Lehrstück Amflora – Was wirklich zählt: Herstellung oder Eigenschaften?
Kürzlich wurde eine weitere Amylopektinkartoffel vorgestellt, die durch das gentechnische TILLING-Verfahren hergestellt wurde, und die über ähnliche Eigenschaften wir Amflora verfügt. Diese Kartoffel kann im Gegensatz zu gentechnisch veränderten Pflanzen frei angebaut werden.
Die unterschiedliche Behandlung ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht gerechtfertigt. In zukünftigen Zulassungsverfahren sollte nicht die Methode der Herstellung, sondern die Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus im Mittelpunkt stehen.
„Amflora ist ein echter Fortschritt für die Landwirtschaft und die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen“, ist Prof. Christian Jung, Pflanzenwissenschaftler und Präsidiumsmitglied des VBIO überzeugt. „Amflora hat ein gutes Ertragspotential bei gleichzeitig hohem Amylopektingehalt. Das wird den Energieaufwand bei der Stärkeproduktion senken und damit auch einen Beitrag zum Umweltschutz liefern.“
Besorgt ist der VBIO allerdings über die Dauer des Zulassungsverfahrens. Dreizehn Jahre sind deutlich zu lang für die Prüfung möglicher Schadwirkungen, wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen und tragen letztlich zur Gefährdung eines ganzen Forschungs- und Anwendungszweiges bei.
Der VBIO verweist auch auf die Ungleichbehandlung von Amflora und einer kürzlich vorgestellten Amylopektinkartoffel, die über nahezu identische Eigenschaften wie Amflora verfügt. Diese wurde allerdings nicht mittels Gentransfer verändert, sondern mit Hilfe eines neuen gentechnischen Verfahrens (TILLING) durch die Anwendung mutagener Substanzen erzeugt. Wie bei Amflora ist auch in dieser Kartoffel das Schlüssel-Gen für die Amylosesynthese blockiert. Obwohl beide Kartoffeln über dieselben Eigenschaften verfügen, werden sie rechtlich völlig unterschiedlich behandelt. Während Amflora auf Grund eines langwierigen EU-Verfahrens und des Streits unter den Mitgliedsländern über 13 Jahre auf ihre Zulassung warten musste, kann die mutagen veränderte Kartoffel frei angebaut werden. Die europäischen Zulassungsrichtlinien für genetisch veränderte Pflanzen orientieren sich damit allein an der Art der Erzeugung einer Pflanze, nicht aber an deren Eigenschaft. – „Wissenschaftlich ein unhaltbarer Ansatz“, ist Prof. Jung überzeugt. „Der VBIO fordert daher eine Änderung des Zulassungsverfahrens. In zukünftigen Zulassungsverfahren sollte nicht die Methode der Herstellung, sondern die Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus im Mittelpunkt stehen“.
Hintergrund:
Kartoffelknollen speichern natürlicherweise ein Gemisch aus den beiden Stärkefraktionen Amylose und Amlyopektin in einem Verhältnis von 1:3. Amflora dagegen bildet fast nur noch Amylopektin (95%). Das Schlüsselgen für die Amylosesynthese wurde durch ein gentechnisches Verfahren (antisense) inaktiviert, so dass kein Enzym mehr gebildet werden kann.
Ähnlich wie beim Mais (waxy-Mutante) gibt es auch bei Kartoffeln eine natürliche Mutante, die nahezu frei von Amylose ist. Diese Kartoffeln haben jedoch eine sehr geringe Leistungsfähigkeit und sind daher für die ackerbauliche Nutzung nicht geeignet.
Amflora verfügt als zweites, zusätzlich eingefügtes Gen über das so genannte nptII-Gen, welches für ein Protein kodiert, das Resistenz gegen bestimmte Antibiotika verleiht. Die Anwesenheit dieses Gens hat vielfach zu Besorgnis geführt. Allerdings kann Amflora das Genprodukt nicht produzieren, so dass es auch nicht in die Umwelt gelangen kann. Denkbar ist allerdings, dass das Resistenzgen beim Verrotten der Pflanzenreste im Boden auf Bodenmikroorganismen übergeht. Umfangreiche Studien haben aber gezeigt, dass ein horizontaler Gentransfer zwischen Pflanzen und Bakterien extrem unwahrscheinlich ist während der Gentransfer zwischen Bodenbakterien nachgewiesenermaßen auch unter natürlichen Bedingungen stattfindet). Aus diesem Grunde haben alle mit der Zulassung beteiligten Behörden und Fachleute die Anwesenheit des nptII-Gen für unbedenklich erklärt.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Christian Jung, VBIO-Präsidium und Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Universität Kiel, Tel.: 0431 880 2577, c.jung@plantbreeding.uni-kiel.de
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