Jederzeit frische Stadttomaten

Frischer geht es nicht. Auf dem Weg vom Büro nach Hause erntet der Informatiker Tomaten im Gewächshaus auf dem Dach seiner Firma. Die Pflanzen dort leben von gereinigtem Abwasser und der Abwärme des Gebäudes. In Deutschland gibt es solche Plantagensysteme noch nicht.

Aber vielleicht bald: »Wir entwickeln in unserem Projekt inFarming – kurz für integrated farming – Lösungen für die urbane Landwirtschaft, die man rasch umsetzen kann. Unser Ziel ist es, bestehende Bauten für den Anbau von Gemüse zu nutzen«, erklärt Dipl.-Ing. Volkmar Keuter, Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen. Grundsätzlich eignen sich für den Anbau in solchen Stadtfarmen viele Pflanzensorten. »Neben Gemüse und Obst wollen wir auch den Anbau von Wirkstoffpflanzen untersuchen.«

Die Vorteile: geringerer Flächenverbrauch für die Landwirtschaft, kaum Transportkosten und dadurch weniger Emissionen sowie frischere Produkte, denn die Tomaten wachsen direkt beim Verbraucher. Die Abwärme des Hauses und zusätzliche Solarmodule sollen ausreichen, um die Gewächshäuser mit Energie zu versorgen. Ideal sind semitransparente Solarzellen, die den Pflanzen nicht das Licht zum Wachsen nehmen.

Auch der Wasserverbrauch ist minimal, da in einem geschlossenen Kreislauf Schmutzwasser gereinigt und wieder zum Gießen genutzt wird. Multifunktionale Mikrosiebe und fotokatalytische also selbstreinigende Beschichtungen stellen die Qualität des Wassers sicher. Sogar Nährstoffe für die Pflanzen können aus Regen- und Abwasser herausgefiltert werden. »Wir setzen bei unserem Konzept auf hydroponische Systeme, also Hydrokulturen. Ein dünner kontrollierter Wasserfilm reicht den Pflanzen aus, um die Nährstoffe aufzusaugen. Der Vorteil: Der Ertrag ist zehnmal höher. Außerdem ist Erde für viele Hausdächer zu schwer. Darum arbeiten wir an Systemen, die Pflanzen mit Nährlösungen versorgen«, berichtet der Forscher.

In Deutschland gibt es rund 1200 Millionen Quadratmeter Flachdächer von Nichtwohngebäuden. Auf rund einem Viertel der Fläche könnten Kräuter- und Gemüse gedeihen. Die Pflanzen würden dann in Städten jährlich etwa 28 Mio Tonnen CO2 binden. Das entspricht 80 Prozent der CO2-Emissionen von industriellen Betrieben in Deutschland. »Unser Kooperationspartner, die amerikanische Firma BrightFarm hat in New York bereits einige Projekte realisiert. Das Unternehmen hat 2005 mit einer kleinen Forschungseinrichtung auf einem Floß begonnen, dann zu Unterrichtszwecken Gewächshäuser auf eine Schule gebaut. Dieses Jahr wurden in der South Bronx und in Brooklyn jeweils 1500 Quadratmeter Dachfläche für den Gartenbau erschlossen. Hier in Deutschland bauen wir ein Anwendungslabor im inHaus-Zentrum Duisburg auf. Das ist die Fraunhofer-Innovationswerkstatt für intelligente Raum- und Gebäudesysteme«, sagt Dipl.-Geogr. Simone Krause, Kollegin von Volkmar Keuter.

Die Idee für urbane Landwirtschaft ist nicht neu und wird international intensiv diskutiert. Urban-, Vertical-, Sky- oder Rooftop-Farming nennen sich die unterschiedlichen Ansätze. Weltweit entwerfen vor allem Designer und Architekten futuristische begrünte Bauten. Keuter und Krause dagegen möchten bestehende Gebäude nutzen. Für die Forscher gibt es noch viel zu tun. »Wir müssen beispielsweise Logistikketten für die regional produzierten Salate und Kräuter aufbauen. Weitere Fragen sind: Welche Produkte eignen sich? Wie ist die Akzeptanz von Nährlösungen statt Erde? Wir setzen auf sehr hochwertiges Gemüse und nicht auf Massenproduktion«, betont Simone Krause. Noch wachsen nur wenige Tomaten auf Dächern oder in Hochhäusern, aber die Idee trägt weltweit Früchte, denn frischer geht es kaum.

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