Das zweite Leben der Platte
Wissenschaftler der TU Berlin fanden einen Weg, aus den Stahlbeton-Elementen der DDR-Neubausiedlungen Einfamilienhäuser zu bauen. Das spart Zeit und Geld
Bis zum Jahr 2010 werden in den ostdeutschen Bundesländern 350 000 Plattenbauwohnungen abgerissen. Es gibt für sie keine Mieter mehr. Grund ist der dramatische Bevölkerungsrückgang im Osten. Verursacht wird er sowohl durch die Abwanderung aufgrund fehlender Arbeitsplätze als auch durch die geringe Geburtenrate.
Doch das Ende dieser Plattenbauwohnungen ist nicht das Ende der Platte. Derzeit entsteht in Mehrow bei Berlin das erste Einfamilienhaus, das aus der Betonplatte gebaut wird. Zwei weitere Häuser sollen folgen. Bevor der Bau dieses recycelten Hauses möglich wurde, haben Wissenschaftler der TU Berlin vom Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb sowie Wissenschaftler des Instituts für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.V. an der TU Berlin (IEMB) untersucht, ob und wie die Betonplatte weiterverarbeitet werden kann. Das For-schungsprojekt „Zukunftsorientierter Umgang mit Plattenbaustrukturen. Untersuchung der Wiederverwendungsmöglichkeiten von demontierten Fertigteilelementen aus Wohnungsbautypen der ehemaligen DDR für den Einsatz im Wohnungsbau“ wurde vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung gefördert.
Ausgangspunkt für die Untersuchungen war ein ökologischer Gedanke“, sagt Dipl.-Ing. Claus Asam vom IEMB, der das Projekt leitete und maßgeblich mitinitiierte. „Da der Platte eine Lebensdauer von etwa 100 Jahren zugeschrieben wird, ihr Abriss aber nun schon nach zwanzig bis dreißig Jahren erfolgt, ist das Material keineswegs ermüdet. Zudem stecken in einer sechs Meter mal drei Meter großen Betonplatte 400 Liter Heizöl. Energie, die gespart werden kann, wenn die alten Platten im Hausbau weiterverwendet und nicht neue hergestellt werden“, so Asam. Die Wiederverwertung der Platte für bis zu dreigeschossige Bauten führe außerdem zu einer Ersparnis von 25 Prozent im Rohbau. Eine neue Platte kostet 900 Euro.
An der TU Berlin wurde die DDR-Platte in der Peter-Behrens-Versuchshalle auf Festigkeit und Belastung getestet mit dem Ergebnis, dass dem DDR-Beton ausgesprochen gute Qua-lität hinsichtlich dieser beiden Komponenten bescheinigt wurde.
Ein zweites Leben im Einfamilienhaus ist aber derzeit nur den Deckenplatten und tragenden Innenwänden gegönnt. Das sind 60 bis 70 Prozent der Bausubstanz. Die Außenwände sind weniger geeignet, da sie wahrscheinlich mit einem krebserregenden Stoff gedämmt sind und zudem aus drei Schichten bestehen, die sich beim Zuschneiden der Platten voneinander lösen würden, so dass sie wieder zusammengefügt werden müssten. Dies würde das kostengünstige Bauen mit der recycelten Platte aushebeln.
Ein weiterer Vorzug des Bauens mit der Betonplatte ist aber nicht nur die Geld-, sondern auch die Zeitersparnis. Innerhalb eines Vierteljahres kann ein solches Haus fertig sein. Zudem ist Beton ein guter Wärmespeicher, ist schallisolierend und schafft ein angenehmes Raumklima. „Und keineswegs können mit der Platte nur einförmige quadratische Betonklötzer gebaut werden“, sagt Asam. Die Untersuchungen an der TU Berlin ergaben auch, dass sich die Platte kostengünstig bearbeiten lässt, das heißt zersägen oder zerschneiden, und damit zu individuellem Bauen geeignet ist. Das Haus in Mehrow wird den Beweis liefern.
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Dr.-Ing. Claus Asam, Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.V. an der TU Berlin (IEMB), Salzufer 14, 10587 Berlin, Telefon: 030/39921-779, E-Mail: asam@iemb.de
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