Überschüssiger Zucker dient Weißer Fliege zur Entgiftung von Pflanzenabwehrstoffen
Die Pflanzensaft saugende Weiße Fliege Bemisia tabaci kann den Verteidigungsmechanismus von Kreuzblütengewächsen bei Befall aktivieren. Die Weiße Fliege ist allerdings in der Lage, einen Großteil der Abwehrstoffe mithilfe von überschüssigem Zucker, den sie ohnehin verstoffwechseln muss, unschädlich zu machen. Das Insekt nutzt für die Entgiftung der Pflanzenabwehrstoffe einen völlig neuen, bislang noch nicht beschriebenen Entgiftungsmechanismus, der den Erfolg des Schädlings erklären könnte.
Weltweit gefürchteter Ernteschädling an Hunderten von Pflanzenarten
Weiße Fliegen sind Mottenschildläuse, eine Familie der Pflanzenläuse, die sich vom zuckerhaltigen Saft vieler Pflanzenarten ernähren. Weltweit besonders verbreitet und als Landwirtschaftsschädling sehr gefürchtet ist die Tabakmottenschildlaus Bemisia tabaci. Genau genommen handelt es sich nicht um eine einzige Art, sondern um einen Komplex von ca. zwei Dutzend kaum voneinander unterscheidbarer Arten.
Der eigentliche Schaden an den Pflanzen entsteht, wenn die Insekten süßen Honigtau ausscheiden, der die Besiedelung der Pflanzen durch Pilze nach sich zieht, und durch eine Reihe von Pflanzenviren, die der Schädling überträgt. Da sich die Forschenden mit den Entgiftungsmechanismen von Pflanzenschädlingen beschäftigen, ist Bemisia tabaci ein sehr interessantes Studiensystem.
„Dieser Schädling ist vermutlich das erfolgreichste pflanzensaftsaugende Insekt der Welt, das sich von Hunderten Pflanzenarten ernährt. In seiner Nahrung trifft es auf viele unterschiedliche chemische Abwehrstoffe,“ sagt Michael Easson, einer der beiden Erstautoren der Studie, der am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie als Doktorand arbeitet. Daher wollte er zusammen mit einem internationalen Forschungsteam, an der die Hebrew University of Jerusalem maßgeblich beteiligt ist, herausfinden, was den Schädling so erfolgreich macht und wie er mit der chemischen Verteidigung seiner Nahrungspflanzen umgeht.
Das Team um Projektgruppenleiter Daniel Vassão in der Abteilung Biochemie am Max-Planck-Institut forscht seit einigen Jahren an den Entgiftungsmechanismen unterschiedlicher Pflanzenfresser.
Von besonderem Interesse ist dabei, wie Insekten die sogenannten Senföl-Bombe der Kreuzblütengewächse entschärfen: Dieser pflanzliche Verteidigungsmechanismus besteht aus zwei Komponenten, Senfölglykosiden und dem Enzym Myrosinase, die in unterschiedlichen Pflanzenzellen gelagert werden. Wird das Gewebe bei Insektenfraß verletzt, spaltet das Enzym Glucose-Zucker von den Senfölglykosiden ab und es kommt zur Bildung giftiger Senföle.
Da Pflanzenläuse Blattgewebe nicht zerkauen, sondern mit ihren schmalen Saugrüsseln nur wenig Schaden am Gewebe anrichten, war man bisher davon ausgegangen, dass dieser Abwehrmechanismus beim Schutz der Pflanzen vor Pflanzenläusen nur eine untergeordnete Rolle spielt. Untersuchungen hatten allerdings zuletzt Hinweise darauf geliefert, dass nicht nur kauende, sondern auch saugende Insekten die Senföl-Bombe aktivieren können.
Neuartiger Entgiftungsweg
Die Wissenschaftler verwendeten die Modellpflanze Arabidopsis thaliana, ein Kreuzblütengewächs, dessen Verteidigung auch auf Senfölglykosiden beruht. Sie untersuchten den Stoffwechsel der Weißen Fliege genauer, vor allem den Honigtau, das zuckerhaltige Ausscheidungsprodukt von Pflanzenläusen, mittels chemischer Analysen und Isotopenmarkierung einzelner chemischer Verbindungen. Die Forscher waren überrascht, dass der Verteidigungsmechanismus von Arabidopsis thaliana durch die Weiße Fliege tatsächlich aktiviert wurde und sich giftige Senföle gebildet hatten.
Sie fanden aber auch heraus, dass der biochemische Reaktionsweg, der zur Entgiftung führt, eine völlig neuartige Reaktion ist, bei der Zucker aus dem Pflanzensaft zur Entschärfung der giftigen Pflanzenabwehrstoffe verwendet wird. „Diese Reaktion ist für die Insekten im Grunde mit keinerlei Kosten verbunden, da dieser Zucker in einem solchen Überschuss vorhanden ist und als Honigtau sowieso ausgeschieden werden muss,“ stellt Studienleiter Daniel Vassão fest.
Die Entgiftung beruht auf einer einfachen Reaktion, in der Zucker in Form einer Glucose-Gruppe an einen anderen Zucker gebunden wird, der bereits ein Teil des Senfölglykosids ist. Die Forscher vermuten, dass das dadurch entstandene neue chemische Produkt vom Pflanzenenzym nicht mehr aktiviert werden kann, weil es zu sperrig ist geworden ist.
Für diese neue Form der Glucosylierung konnten die Forscher die Enzyme in Bemisia tabaci identifizieren, die die chemische Reaktion katalysieren. Sie waren erstaunt, wie vielfältig die Entgiftungswerkzeuge dieses Insekts sind. Obwohl sie sich nur auf eine einzige Klasse pflanzlicher Abwehrstoffe, die Senfölglykoside, konzentrierten, konnten sie bereits mindestens drei unabhängige Wege zur Entgiftung finden. „Es wird interessant sein herauszufinden, wie allgemein diese Entgiftungswege sind und ob die Weiße Fliege für andere Pflanzenabwehrstoffe auch andere, jeweils spezifische Entgiftungsprozesse in ihrem Repertoire hat, und welche Enzyme diese Prozesse steuern,“ meint Vassão.
Internationales Projekt zur Bekämpfung der Weißen Fliege in Afrika
Die an der Studie beteiligten Forschenden sind an einem großen internationalen Projekt beteiligt, das die Bekämpfung der Weißen Fliege in Afrika, wo sie mit Maniok die Nahrungsgrundlage Tausender Kleinbauern bedroht, zum Ziel hat: Das Cassava Whitefly Project – Schädlingskontrolle für bäuerliche Kleinbetriebe in Afrika – wird von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung finanziert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Daniel Giddings Vassão, Department of Biochemistry, MPI for Chemical Ecology, Jena, dgiddingsvassao@ice.mpg.de, phone: +49-3641-571000
Originalpublikation:
Malka, O., Easson, M. L. A. E., Paetz, C., Götz, M., Reichelt, M., Stein, B., Luck, K., Stanisic, Aleksa, Juravel, K., Santos-Garcia, D., Mondaca, L. L., Springate, S., Colvin, J., Winter, S., Gershenzon, J., Morin, S., Vassão, D. G. (2020). Glucosylation prevents defense activation in phloem-feeding insects. Nature Chemical Biology, DOI: 10.1038/s41589-020-00658-6
https://doi.org/10.1038/s41589-020-00658-6
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