag der Weltbank tätig. Ihre Expertise soll Informationen für den Politikdialog und die Zusammenarbeit der Weltbank mit der Europäischen Kommission und den Regierungen Bulgariens, Rumäniens und Kroatiens bereitstellen. Erstgenannte Länder gehören seit 2007 der Europäischen Union an; Kroatien ist derzeit Beitrittskandidat.
SPEZIALISTEN FÜR LÄNDLICHE ENTWICKLUNG
Als Spezialisten für die Analyse und Bewertung der ländlichen Entwicklung in Ost- und Mitteleuropa arbeiten zwei Wissenschaftlerteams des IAMO an der thematisch zweiteiligen Studie für die Weltbank. Ansprechpartner für das Forschungsvorhaben sind Dr. Linde Götz und Dr. Kelly Labar. Zum einen analysieren die Wissenschaftler am Beispiel von Obst und Gemüse in Kroatien, Rindfleisch in Bulgarien und Milch in Rumänien, welche Chancen und Risiken Mikrofinanz- und Risikomanagementinstrumente für die Integration von Kleinbauern in ausgewählte Wertschöpfungsketten haben. Zum anderen untersuchen sie die Serviceleistungen der Agrarverwaltungen in Bulgarien und Rumänien. Dabei geht es u. a. darum, wie die Verwaltung von Geldern im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik erfolgt. Die Erkenntnisse der IAMO-Studie sollen am Ende die weiteren Aktivitäten der Weltbank in diesen Regionen steuern helfen.
WELTBANKBESUCH AM IAMO
Dr. Holger Kray, Lead Operations Officer im Bereich Agriculture & Rural Development der Weltbank und hier zuständig für Europa und Zentralasien, war im Rahmen dieses Forschungsauftrags in der vergangenen Woche zu Gast am IAMO. Der aus Deutschland stammende Kray war selbst längere Zeit in Bulgarien und Rumänien tätig und weiß um die Probleme in diesen Ländern. Das darüber nun eine wissenschaftliche Studie für die Weltbank erstellt wird, geht auf seine Initiative zurück. Seit 2005 ist Kray fester Mitarbeiter der Bank. Sein Büro hat der promovierte Agrarökonom zwar in der Washingtoner Zentrale, gleich in Sichtweite des Weißen Hauses, doch die meiste Zeit verbringt er in Europa oder Asien, um sich vor Ort u. a. ein Bild über die Umsetzung der EU-Agrarpolitik in den neuen Mitgliedsländern der Europäischen Union und über die Lage in den Beitrittsanwärtern wie Kroatien oder der Türkei zu machen. Nach Halle ist Ankara dann auch sein nächstes Reiseziel. Die Weltbank, in deren Auftrag Kray tätig ist, ist einer der größten entwicklungspolitischen Akteure im Verbund der Vereinten Nationen weltweit. Sie operiert als global aktive multilaterale Entwicklungsbank und ist zugleich Ressource für Wissen und Information in nahezu allen entwicklungsrelevanten Bereichen, wie Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, guter Regierungsführung oder Klimaschutz. Kray ist einer der über 11.000 Beschäftigten der Weltbankgruppe, die sich, in Washington und fast 120 Länderbüros, der Verringerung von Armut und Hunger auf der Welt verschrieben haben.
SOZIÖKONOMISCHE BERATUNG FEHLT
Im Gespräch mit dem Wissenschaftlerteam des IAMO, das die Servicequalität öffentlicher Institutionen der Landwirtschaft in Bulgarien und Rumänien untersucht, äußerte Kray, welche Schwierigkeiten er in diesen beiden neuen EU-Mitgliedsstaaten vermutet. Seiner Meinung nach lägen Probleme u. a. in der nicht ausreichenden sozioökonomischen Beratung der Menschen. Ganz konkret stellten sich die Fragen – so Kray – wohin sich ein rumänischer Landwirt wenden könne, wenn er vor der Entscheidung stehe, in Rente zu gehen oder weiterzuarbeiten, seinen Kindern das Land zu übertragen, es zu verkaufen oder zu verpachten; oder wo sich eine bulgarische Landarbeiterfrau darüber informieren könne, welche Lebensgrundlage ihr bei einer Scheidung bliebe. Konkrete Hilfestellung bei der Frage nach Einkommensmöglichkeiten, das sei es, was den Menschen in Bulgarien und Rumänien derzeit fehle.
IAMO-STUDIE SOLL WISSENSCHAFTLICH FUNDIERTE GRUNDLAGEN LIEFERN
Diese Vermutungen auf eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zu stellen, ist ein Ziel der vom IAMO derzeit erarbeiteten Studie. Dazu reisten Wissenschaftler des IAMO zuletzt u. a. nach Rumänien. So waren Dipl.-Ing. Doris Marquardt und Dr. Stefan Wegener Ende Januar in Bukarest und Miercurea Ciuc unterwegs. Sie sprachen dort u. a. mit Vertretern des Landwirtschaftsministeriums, mit Vertretern öffentlicher und privater Beratungsorganisationen und statteten auch dem Länderbüro der Weltbank in Rumänien einen Besuch ab. In allen Gesprächen standen Fragen nach den Erfahrungen und Schwierigkeiten der Interviewpartner mit Dingen wie der Datenverarbeitung, den Entscheidungsstrukturen, dem Personalmanagement oder den Informationskampagnen für Landwirte über Förder- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Vordergrund. Darüber hinaus interessierten sich Marquardt und Wegener aber auch für allgemeine Einschätzungen der Maßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union.
POTENTIALE BESTMÖGLICH NUTZEN
Zurück in Deutschland wartet auf die Wissenschaftler nun die Aufgabe, die Interviews auszuwerten und die Ergebnisse zusammenzufassen. Die Agrarverwaltungen in Rumänien und Bulgarien stehen vor zahlreichen Herausforderungen: So benötigen beispielsweise sehr viele kleine Familienbetriebe Unterstützung bei der Beantragung von Fördermaßnahmen und oft sind zunächst Landbesitzverhältnisse zu klären. Gleichzeitig befinden sich die Kapazitäten der Agrarverwaltungen teilweise noch im Aufbau. Auf der Grundlage ihrer Beobachtungen wollen Wegener, Marquardt und die anderen Wissenschaftler Empfehlungen für Veränderungen und Verbesserungsmöglichkeiten formulieren. In der Studie wollen sie Ansatzpunkte identifizieren, über die die wichtigsten Probleme und Herausforderungen zielgerichtet und nachhaltig angegangen werden können. Ende März soll die Studie der Weltbank vorgelegt werden. Holger Kray jedenfalls ist jetzt schon zuversichtlich, dass sich aus den Erfahrungen der Hallenser Wissenschaftler wertvolle Erkenntnisse für die weitere Arbeit der Weltbank ergeben werden. Letztendlich geht es darum, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in Bulgarien, Rumänien und Kroatien zu verbessern und sie dabei zu unterstützen, die Potentiale, die die EU-Agrarpolitik eröffnet, bestmöglich zu nutzen.
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