Additive Fertigung: Bauteile völlig neu denken
Die Additive Fertigung wird traditionelle Fertigungstechnologien nicht verdrängen, sondern ergänzen – so der Tenor am 3. Praxisforum 3D-Druck an der Hochschule Landshut. Um das volle Potenzial der Additiven Fertigung auch im Leichtbau auszuschöpfen, müssten Bauteile völlig neu gedacht und konstruiert werden, erklärten verschiedene Referenten vor den rund 70 anwesenden Experten.
Als Treffpunkt weit über die Region hinaus habe sich das Praxisforum 3D-Druck mittlerweile etabliert, so Hochschulpräsident Prof. Dr. Karl Stoffel. Die Additive Fertigung habe sich als Ergänzung zu konventionellen Fertigungsmethoden inzwischen etabliert. Und für den Leichtbau biete insbesondere die Bionik Inspiration.
Aber auch die inzwischen verfügbare Topologieoptimierungssoftware biete viel Potenzial, wie Prof. Dr. Norbert Babel, wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltungsreihe von der Hochschule Landshut in seiner Einführung betonte. Ungebrochen sei der Trend, dass auf den 3D-Druck spezialisierte System- und Softwarehersteller, Dienstleister und Unternehmen – zunehmend auch gemeinsam – versuchen, aus der Additiven Fertigung Vorteile zu generieren.
Individuelle Kundenwünsche trotz Massenfertigung
Die Zukunft der Additiven Fertigungsverfahren sieht Frank Schäflein (Stratasys GmbH, Rheinmünster) vor allem in der individualisierten Massenproduktion. So sei es möglich, ohne viel Aufwand eine hohe Variantenvielfalt bei kleinen Stückzahlen zu drucken. Als Beispiel nannte er die bereits beim Airbus A350 XWB eingesetzten Kabinenhalter aus Titan, bei denen jeder eine andere Form habe.
Die eigentliche Revolution lieg für ihn aber darin, dass die Wertschöpfungskette umgedreht werden könnte: Der Wunsch des Kunden stehe am Anfang. Seine individuellen Bedürfnisse und deren Realisierung rücken wieder in den Vordergrund. Der Kunde wird so in den Entwicklungsprozess mit eingebunden.
Die vielfältigen Möglichkeiten der additiven Druckverfahren betonte auch Jürgen Groß (alphacam GmbH, Schorndorf): „Wir können uns noch gar nicht vorstellen, was alles zu drucken ist.“ Mit Hilfe der eigenen „Teilefabrik“, in der alphacam Kundenteile produziert, versuche der Anbieter von 3D-Druckern zu lernen und zu begreifen, was in der Additiven Fertigung möglich sei und was der Kunde will.
Viele Teile seien bereits im täglichen Einsatz, dabei ist nicht nur an (Klein-)Serienteile, sondern auch an die Produktionstechnik zu denken. Beispielsweise sei es leicht möglich, komplexe Montagevorrichtungen oder auch Formen für das Tiefziehen herzustellen. Groß gab auch einen Überblick, welche Verfahren und Materialien für das Drucken von Kunststoffteilen sinnvoll sind und zeigte, wie mit entsprechender Software erste Lösungen erzielt werden können.
Per Software Freiheiten der additiven Fertigung nutzen
Wie Designfreiheiten des 3D-Drucks bei der Konstruktion mit Softwareunterstützung genutzt werden können, zeigte Hans Gruber (Altair Engineering GmbH, Böblingen). Chancen sieht er insbesondere darin, Ideen der Bionik in die industrielle Anwendung überführen zu können. Hierzu sei es allerdings nötig, sich von alten Gedanken und Prinzipien der Konstruktion zu befreien, um die neuen Freiheitsgrade auch nutzen zu können.
„Designtreiber“ sei dabei das CAE, die virtuelle Konstruktion und die Additive Fertigung sind wertvolle Hilfsmittel, um das Design für die Produktion hinsichtlich Topologie, Size und Shape zu optimieren. Mit einem bionischen Design könne Gewicht gespart werden, wie er am Beispiel der optimierten Flügelrippen des Airbus A380 zeigte. Markus Hübner (ANSYS SpaceClaim, Augsburg) verdeutlichte die vielfaltigen Gestaltungsmöglichkeiten und die Realisierung per Software, von der ersten 3D-Geometrie unter Berücksichtigung des Bauraums bis hin zum druckbaren Modell.
Der Begriff der Additiven Fertigung greift für David Sanrowski (FIT AG, Lupburg) zu kurz. Treffender sei Additive Design & Manufacturing. „Additives Denken“ sei die Grundlage, weg von der fertigungsorientierten, hin zur funktionsorientierten Konstruktion mit Reduktion von Teilen und Arbeitsschritten, sowie einem wirtschaftlichen Leichtbau-Design. Als Beispiel zeigte er ein Zylindergehäuse aus dem Motorsport, in dem die Kühlung innerhalb des Bauteils über eine Wabenstruktur zwischen den Bauteilaußenwänden erfolgt. Das spart Gewicht bei verbessertem Schwingverhalten.
Nachholbedarf bei der Qualitätssicherung
Peter Wirtz (enders Ingenieure GmbH, Ergolding) setzte sich kritisch mit der Qualitätssicherung im 3D-Druck auseinander. Herkömmliche Qualitätskriterien könnten nicht eins zu eins übernommen werden. Es gebe viele Ansätze, er sieht aber die Hersteller von Anlagen in der Pflicht: Sie müssten einen geeigneten Qualitätsmanagement-Prozess zur Verfügung stellen, der auf die individuellen Bedürfnisse eines Kunden zugeschnitten werden könne.
Georg Schlick (Fraunhofer-Einrichtung für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV, Augsburg) thematisierte Qualitätssicherung am Beispiel des Laserstrahlschmelzens. Er verdeutlichte neue Möglichkeiten der Funktionsintegration und Materialeinsparung. Für die Konstruktion gebe es dennoch Herausforderungen: Oft seien die Werkstoffkennwerte zwar für die statische Auslegung ausreichend, nicht aber für die eine optimierte Materialersparnis. Auch seien Prozessabweichungen durch unterschiedliche Werkstoffqualität zu berücksichtigen, das Verfahren müsse optimal beherrscht werden. Lunker und nicht aufgeschmolzene Materialeinschlüsse könnten ebenso zu Defekten führen, wie Verunreinigungen im Pulver.
Anlagenherstellern bieten online-Prozessüberwachung an. Damit seien zwar Fehler oft schnell erkennbar, allerdings nicht ihre Ursachen. Schlick fordert deshalb einen ganzheitlichen Ansatz des Qualitätsmanagements: Bereits vor Prozessbeginn müssten der Zustand der Anlage, Laserparameter aber auch das Ausgangsmaterial genau analysiert werden – hier seien auch die Anlagenhersteller in der Pflicht. Im Postprozess müssten Proben geprüft werden, zerstörungsfreie Prüfungen seien hier oft nicht ausreichend. Insgesamt sei bei hoch beanspruchten Bauteilen auch ein hoher Aufwand zur Qualitätssicherung nötig.
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