Klimaschutzstrategien von Kommunen

Der Ausbau von erneuerbaren Energien (im Bild eine innovative Agri-PV-Anlage in einer Kommune in Süddeutschland) in den Kommunen ist zwingend nötig, aber allein nicht ausreichend. Für das Erreichen der Klimaziele sind auch Suffizienzmaßnahmen unerlässlich
Bild: Klaus Müller / ZALF

Eine neue Studie der Universitäten Vechta und Augsburg sowie des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) untersucht die Bedeutung von Suffizienz, also die Reduktion übermäßigen Ressourcenverbrauchs durch klimaschonende Verhaltensweisen, in den Klimaschutzkonzepten von 40 deutschen Vorreiterkommunen. Diese so genannten Masterplan-Kommunen wurden bundesweit gefördert, um Vorreiter für den kommunalen Klimaschutz zu entwickeln.

Die Studie zeigt, dass Suffizienz, bspw. der Umstieg von PKW auf den ÖPNV, die Reduktion der Pro-Kopf-Wohnfläche, oder die Reparatur von Geräten, statt einem Neukauf, in den kommunalen Klimaschutzstrategien eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Häufig bleibt diese jedoch technologischen Lösungen untergeordnet – weitere Einsparpotentiale bleiben so unausgeschöpft. Als Ausblick schlagen die Autorinnen und Autoren vor, politische Rahmenbedingungen gezielt anzupassen, um Suffizienz als Klimaschutzstrategie effektiver in das kommunale Handeln zu integrieren.

Die Studie von Janes Grewer, Markus Keck und Jana Zscheischler stellt fest, dass Suffizienz als Strategie insbesondere auf kommunaler Ebene an Bedeutung gewinnt. Dennoch bleibt sie meist ein ergänzender Ansatz zu technologischen Maßnahmen wie der Nutzung erneuerbarer Energien oder Effizienzsteigerungen.

Die Forschendenidentifizierten vier Typen von Suffizienzansätzen in kommunalen Klimaschutzkonzepten: Technophile, Privatisierer, Visionäre und Rahmengeber.

1. Technophile: Für diese Kommunen spielt Suffizienz im Vergleich zu technologischen Strategien keine oder eine stark untergeordnete Rolle.
2. Privatisierer: Hier wird Suffizienz als private Praxis des Energiesparens gesehen, ohne strukturelle Maßnahmen auf kommunaler Ebene.
3. Visionäre: Diese Kommunen sehen Suffizienz als zentralen Bestandteil des gesellschaftlichen Wertewandels, streben aber kaum konkrete Maßnahmen an, die über Kampagnen zur Sensibilisierung oder Förderung von Nischenakteuren hinausgehen.
4. Rahmengeber: Sie erkennen Suffizienz als eine zentrale handlungsleitende Klimaschutzstrategie an und sehen Suffizienz als politisches Handlungsfeld, das in verschiedene klimaschutzrelevante Sektoren integriert wird.

Jana Zscheischler, Wissenschaftlerin am ZALF und an der Universität Vechta, erklärt: „Unsere gemeinsame Forschung zeigt, dass Suffizienz eine wichtige Rolle im kommunalen Klimaschutz spielen kann. Allerdings bedarf es eines stärkeren politischen Rahmens, handlungsleitender Visionen und konkreter struktureller Maßnahmen in den Kommunen, um das volle Potenzial dieser Strategie auszuschöpfen.“

Die Studie beschreibt verschiedene Maßnahmen und Strategien, die notwendig sind, um Suffizienzansätze in Kommunen besser zu nutzen und zu integrieren.

1. politische und strukturelle Maßnahmen
• Verbindliche Rahmenbedingungen schaffen: Suffizienz sollte als politisches Handlungsfeld anerkannt und in verschiedene klimaschutzrelevante Sektoren integriert werden. Suffizienz betrifft nicht nur den privaten Konsum oder Ernährung, sondern auch Handlungsfelder, wie Bauen und Wohnen, Mobilität, oder Wirtschaft. Dies erfordert politische Entscheidungen und Rahmenbedingungen, die Suffizienzpraktiken unterstützen und fördern.
• Transdisziplinäre Planung: Für eine effektive Umsetzung von Suffizienzstrategien ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft hilfreich. Dies kann durch transdisziplinäre Forschungsprojekte und die Einbindung von „Change Agents“ in der Verwaltung erreicht werden.

