Multi-Kulti im deutschen Forst. Um dem Klimawandel standzuhalten, rücken fremdländische Baumarten in den Fokus
Was haben bulgarische Buchen oder Tannen in Bayern zu suchen, dem mit 2,5 Millionen Hektar waldreichsten Bundesland Deutschlands? Es sind mögliche Folgen des Klimawandels für den deutschen Wald, die Monika Konnert Sorgen bereiten. „Die Wissenschaft ist sich prinzipiell einig.
Der Klimawandel wird kommen“, sagt die Leiterin des Bayerischen Amtes für forstliche Saat- und Pflanzenzucht (ASP) in Teisendorf. Das wahrscheinlichste Szenario: Die Jahrestemperatur wird in den nächsten 50 bis 100 Jahren um zwei bis vier Grad Celsius steigen, der Niederschlag sich anders verteilen. Starkregen, Dürreperioden, lokale Sturmereignisse und Nassschneefälle werden sich häufen. Und auch wenn ein Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius im jährlichen Mittel nach wenig klingen mag: Für Deutschlands Wälder könnte das gravierende Folgen haben.
Waldumbau lautet deshalb das Schlagwort für die Waldbesitzer. Für den Wald selbst, sowohl für den einzelnen Baum als auch für den Bestand als Population, heißt die Devise Anpassung. Im Prinzip ist das nichts Neues, sondern schlicht Evolution. Um der ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, lässt Konnert zusammen mit Wissenschaftlern der Forsttechnischen Universität Sofia seit 2008 erforschen, ob Buchensamen aus Bayern in den für sie wärmeren Regionen des Balkanstaats gedeihen. „Wir nehmen quasi den Klimawandel vorweg.“ Die möglichen Konsequenzen liegen schon jetzt auf der Hand: „Sollte sich in den Versuchen zeigen, dass die bayerischen Buchen mit den wärmeren Bedingungen in Bulgarien gut zurecht kommen, können wir weiter auf unsere heimischen Herkünfte setzen.“ Aber was passiert, wenn sich die bayerischen Herkünfte an den drei Versuchsstandorten in Bulgarien nicht bewähren? Dann könnten Herkünfte aus wärmeren Gebieten wie etwa Buchen und Weißtannen aus dem Balkan eine Alternative für Deutschlands Forste sein.
Dabei muss sichergestellt werden, dass eine gewünschte und bestellte Herkunft auch tatsächlich geliefert wird – nicht zuletzt aus dem Ausland. Aus welchen Beständen Samen geerntet werden dürfen und wie dies kontrolliert wird, regelt in Deutschland das Forstvermehrungsgutgesetz. Zeitaufwendig und somit teuer ist oft die gesetzliche Kontrolle. Allerdings lässt sie sich durch den genetischen Vergleich von Referenzproben sicherer und effektiver durchführen.
Das bereits vor einigen Jahren mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und unter Beteiligung des Bayerischen Amts für forstliche Saat- und Pflanzenzucht etablierte Verfahren haben die ASP-Wissenschaftler im aktuellen BMBF-Verbund „Herkunftskontrolle“ weiterentwickelt. Sie setzen nun auf den kombinierten Einsatz von Isoenzymen und DNA-Markern und können so auch Proben aus geografisch weit entfernten Regionen überprüfen. Erst wenn Politik und Wissenschaft diese Prüfung gewährleistet sehen, geben sie grünes Licht für den Anbau von ausländischen Herkünften.
Die genetische Variabilität der einzelnen Waldbaumarten auszunutzen, ist aber nur eine Option, Deutschlands Wälder fit zu machen für den Klimawandel. Darüber hinaus wird auf neue Baumarten, sogenannte Fremdländer, gesetzt „Die Küstentanne zählt zu den Baumarten, die für einen Anbau unter den sich abzeichnenden Bedingungen des Klimawandels gut geeignet ist“, sagt Hermann Spellmann, Leiter der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) in Göttingen. Dies ist ein wesentliches Ergebnis des BMBF-Verbundes „Buche-Küstentanne“.
Die Forscher stellten fest, dass die Küstentanne an ein Klima mit ausgeprägter Sommertrockenheit gut angepasst ist. „Die Küstentanne ist bodenpfleglich, standortgerecht, gut waldbaulich zu führen, natürlich zu verjüngen und leicht als Mischbaumart in die heimische Fauna und Flora zu integrieren.“ Zudem wächst die Riesentanne enorm schnell: Nach 30 Jahren erreicht sie Brusthöhendurchmesser von über 40 Zentimetern und Holzvorräte von über 500 Kubikmetern je Hektar, während die Fichte auf vergleichbaren Standorten mindestens 25 bis 30 Jahre länger dafür benötigt.
