Saurer Regen – da war doch was

Zugegeben – es ist schon einige Jahre her, dass „Neuartige Waldschäden“ das große Thema in Deutschland waren. Ende der 70er-Jahre wurden Schäden an Blättern und Nadeln der Waldbäume festgestellt, die sich nicht den bekannten Ursachen zuordnen ließen. Besonders betroffen waren die Wälder der Mittelgebirge.

Die Säureeinträge galten dabei als Hauptursache der Waldschäden, zusammen mit einer Reihe von trockenen Sommern und hohen Ozonwerten. Es zeigte sich, dass die Säureeinträge über die Luft enorm hoch waren – ausgelöst vor allem durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Besonders stark war die Wirkung der dabei freigesetzten Schwefelverbindungen.

Eine der wichtigen Maßnahmen war deshalb die weitgehende Entschwefelung der Kraftstoffe und die verbindliche Einführung der Katalysatoren in Autos. Zusammen mit der Rauchgasentschwefelung hat das zu einer wesentlichen Verringerung des Säureeintrages in unsere Wälder geführt. Allerdings sind die Einträge durch Stickoxide noch immer sehr hoch und stellen weiterhin eine Belastung für das Ökosystem Wald dar. Die Befürchtungen zu Beginn der 80er-Jahre, dass sich eine akute Katastrophe mit großflächigem Absterben ganzer Wälder entwickeln könnte, sind aber nicht eingetreten.

Heute sieht man die größte Gefahr in einer immer tiefer fortschreitenden Versauerung der Waldböden. Das klingt nicht dramatisch, ist aber eine über Jahrzehnte zunehmende Gefahr für die Waldböden. Die im Boden gespeicherten Nährstoffe lösen sich im sauren Bodenwasser und werden ausgewaschen. Sie sind für die Waldbäume damit endgültig verloren. Stark versauertes Wasser ist außerdem Gift für viele Fische und Amphibien. Aber auch für den Menschen. Denn in sehr saurem Quellwasser sind Bodenbestandteile (z. B. Aluminium-Ionen) gelöst, die auch für den Menschen ein Risiko darstellen können. Dort, wo die Böden schon von Natur aus ziemlich sauer sind, gibt es bereits heute Probleme bei der Trinkwassergewinnung. Man hat bei Messungen in Waldböden Säuregrade gefunden, die denen von Essig nahekommen.

Es werden daher in den besonders problematischen Waldgebieten so genannte „Kompensations-Kalkungen“ durchgeführt, um die weitere Versauerung zu stoppen und teilweise auch wieder rückgängig zu machen.

Was die neuartigen Waldschäden betrifft, so sind weder die Ursachen ganz verschwunden, noch die Symptome. Aus der akuten Erkrankung ist allerdings eine chronische Vergiftung geworden, deren erste Anfänge im Übrigen nicht in den 70er-Jahren liegen, sondern letztlich schon vor über 100 Jahren zu Beginn der Industrialisierung durch die Verbrennung von Kohle und Erdöl. Ob es in Zukunft wieder zu neuen „Erkrankungsschüben“ unserer Wälder kommen wird, lässt sich heute nicht abschließend beantworten. Vieles hängt davon ab, ob die Bäume zusätzlichen Stressfaktoren ausgesetzt werden – zum Beispiel durch häufig auftretende und sehr lange sommerliche Trockenperioden.

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Rainer Schretzmann www.aid.de

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