Wenn der Winter über die Stränge schlägt: Lokales Sterben von mongolischen Wildpferden
Petra Kaczensky und Chris Walzer von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und ihre Kollegen dokumentierten und verglichen die Auswirkungen auf die domestizierten und wilden Huftierbestände in der Wüste Gobi. Die Ergebnisse sind eben in der internationalen Zeitschrift PLoS ONE veröffentlicht worden.
In der Mongolei treten extreme Wetterbedingungen in Form von Dürren und von kalten und schneereichen Wintern in unregelmäßigen Abständen immer wieder auf. Allerdings führte das von der lokalen Bevölkerung Dzud genannte Wetterphänomen 2009/10 zum extremsten Winter, den die Mongolei in den vergangenen 50 Jahren erlebt hat. Fünfzehn der einundzwanzig Provinzen wurden zum Katastrophengebiet erklärt, und über 7,8 Millionen Tiere, 17 Prozent des nationalen Bestandes, kamen aller Wahrscheinlichkeit nach zu Tode.
Extremer Winter erschwerte Überleben
Przewalski-Pferde, eine asiatische Wilpferdart, galten ab 1969 in der freien Wildbahn als ausgerottet und überlebten nur in Zoos. Seit 1992 werden die Tiere aus Zoobeständen in ihrer ursprünglichen Heimat in der Mongolei wieder eingebürgert. Heute gibt es wieder zwei frei lebende Populationen, eine im Hustai Nationalpark in der Zentralmongolei und eine im Great Gobi B Schutzgebiet im Südwesten des Landes. Aufgrund der besonderen Lage am Rande des Dsungarischen Beckens, das von hohen Bergen umgeben ist, fiel im Great Gobi B Schutzgebiet im vergangenen Winter besonders viel Schnee. Das Gros der Schneestürme kam von Westen, und die Schneewolken luden große Mengen von Schnee ab, als sie am östlichen Rand des Great Gobi B Schutzgebiet auf das Altai Gebirge trafen. So kam es zu einem starken Ost-West-Gefälle in der Schneehöhe. Der hohe und fest gepackte Schnee machte es den dort lebenden Wild- und Haustieren schwer, an die Vegetation unter dem Schnee zu kommen.
Wild- und Haustiere in Massen verendet
Die lokalen Hirten im Gebiet des Great Gobi B Schutzgebietes wurden durch die Wetterbedingungen des Dzud hart getroffen . Sie verloren im Durchschnitt 67 Prozent ihres Viehbestandes. Die mongolischen Hirten sind zwar Nomaden, aber die Anzahl an guten Winterlagern ist begrenzt und die Konkurrenz um diese Plätze inzwischen hoch. Daher hatten die Leute und ihr Vieh kaum Ausweichmöglichkeiten. Die Przewalski-Pferde nutzten drei verschiedene Winterweiden, zwei im Osten und eine im Westen des Schutzgebietes. Die Verluste waren auch bei ihnen hoch, im Durchschnitt starben 60 Prozent der Tiere. Allerdings waren praktisch nur die zwei Gruppen im Ostteil des Schutzgebietes betroffen, während die westliche Gruppe fast keine Todesfälle zu verzeichnen hatte. Die Wildpferde nutzen ihren Lebensraum sehr konservativ, und selbst unter den Extrembedingungen des Dzuds wagten sich die Wildpferde nicht über die Grenzen der ihnen vertrauten Streifgebiete hinaus. So blieb der Großteil der Population im am stärksten vom Dzud betroffenen Gebiet.
Ganz anders die Asiatischen Wildesel, die nach Westen auswichen und dadurch nur wenige Verluste erlitten. Auch in einem normalen Jahr wandern sie über viel größere Gebiete als Przewalski-Pferde und müssen sich im Gegensatz zu den lokalen Hirten und ihrem Vieh nicht auf bestimmte Überwinterungsgebiete beschränken. Hauptautorin Petra Kaczensky betont, dass „diese weiten Wanderungen und die flexible Weidenutzung deutlich machen, wie wichtig es ist, wandernde oder nomadische Tierarten auf Landschaftsebene zu schützen. Um ungehindert wandern zu können müssen auch die vielfach genutzten Landschaften außerhalb von Schutzgebieten in das Management miteinbezogen werden. Denn eine Fragmentierung ihres Lebensraumes erlaubt keine Wanderungen mehr, und durch diese verringerte räumliche Flexibilität kann es dann zu lokalen Bestandseinbrüchen wie bei den Przewalski-Pferden kommen.“
Kleine Populationen besonders bedroht
Dass die Przewalski-Pferde in der Wüste Gobi von der lokal recht unterschiedlichen Wetterkatastrophe so stark betroffen waren, lag vor allem an der geringen Populationsgröße und dem kleinen Verbreitungsgebiet dieser wiedereingebürgerten Population. Eine zahlenmäßig starke und weit verbreitete Population wäre viel besser in der Lage gewesen, einen lokalen Einbruch der Population auszugleichen. Der Dzud des Winters 2009/2010 ist letztlich ein Beispiel dafür, wie verletzlich kleine und räumlich beschränkt Populationen in Gebieten mit großen klimatischen Schwankungen sind. Verluste in dieser Größenordnung sind kaum vorherzusagen. Solange Populationen klein und räumlich beschränkt bleiben, ist der Erfolg einer Wiedereinbürgerung nicht garantiert, und es braucht ein langfristig angelegtes Projektengagement. „Der Katastrophenwinter hat wirklich hervorgehoben, wie gefährlich es ist, quasi alle Pferde auf einer Weide zu haben“, sagt Petra Kaczensky. „Die nationale Strategie für die Etablierung des Przewalski-Wildpferdes in der Mongolei sollte daher weiterhin auf mehrere Standorte mit räumlich verteilten Populationen abzielen. Außerdem ist eine enge Kooperation zwischen den verschiedenen Wiedereinbürgerungsprojekten sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene wünschenswert.
Erfolg: Status der Gefährdung herabgestuft
Die Weichen dazu wurden in der Mongolei bereits gelegt, und wie als Beweis für den Erfolg der Maßnahmen wurde 2011 der Gefährdungsstatus der mongolischen Wildpferde auf der neuesten Roten Liste der IUCN von „kritisch gefährdet“ auf „gefährdet“ herabgestuft. Im Allgemeinen ist es aber weder finanziell noch technisch möglich, jede bedrohte Art zu züchten und wieder anzusiedeln, wie das für das Przewalski-Pferd geschehen ist. „Es ist vielversprechender, rechtzeitig wissenschaftlich fundierte Maßnahmen zu treffen, um Wildtiere und heimische Vegetation zu schützen“, erklärt Chris Walzer. „Dies mag die Etablierung von Schutzgebieten beinhalten, aber es ist auch wichtig, natürliche Räume und Strukturen in multifunktionellen Kulturlandschaften zu schaffen, um diese für Wildtiere durchlässig zu machen. Dadurch können Tierarten, wie z.B. auch der asiatische Wildesel, weiträumig wandern.“
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