Und auch bei der Forstindustrie könnte „die Amerikanerin“ hoch im Kurs stehen, denn ihr Holz lässt sich gut bearbeiten, es kann als Sägeholz und als Industrieholz für die Span- oder Faserplattenherstellung eingesetzt werden. Gerade die Holzwerkstoff- und die Papierstoffindustrie lechzen nach neuem, schwachem Nadelholz, weil in den letzten 20 Jahren vorwiegend Laubbäume nachgezogen wurden und die Vorräte an Nadel-Industrieholz langsam versiegen.
„Allerdings“, so sagt Andrea Polle, Forstprofessorin an der Universität Göttingen und Leiterin des „Buchen-Küstentanne“-Verbundes, „sind viele ökosystemare Zusammenhänge bei Fremdländern wie Küstentanne und Douglasie noch zu wenig erforscht.“ Die in Deutschland mit 27 Prozent Anteil an der Waldfläche am weitesten verbreitete Nadelbaumart ist die Fichte. Sie wird – da ist sich die Wissenschaftler-Community einig – eine der Verliererinnen des Klimawandels sein. Manchen Standort könnte künftig die Küstentanne einnehmen. Dabei kann das Ökosystem auch von der Küstentanne profitieren. „Unter dem Schutz der Küstentanne können sich ganz trefflich junge Buchen entwickeln“, sagt Forstbotanikerin Polle. Deshalb sei die Küstentanne auf vielen Flächen eine vernünftige Alternative für den Anbau, vor allem, wenn man sie dem Buchenbestand beimischt. „Da niemand seriös vorhersagen kann, wie sich der Klimawandel auf einen Standort auswirken wird, kann man mit einer zusätzlichen Baumart das Risiko streuen, dass der gesamte Bestand etwa an Buchen kaputtgeht“, erläutert Andrea Polle.
„Die Forstwirtschaft muss jetzt die Weichen stellen, wenn sie Ende des 21. Jahrhunderts klimagerechte und damit überlebensfähige Waldbestände haben will“, sagt Forscherin Monika Konnert. Für die Küstentanne oder Douglasie ist das Feld schon bestellt. Ob auch bulgarische Buchen und Tannen Teil des deutschen Waldes sein werden, wird die Zukunft zeigen.
Benjamin Haerdle
Die Forschungsverbünde „Herkunftskontrolle“ und „Buche-Küstentanne“ gehören als zwei von 25 Verbundprojekten zum Förderschwerpunkt „Nachhaltige Waldwirtschaft“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Das BMBF finanziert den Förderschwerpunkt im Zeitraum 2004 bis 2009 mit rund 30 Millionen Euro. Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) ist die Wissenschaftliche Begleitung und Koordinierung des Förderschwerpunktes angesiedelt. Aufgabe der Wissenschaftlichen Begleitung ist es, auf nationaler und europäischer Ebene ein Netzwerk für Wissenschaft und Praxis zu schaffen und zu koordinieren; von hier aus wird auch die Öffentlichkeitsarbeit für den Förderschwerpunkt gesteuert. In seiner Gesamtheit befasst sich der Förderschwerpunkt vor allem mit drei Fragestellungen: Wie kann die Wertschöpfungskette Forst-Holz sowohl gewinnorientiert als auch ökologisch verträglich und sozial gerecht optimiert werden? Wie können Waldlandschaften so genutzt werden, dass die Lebensqualität der Menschen verbessert wird und gleichzeitig die Ressourcen langfristig gewährleistet sind? Wie sieht der Wald der Zukunft aus?
Links:
Das vollständige Laborgespräch ist auf der Website des Förderschwerpunktes nachzulesen:
http://www.nachhaltige-waldwirtschaft.de/fileadmin/Dokumente/Aktuelles/Laborgespraeche/
09_Laborgespraech_09.pdf
Weitere Informationen:
Daniela Weber
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1791
E-Mail: daniela.weber@ufz.de
Dr. Monika Konnert
Bayerisches Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht
Forstamtsplatz 1, 83317 Teisendorf
Tel.: 08666-9883-13
E-Mail: monika.konnert@asp.bayern.de
Prof. Dr. Andrea Polle
Georg-August-Universität Göttingen
Büsgenweg 2 , 37077 Göttingen
Tel.: 0551/ 39 – 3480
E-Mail: apolle@gwdg.de
oder über:
Doris Böhme / Tilo Arnhold
Pressestelle Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1269
E-Mail: presse@ufz.de
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,4 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).
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