Klimawandel verändert Zeitfenster für Getreideernte und erhöht den Bedarf an Mähdruschkapazität
Die Getreideernte zählt zu den am stärksten wetterabhängigen Prozessen in der Landwirtschaft. Der Feuchtegehalt des Korns entscheidet über Einsatzzeitpunkt und -dauer von teuren Erntemaschinen und damit letztlich auch über die Kosten der Produktion.
Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf den Beginn der Ernteperiode und die witterungsbedingt verfügbaren Mähdruschstunden in Brandenburg? Dieser Frage gingen WissenschaftlerInnen des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und der Humboldt-Universität zu Berlin nach.
Sie analysierten Erntezeiten für die vier Getreidearten Winterweizen, Winterroggen, Winter- und Sommergerste über den Zeitraum 1961-2013 anhand von Wetterdaten, Aufzeichnungen zum Erntebeginn, den auf Kornfeuchte beruhenden möglichen Erntestunden sowie der benötigten Maschinenkapazität für den Mähdrusch.
Die exemplarisch für Brandenburg erstellte Studie zeigt signifikante Verschiebungen der Erntezeiten – wobei sich die Trends für die vier untersuchten Getreidearten erheblich unterscheiden. Insbesondere die Produktion von Roggen und Weizen, den in Brandenburg flächenmäßig dominierenden Getreidearten, ist durch den Klimawandel betroffen. Die Ernte von Winterweizen beginnt heute im Durchschnitt 11 Tage früher, die von Sommergerste 16 Tage früher als vor 53 Jahren.
Während sich die Anzahl der Stunden, in der die Kornfeuchte eine Ernte erlaubt, bei Roggen um 3%, bei Wintergerste sogar um 20% verringerten, stiegen diese bei Weizen um 9% an. Diese Ausweitung der möglichen Erntestunden bei Weizen bringt jedoch keinen Vorteil: Wegen des früheren Erntebeginns bei Weizen kommt es zu einer zeitlichen Überlappung der Weizen- und Roggenernte; zeitgleich wird mehr leistungsfähige Erntetechnik benötigt, um das reife Getreide rechtzeitig einzufahren.
In Brandenburg beansprucht Winterroggen derzeit die höchsten Mähdruschkapazitäten. Im Vergleich zu Weizen muss für die Roggenernte zwei bis dreimal so viel Schlagkraft bereitgehalten werden. Gründe sind die geringe Zahl von Stunden, wann die Kornfeuchte eine Ernte möglich macht, und die insgesamt große Roggenanbaufläche. Die Zahl möglicher Erntestunden bei Weizen ist doppelt so hoch wie bei Roggen. Weizen kann zudem über durchschnittlich drei Wochen hinweg geerntet werden, Roggen nur binnen zwei Wochen.
„Das Wissen darum, wann Getreide mit einer bestimmten Kornfeuchte geerntet werden kann, ist für die Landwirte enorm wichtig, damit sie ihren Betrieb mit der angemessenen Maschinenkapazität ausstatten können bzw. in der Lage sind, die Ernte durch Lohnunternehmer optimal zu organisieren“, betont Prof. Dr. Annette Prochnow vom Leibniz-Institut für Agrartechnik.
Wird zu wenig Mähdruschkapazität vorgehalten, dauert die Ernte zu lange und Masse- und Qualitätsverluste müssen in Kauf genommen werden. Überkapazität dagegen resultiert in hohen Maschinenkosten bei zu geringer Auslastung. Beides schlägt sich in den Produktionskosten nieder.
„Unsere Studie zeigt, dass Landwirte für sich ändernde Erntezeitfenster gerüstet sein müssen. Entweder indem sie in höhere Druschkapazität investieren oder bei höheren Kornfeuchten ernten und die hierfür erforderlichen Trocknungsanlagen verfügbar sind. Je nach Betrieb sollten die Ernte- und Konservierungskapazitäten bestmöglich aufeinander abgestimmt sein“, ergänzt Annette Prochnow.
Es ist geplant, die in der Studie angewendeten Methoden der Datenanalyse in künftigen Untersuchungen auf Regionen mit anderen klimatischen Bedingungen zu übertragen.
Literatur:
Prochnow, A. et al.: Does climate change affect period, available field time and required capacities for grain harvesting in Brandenburg, Germany? Agricultural and Forest Meteorology, 203: 43-53, 2015; doi:10.1016/j.agrformet.2014.12.011
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0168192314003219 – zum Artikel
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