Neues Vergleichsbetriebsnetz hilft, Pflanzenschutzmittelanwendungen auf notwendiges Maß zu reduzieren
Bisher existierten keinerlei Daten darüber, wann, warum und in welcher Menge in den unterschiedlichen Kulturen Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung von Schadinsekten, Pilzen oder Bakterien eingesetzt werden.
„Will man jedoch langfristig die Anwendung von Pestiziden auf ein notwendiges Maß beschränken, so ist es dringend erforderlich regelmäßig Daten zu erheben, um eine Vergleichsgrundlage zu haben“, sagt Prof. Dr. Bernd Freier vom Julius Kühn-Institut. 2007 war daher das erste Netz von Vergleichsbetrieben (siehe Hintergrundinformation), die Getreide, Gemüse, Obst sowie Wein und Hopfen anbauen, etabliert worden. Die Ergebnisse der Datenerhebungen des ersten Anwendungsjahres und die statistischen Analysen liegen nun vor. Der Bericht wird heute (11.12.08) in Bonn beim „Forum Nationaler Aktionsplan“ den Pflanzenschutzdiensten der Länder, Vertretern des Berufsstandes und von Nichtregierungsorganisationen, der Industrie sowie von Umweltbehörden vorgestellt.
„Ziel des Vergleichsbetriebsnetzes ist es, jährliche Daten zur Intensität der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in verschiedenen Kulturen und Regionen zu gewinnen und fachlich zu bewerten“, sagt Dr. Freier, der am JKI das Projekt koordiniert. Diese Bewertung ist aufwendig, da die Bedingungen unter denen die Landwirte in Deutschland wirtschaften, von Kultur zu Kultur und von Region zu Region variieren. So kann es sein, dass ein Schaderreger, der im Osten auftritt, im Westen keine Rolle spielt. Andere Witterungsbedingungen machen im Norden andere Pilzbekämpfungsmaßnahmen notwendig als in Süddeutschland. Der JKI-Wissenschaftler freut sich daher sehr, dass die Bundesländer den Aufbau des Netzes so tatkräftig unterstützt haben. So konnten im ersten Jahr fast 5000 Anwendungsdaten in 66 Ackerbau-Betrieben, 22 Betrieben mit Feldgemüseanbau, bei 15 Apfelanbauern, in 9 Weinbau-Betrieben und bei zwei Hopfenanbauern erhoben werden. „Nicht zuletzt leisten die Praxis-Betriebe, die auch nach statistischen Aspekten ausgewählt wurden, durch ihre freiwillige Beteiligung einen wichtigen Beitrag, um mehr Transparenz im Pflanzenschutz zu schaffen“, betont der JKI-Wissenschaftler. Langfristiges Ziel sei Einsparpotenziale für die Pflanzenschutzmittel zu erkennen.
Auszug aus dem Bericht des 1. Jahres: Im Ackerbau sind Herbizide, Fungizide und Wachstumsregler mit reduzierten Aufwandmengen angewendet worden. Die Ausschöpfung der zugelassenen Aufwandmengen lag z. B. im Winterweizen bei 63% (Herbiziden), 57% (Fungizide) und 46% (Wachstumsregler). Die Analyse der fachlichen Bewertungen durch die Pflanzenschutzdienste zeigte, dass insbesondere regionale Besonderheiten des Schaderregerauftretens die Pflanzenschutzmittel-Anwendungen bestimmten. Dabei wird die Varianz der Behandlungsindices auch durch andere objektive und subjektive Einflüsse beeinflusst, z. B. im Ackerbau die Vorfrucht und Bodenbearbeitung. Der Anteil der Pflanzenschutzmaßnahmen, die auf der Basis der Bewertungen durch die Experten der Länder dem notwendigen Maß entsprachen, lagen im Ackerbau bei 91%, im Feldgemüsebau bei 86%, im Obstbau bei 94% und im Weinbau 99,5%. Das bedeutet, dass kaum einer der Betriebe eine unnötige Anwendung durchgeführt hat.
Ihr wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Bernd Freier
Institut für Strategien und Folgenabschätzung im Pflanzenschutz
am Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI)
Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow
Tel.:033203 / 48-322
E-Mail: bernd.freier(at)jki.bund.de
Hintergrundinformation:
Das Netz von Vergleichsbetrieben ist ein gemeinsames Projekt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), der Landeseinrichtungen des Pflanzenschutzes und des Julius Kühn-Instituts (JKI). Es ist Bestandteil des nationalen Aktionsplanes zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln.
Der nationale Aktionsplan war im April 2008 auf der Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern beschlossen worden. Er stellt die Weiterentwicklung des Reduktionsprogramms chemischer Pflanzenschutz aus dem Jahr 2004 dar. Ziel dieses Aktionsplanes ist es, Risiken, die durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln entstehen können, weiter zu reduzieren. Dazu soll die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß begrenzt werden, so dass unnötige Pflanzenschutzmittelanwendungen unterbleiben und der Einsatz nichtchemischer Pflanzenschutzmaßnahmen gefördert wird.
Um die Intensität der Pflanzenschutzmittel-Anwendung überhaupt erfassbar und messbar zu machen, bewerten und vergleichen zu können ist es notwendig: 1.) statistische Daten über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu erheben (NEPTUN-Analysen). 2.) ein Netz von Vergleichsbetrieben aufzubauen.
Wie funktioniert die Datenerhebung im Vergleichbetriebsnetz?
Die Vergleichsbetriebe, die repräsentativ für bestimmte Regionen und Bewirtschaftungsformen sind, dokumentieren jährlich ihre Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln in einzelnen Kulturpflanzenarten. Auf der Grundlage dieser Daten sowie Informationen zum Befall mit Schadorganismen, zum Wetter oder anderen Faktoren, bewerten die Pflanzenschutzberater der Länder die Maßnahmen im Hinblick auf das notwendige Maß. Die Verteilung der Betriebe erfolgte in Anlehnung an die Erhebungs- bzw. Anbauregionen der NEPTUN-Analysen. Alle Daten und Bewertungen wurden nach einer Plausibilitätsprüfung in einer Oracle-Datenbank am Julius Kühn-Institut abgelegt.
Im ersten Jahr sind Daten erhoben worden…
– auf 510 Feldern mit vorrangig Winterweizen, Wintergerste, Winterraps
– auf 57 Feldern mit Weißkohl, Bundmöhren, teilweise Spargel und Zwiebeln
– in 37 Anlagen mit Tafeläpfeln
– in 23 Bewirtschaftungseinheiten Wein
– in 2 Hopfenbau-Betrieben
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