Neue genetische Variation für den umweltfreundlichen Weizenanbau
… aus alten und exotischen Sorten.
Genbanken weltweit leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Allein in der Bundeszentralen Ex-situ-Genbank am IPK Leibniz-Institut werden mehr als 150.000 Sorten bewahrt. Neben negativen Merkmalen besitzen viele alte und exotische Sorten auch wertvolle Genvarianten, die in modernen Sorten verloren gegangen sind, aber für die Pflanzenproduktion der Zukunft entscheidend sein können. Doch wie kann dieser Schatz biologischer Vielfalt für die Landwirtschaft erschlossen werden? Dieser Frage ist ein Forschungsteam unter Führung des IPK nachgegangen. Die Ergebnisse wurden im Journal „Nature Genetics“ veröffentlicht.
Dank der nachhaltigen Förderung der Arbeiten über bisher sechs Jahre durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) war es möglich, die umfangreiche Sammlung alter Weizensorten des IPK Leibniz-Instituts im Labor, aber auch in Feldversuchen auf ihre Ertragsleistung und Resistenz gegen Gelbrostbefall zu testen. „Dies erforderte von allen Projektbeteiligten eine logistische Meisterleistung und viele kreative Kniffe, um das Potenzial der alten Sorten ohne störende Effekte zu bewerten“, betont Dr. Albert Schulthess, Erstautor der Studie. Um das Ertragspotenzial zu ermitteln, wurden die alten Sorten zum Beispiel mit angepassten Elitesorten gepaart. Erst dann wurde das Ertragspotenzial der alten Sorten deutlich sichtbar.
Und damit nicht genug: Die Forscher nutzten die Ergebnisse, um aus vielversprechenden alten Sorten durch Kreuzungen mit aktuellen Sorten Brückenlinien für die Weizenzüchtung zu entwickeln. Die Leistung der daraus resultierenden Nachkommenschaft überraschte die Forscher: „Wir haben bei einigen Brückenlinien höhere Erträge beobachtet als bei wichtigen aktuellen Elitesorten“, sagt Dr. Albert Schulthess, Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe „Quantitative Genetik“. Prof. Dr. Jochen Reif, Koordinator des Konsortiums und Leiter der Arbeitsgruppe, ist überzeugt, dass dank der Beteiligung der beiden Züchtungsunternehmen die biologische Vielfalt des Elitepools durch die Nutzung neuer wertvoller genetischer Variation der Brückenlinien erhöht werden kann: „Dies ist von großer Bedeutung, um die riesigen Probleme zu bewältigen, vor die der Klimawandel die Landwirtschaft stellt.“
Aber das war noch nicht alles. Die Ergebnisse der Studie ermöglichen einen großen Schritt in Richtung einer Landwirtschaft mit weniger oder gar keinem Pestizideinsatz. „Durch die umfassende Sequenzierung von alten und neuen, aber auch hierzulande nicht heimischen Sorten in Kombination mit den wertvollen Felddaten konnten wir mögliche neue Genvarianten für die Resistenz gegen Gelbrostbefall identifizieren“, sagt Dr. Albert Schulthess. Ohne die Entschlüsselung des Weizengenoms, an der das IPK Leibniz-Institut federführend beteiligt war, wäre dies nicht möglich gewesen. „Mit den neuen Genomregionen, die wir in wenigen alten exotischen und hierzulande nicht heimischen Sorten entdeckt haben, können wir das Immunsystem des Weizens diversifizieren“, erklärt Prof. Dr. Jochen Reif.
Bis die neuen Resistenzgene in der Pflanzenproduktion eingesetzt werden können, sind allerdings noch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen. So müssen die Resistenzgene validiert und in den Hintergrund von Elitelinien eingebaut werden. Idealerweise gewinnt man zeitgleich ein vertieftes Verständnis der Art der Abwehrreaktion. Dies würde es ermöglichen, die neuen Resistenzquellen langfristig zu nutzen. Umso mehr freut sich Prof. Dr. Jochen Reif, dass der Fortsetzungsantrag des Projekts positiv begutachtet wurde und eine Finanzierung für die nächsten drei Jahre in Aussicht gestellt wurde.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Albert Schulthess
Tel.: +49 39482 5846
schulthess@ipk-gatersleben.de
Prof. Dr. Jochen Reif
Tel.: +49 39482 5840
reif@ipk-gatersleben.de
Originalpublikation:
Schulthess et al.: Genomics-informed pre-breeding unlocks the diversity in genebanks for wheat improvement. Nature Genetics. DOI: 10.1038/s41588-022-01189-7
Weitere Informationen:
Forschungsteam:
Neben dem IPK Leibniz-Institut waren an der Studie auch das Julius-Kühn-Institut, die Universität Hohenheim sowie die beiden privaten Züchtungsunternehmen KWS SAAT SE & Co. KGaA und Limagrain GmbH beteiligt.
Am IPK waren die Arbeitsgruppen „Quantitative Genetik“, „Domestikationsgenomik“, „Genomik Genetischer Ressourcen“, „Genbankdokumentation“, „Chromosomenstruktur und -funktion“ sowie „Bioinformatik und Informationstechnologie“ beteiligt.
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