2. normative und visionäre Perspektiven
• Visionäre Perspektiven einbeziehen: Neben konkreten politischen Maßnahmen sollten Suffizienzstrategien auch normative Ziele und gesellschaftliche Visionen beinhalten. Dies kann dazu beitragen, Perspektiven für die nötigen tiefgreifenderen gesellschaftlichen Veränderungsprozesse zu eröffnen, die über das gegenwärtig Machbare hinausgehen.
• Gerechtigkeitsfragen berücksichtigen: Suffizienzansätze können außerdem dazu beitragen, Fragen von sozialer Gerechtigkeit zu adressieren und Ungerechtigkeiten zu reduzieren. Dies bietet die Möglichkeit, mögliche Widerstände gegen Klimaschutzmaßnahmen abzumildern. Bislang spielen solche Fragen gerade in technisch orientierten kommunalen Klimaschutzkonzepten jedoch kaum eine Rolle.

3. Übergeordnete Rahmenbedingungen und Anreize
• Rechtliche Rahmenbedingungen anpassen: Eine Überprüfung und Anpassung der rechtlichen und fiskalischen Rahmenbedingungen auf verschiedenen staatlichen Ebenen ist notwendig, um strukturelle Suffizienzpolitiken auf kommunaler Ebene zu ermöglichen. Bislang behindern viele strukturelle Anreize und Regelungen, z.B. auf der Bundesebene, Kommunen in Deutschland daran, Suffizienzmaßnahmen umzusetzen.
• Anreize und Steuerungsmechanismen: Auf nationaler Ebene finden sich Suffizienzgedanken bislang kaum in den Förderregimen und als Steuerungsinstrument wieder, so liefert beispielsweise die Finanzierung der Kommunen über die Gewerbesteuer Anreize gegen suffizientes Flächensparen. Finanzielle Anreize und Steuermechanismen sollten umgestaltet werden, um suffizienzfördernde Maßnahmen zu unterstützen und Kommunen zu befähigen, strukturelle Suffizienzmaßnahmen zu etablieren.

Diese Maßnahmen und Strategien zeigen, dass Suffizienz als integraler Bestandteil der Klimaschutzpolitik anerkannt und gefördert werden muss, um transformative Veränderungen zu erreichen und nachhaltige Praktiken auf kommunaler Ebene zu etablieren. Die Studie liefert wertvolle Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung kommunaler Klimaschutzstrategien.

Projektpartner:
– Fachbereich Geographie, Universität Vechta
– Zentrum für Klimaresilienz, Universität Augsburg

Förderhinweis:
Diese Studie wurde zum Teil gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Nachwuchsforschungsgruppe „BioKum“ sowie durch den Publikationsfonds „NiedersachsenOpen“ im Rahmen der Förderung „zukunft.niedersachsen“.

Weitere Informationen:
Zur Publikation: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/15487733.2024.2350216

Hinweis zum Text:
Dies ist eine mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz erstellte Zusammenfassung des Originaltextes: Grewer, J., Keck, M., Zscheischler, J. (2024) Different interpretations of sufficiency in climate-protection strategies: a typology based on 40 pioneering municipalities in Germany. Sustainability: Science, Practice and Policy 20, 1, Article 2350216. https://doi.org/10.1080/15487733.2024.2350216, veröffentlicht Open Access.
Der Text wurde unter den Gesichtspunkten der KI-Regelungen am ZALF sorgfältig überprüft und überarbeitet.

Über das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. in Müncheberg, eine Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft:
Das ZALF forscht an der ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigen Landwirtschaft der Zukunft – gemeinsam mit Akteuren aus der Wissenschaft, Politik und Praxis.

Als Beitrag zur Bewältigung globaler gesellschaftlicher Herausforderungen wie Klimawandel, Ernährungssicherung, Erhalt der Biodiversität und Ressourcenknappheit entwickeln und gestalten wir Anbausysteme im Landschaftskontext, die den Bedarf an pflanzlicher Produktion mit Nachhaltigkeit verbinden. Hierzu kombinieren wir komplexe Landschaftsdaten mit einem einzigartigen Set an experimentellen Methoden, neuen Technologien, computergestützten Modellen und sozioökonomischen Ansätzen.

ZALF-Forschung ist Systemforschung: von Prozessen in Böden, Pflanzen und Wasser, über Zusammenhänge auf der Feld-und Landschaftsebene bis hin zu globalen Auswirkungen und Berücksichtigung komplexer Wechselwirkungen zwischen Landschaft, Gesellschaft und Ökonomie. www.zalf.de

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Jana Zscheischler
Programmbereich 2
„Landnutzung und Governance“
Telefon: + 49 (0) 33432 82-399
E-Mail: jana.zscheischler@zalf.de

Originalpublikation:

https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/15487733.2024.2350216

http://www.zalf.de/

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Hendrik Schneider Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V.

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